Lords of the Fallen
Die Soulslike-Formel wird im Reboot von "Lords of the Fallen" neu interpretiert. Das Spiel ist ab Freitag für Konsole und PC erhältlich.
Screenshot/CI Games

Es nimmt schon verrückte Züge an heuer. Da glaubt man, die besten Spiele schon gespielt und die restlichen auf dem Radar zu haben – und dann kommt plötzlich ein brillanter Souls-Klon um die Ecke, der sich mehr nach "Dark Souls 4" anfühlt, als es "Elden Ring" je getan hat. Ob diese Richtung gut oder schlecht ist, dürfte den harten Kern der Spielergemeinde noch lange beschäftigen, ist aber nur eine Detailfrage. Fakt ist, dass der polnische Publisher CI Games mit "Lords of the Fallen" einen echten Herbstkracher abliefert, den man gespielt haben muss. Zumindest wenn man mit Action-Rollenspielen im Allgemeinen und dem Subgenre des Soulslike im Besonderen etwas anfangen kann.

Im Jahr 2014 erlebte die Videospielbranche schon einmal die Veröffentlichung von "Lords of the Fallen". Das Spiel machte damals kein Hehl daraus, dass es sich um eine recht deutliche Anspielung auf die Genre-Vorreiter "Demon's Souls" und "Dark Souls" des Entwicklers From Software handelte. Die ursprüngliche Version aus der Feder des deutschen Studios Deck 13 hatte den Ruf, eine spielerisch vertraute, aber auch recht verwässerte Version ihrer Vorbilder zu sein. Viel Neues gab es nicht zu sehen.

Neun Jahre später wird den Spielenden nun ein Reboot der Marke serviert. Obwohl das Spiel von CI Games ursprünglich als "The Lords of the Fallen" angekündigt worden war, wurde der Titel fallen gelassen und das Spiel einfach unter dem alten Namen weitergeführt. Eigentlich hätte es auch "Lords of the Fallen 2" heißen können und wäre nicht falsch gewesen. Viel wichtiger scheint, was dem Spiel nach all der Zeit geblieben ist – und zwar eine ausgesprochen düstere Stimmung, die den High-Fantasy-Ton der ersten Souls-Titel imitiert und die mittelalterliche Note sehr stark betont. Alles beim Alten also? Mitnichten.

Altes System, neuer Twist

Der spanisch-rumänische Entwickler Hexworks, der von CI Games eigens für das Spiel ins Leben gerufen wurde, versteht es, mit chinesischer Präzision und Hingabe die wesentlichen Merkmale der Souls-Trilogie von From Software zu kopieren. Wer "Dark Souls" kennt, wird sich in diesem Spiel schnell zurechtfinden: Es ist genau das gleiche Gefühl, Lagerfeuer für Lagerfeuer einen Plan schmieden zu müssen, um die Reise durch ein verschachteltes Leveldesign zu überleben. Der Grund dafür ist einfach: Hinter jeder Ecke könnte der Tod und der damit verbundene Verlust von Seelen, der Währung im Spiel, lauern. Und wenn nicht, dann ist es eine der vielen überraschenden Abkürzungen, die zeigen, wie eng die Level des Spiels miteinander verwoben sind.

LORDS OF THE FALLEN - Launch Trailer | Out October 13th on PC, PS5 & Xbox Series X|S
CI Games

"Lords of the Fallen" erneut als bloßen Abklatsch zu bezeichnen wäre trotz der frappierenden Ähnlichkeiten aber ungerecht. Ein faszinierender Unterschied zu den Souls-Titeln ist nämlich das Konzept der Parallelwelten, das in "Lords of the Fallen" eingeführt wird. Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich, weshalb man an dieser Stelle nicht unbedingt "The Legend of Zelda" bemühen muss. Tatsächlich ist der ständige Wechsel zwischen zwei Welten aber eine der zentralen Erkundungsmechaniken des Spiels.

Licht und Schatten

Durch das Heben einer magischen Laterne, die der Spieler von Anfang an bei sich trägt, gelangt er von Axiom, dem Land der Lebenden, nach Umbral, ins Reich der Toten. Wo ein Weg in Axiom endet, kann er in Umbral fortgesetzt werden – und im späteren Spielverlauf wird diese Idee so weit getrieben, dass ein ständiger Wechsel notwendig ist, um in der Handlung voranzukommen oder um geheime und besonders wertvolle Ausrüstungsgegenstände zu entdecken. Wer das Pech hat, bei einem kurzen Blick mit der Laterne in die Totenwelt von einem Schattenwesen entdeckt zu werden, wird automatisch in diese hineingezogen.

Lords of the Fallen
Moment mal, hat da jemand Blighttown gesagt?!
Screenshot/CI Games

Dieses System greift aber strategisch noch viel weiter in das Spielgeschehen ein. Stirbt der Spieler in Axiom, bekommt er automatisch eine zweite Chance in Umbral. Allzu lange sollte man sich allerdings nicht im Reich der Toten aufhalten, denn je länger man dort verweilt, desto stärker und zahlreicher werden die Gegner. Außerdem gibt es zwei Herausforderungen: Zum einen gelangt man zwar relativ leicht nach Umbral, der Weg zurück ins Reich der Lebenden führt aber nur über kleine Statuen, die spärlich verteilt sind. Zum anderen bleibt man in der Schattenwelt nicht von den Gegnern verschont, die auch in Axiom lauern.

Mehr Klassen

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger aus dem Jahr 2014 beschränkt sich "Lords of the Fallen" nicht auf einen vorgegebenen Hauptcharakter, sondern beginnt, wie in diesem Genre mittlerweile üblich, mit einem umfangreichen Charaktererstellungsprozess. Dazu gehört auch, dass sich die Spielenden für einen von mehreren (auch später freischaltbaren) Klassenarchetypen entscheiden müssen. Die Bandbreite könnte klassischer nicht sein und umfasst anfangs unter anderem Ritter und Barbaren (Nahkampf), Ranger (Fernkampf) oder beispielsweise einen Feuerkultisten (Magie).

Lords of the Fallen
Gerlinde (ganz links im Bild) versorgt Spielerinnen und Spieler mit Waffen-Upgrades. Dafür muss sie aber erst einmal gefunden werden.
Screenshot/CI Games

Das Spiel empfiehlt, mit einer der vier Nahkampfklassen zu beginnen. Einige Klassen wie der Feuerkultist sind zudem explizit als fortgeschritten gekennzeichnet. Über die Wahl der Klasse muss man sich aber eigentlich keine großen Gedanken machen, da die Ausrüstungsgegenstände der anderen Charaktere im Spiel gefunden werden können. Auch die Attributspunkte, die man für einen Levelaufstieg erhält, können später mit einem bestimmten Gegenstand neu verteilt werden.

Gemeinsam Geschichte schreiben

Unabhängig von der gewählten Klasse bleibt das grundlegende Ziel aller Spielerinnen und Spieler in "Lords of the Fallen" ohnehin gleich. Sie müssen als auserwählte "dunkle Kreuzritter" durch ein düsteres Land namens Mournstead ziehen, um die Rückkehr des Dämonengottes Adyr zu verhindern. Um die Schergen, die seine baldige Ankunft ankündigen, aufzuhalten, müssen fünf Leuchtfeuer gereinigt werden.

Der Rest ist Geschichte, die bewusst nicht gespoilert werden soll. Grundsätzlich ist die Tonalität wie erwähnt sehr stark an "Dark Souls" angelehnt. Das heißt, dass die Dialoge mit den Charakteren sehr kryptisch formuliert sind, man kann sich aber durchaus einen Reim darauf machen. Muss man auch nicht, wenn man nicht will, und kann sich auf den Kampf konzentrieren. Apropos "alle Spieler" und "Kampf": An den Ruhepunkten kann man jederzeit einen Freund oder auch einen Unbekannten zu einem gemeinsamen Spiel einladen, der Koop-Modus wird voll unterstützt.

Das Bild zeigt einen Screenshot aus dem Spiel
In "Lords of the Fallen" kann man auch gemeinsam mit einem Freund in die Schlacht ziehen. Nein, nicht mit dem in der Mitte.
CI Games

Für vorliegenden Bericht war dies leider keine valide Option. Meine Freunde hatten logischerweise vor dem Veröffentlichungszeitraum noch keinen Code zur Verfügung, und das Ausprobieren mit Unbekannten funktionierte leider nur sehr langsam und nicht zufriedenstellend. Zumindest nicht so, dass es einen spielerischen Vorteil gebracht hätte.

Das Experimentieren mit verschiedenen Charakteren und die Hälfte des Spielumfangs wurden daher über einen Zeitraum von gut 20 Stunden durchgehend alleine bestritten. Wer im Spiel jeden Stein umdrehen will, was sich aufgrund des cleveren Leveldesigns und der drei unterschiedlichen Endsequenzen durchaus lohnen dürfte, kann also durchaus mit rund 40 bis 50 Stunden Spielspaß rechnen.

Auf in den Kampf …

Das Kampfsystem von "Lords of the Fallen" erweist sich grundsätzlich als robust und durchdacht, erhält aber Abzüge in der B-Note. Wie man es von vielen Souls-Titeln gewohnt ist, geht man je nach gewählter Klasse mit Hieb- und Stichwaffen oder Magie ins Gefecht und kann damit seine Gegner ins Visier nehmen.

Das Bild zeigt einen Screenshot aus dem Spiel
Bitte lächeln, der Fotograf ist heute da.
CI Games

Neben der klassischen Ausweichrolle können die Angriffe des Gegners nicht nur geblockt, sondern auch pariert werden. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, den Gegner nach mehreren erfolgreichen Aktionen aus dem Gleichgewicht zu bringen, ihn zu betäuben und ihm anschließend kritischen Schaden zuzufügen. Das "Backstabbing", also dem Gegner in den Rücken zu fallen, funktioniert leider nicht. Irgendetwas muss man "Dark Souls" ja auch noch lassen. Dafür ist das sofortige Wiederherstellen von Lebenspunkten möglich, wenn man im Kampf getroffen wird, ähnlich wie man es aus "Bloodborne" kennt.

… nicht ohne Krampf

Diese Neuanordnung bekannter Systeme funktioniert in der Praxis recht gut, allerdings muss man sich mit einigen Ecken und Kanten abfinden. Zum einen ist die Distanz der Ausweichrolle viel zu weit. Das erschwert nicht nur das Abspringen und anschließende Abrollen in Geschicklichkeitspassagen, sondern wirkt besonders im Kampf etwas deplatziert. Dies ist vor allem deshalb nicht unerheblich, da "Lords of the Fallen" Ausweichen und Parieren im Spiel indirekt stärker forciert als das Blocken.

Das Bild zeigt einen Schreenshot zu
Komische Gadse: Manche Endbosse ziehen lieber mit ihren Haustieren in die Schlacht.
CI Games

In diesem Zusammenhang wäre es auch wünschenswert gewesen, wenn erfolgreiches Parieren optisch oder akustisch deutlicher signalisiert würde. Im Eifer des Gefechts wirkt dies bei "Lords of the Fallen" nicht deutlich genug, was übrigens auch für das Blocken gilt. Zudem scheint die Hitbox von Gegnern manchmal nicht korrekt anzusprechen: Was zumindest optisch ein klarer Treffer sein müsste, wird tatsächlich nicht gewertet. Sind auch noch viele Gegner auf dem Bildschirm, was im Spiel nicht selten der Fall ist, kann das Umschalten beim Anvisieren recht hakelig ausfallen.

Auf Nachfrage des STANDARD bestätigte der Entwickler, dass er immer noch dabei sei, die Metriken für die Fortbewegung der Spieler zu optimieren, wie zum Beispiel eben die kritisierte Ausweichdistanz. Erhebliche Änderungen an der Feindnummerierung und den Begegnungen seien ebenfalls noch nicht abgeschlossen. Hexworks empfiehlt daher, sich unbedingt das Update zum Start zu holen, "um das Spiel noch besser genießen zu können".

Da isser, der "Türsteher"!

Natürlich muss man sich im Laufe des Spiels auf zahlreiche Bosskämpfe einstellen, die hier auch nicht gespoilert werden sollen. In den meisten Fällen machen diese Showdowns richtig Spaß und sind durchwegs gelungene Herausforderungen. Wenig Verständnis habe ich allerdings für den "Türsteher-Effekt", der bei diesen Spielen zuletzt in Mode gekommen zu sein scheint. Darunter versteht man einen Bossgegner relativ am Anfang des Spiels, der im Vergleich zum unmittelbar darauffolgenden Spielverlauf unverhältnismäßig stark ist – und an dem sich dementsprechend auch hier viele Spieler die Zähne ausbeißen dürften.

Lords of the Fallen
Madame Pieta dürfte so manchem Spieler unangenehm in Erinnerung bleiben. Auch wenn sie nach einem Showdown im Spiel um "Wiedergutmachung" bemüht ist.
Screenshot/CI Games

Ein populäres Beispiel ist Margit, The Fell Omen, aus "Elden Ring", Zhang Liang aus "Wo Long: Fallen Dynasty" ist sogar ein Extrembeispiel – und nun wartet in "Lords of the Fallen" der nächste Türsteher darauf, Unschuldige zu verdreschen. Was wollen die Entwickler damit erreichen? Dass Spieler den Vollpreis für ein Spiel bezahlen und sich "als Dankeschön" nach kurzer Zeit grün und blau ärgern dürfen, noch bevor sie richtig ins Spiel eingetaucht sind? Was soll das bringen? Vor allem, wenn sich nachfolgende Bosse buchstäblich wieder einmal über die Klippe cheesen lassen?

Ganz nüchtern betrachtet dürfte es fürs Geschäft nicht nachhaltig sein, einem falschen Ruf hinterherzulaufen und mit einem harten Einstieg hausieren zu gehen. Denn wen man einmal so vor den Kopf stößt, der kommt wahrscheinlich kein zweites Mal. Das ist besonders schade, weil es nicht gerade eine Einladung für Neulinge ins Genre ist und weil das Spiel im konkreten Fall wirklich empfehlenswert ist. Der Sinn dahinter erschließt sich kaum, sollte aber besser an anderer Stelle genauer erörtert werden.

Beeindruckende Technik mit Einschränkungen

Technisch gesehen liefert "Lords of the Fallen" mit der Unreal Engine 5 die bisher beste Leistung ab. Visuell ist das Action-Rollenspiel ungemein ansprechend: Die Detailverliebtheit der Umgebungen und Charaktermodelle sorgt vor allem auf einem PC mit entsprechend potenter Grafikkarte für tiefe Kinnladen. Die aufwendige Architektur mittelalterlicher Prachtbauten wird ebenso stimmig ins rechte Licht gerückt wie die verlassenen Winkel unheimlicher Moorlandschaften. Der sparsame, aber treffsichere Einsatz musikalischer Untermalung unterstreicht das visuell bombastische Erlebnis auch akustisch.

Lords of the Fallen
Trortz Schwächen zählt "Lords of the Fallen" optisch definitiv zu den besten Vertretern des Genres.
Screenshot/CI Games

Ganz fehlerfrei ist "Lords of the Fallen" aber nicht. Abgesehen von wenigen vernachlässigbaren Abstürzen der Engine sowie ein paar Bugs, die im Testlauf aufgefallen sind, gab es ein paar intensive Passagen im Spiel, bei denen die Grafikeinstellungen reduziert werden mussten. Selbst eine Nvidia RTX 4090 mit aktiviertem DLSS ging dabei nämlich bis zur Unspielbarkeitsgrenze in die Knie. Eine Konsolenversion konnte leider nicht ausprobiert werden, hier soll laut Entwickler jedenfalls dem Industriestandard Rechnung getragen werden – und zwar in Form eines Performance-Modus mit 60 FPS und eines Qualitätsmodus mit 30 FPS. Die Auflösung dürfte in beiden Fällen dementsprechend niedrig ausfallen.

Fazit

"Lords of the Fallen" erweist sich als bemerkenswerte Weiterentwicklung des Soulslike-Subgenres, indem es die Grundprinzipien von "Dark Souls" mit eigenen Merkmalen gekonnt erweitert. Der frische Ansatz des Spiels in Form der Parallelweltmechanik bereichert das Erkundungserlebnis und bietet eine faszinierende Abwechslung. Auch die Etablierung eines Koop-Modus hat durchaus das Potenzial, das Spielerlebnis zu verbessern. Angenehm ist zudem, dass man nicht von einem weiteren Open-World-Konzept erschlagen wird. Eigentlich also alles, was man auch von einem echten Nachfolger zu "Dark Souls" erwarten könnte.

Das Kampfsystem ist zwar robust, könnte aber per Patch noch feiner abgestimmt werden, um ein klareres Feedback und eine bessere Kontrolle zu bieten. Rein technisch gesehen ist das Spiel eine beeindruckende Demonstration der Unreal Engine 5, dafür muss man auf dem PC noch gelegentliche Abstürze in Kauf nehmen. Trotz kleinerer Schwächen präsentiert sich "Lords of the Fallen" somit als äußerst spannender Titel für Spieler, die auf der Suche nach neuen Herausforderungen sind, und zeigt, dass es gute Antworten auf die Frage gibt, wie man die Soulslike-Formel nach all den Jahren verbessern kann. In meinen Augen mit Abstand der beste Genrevertreter 2023. (Benjamin Brandtner, 12.10.2023)