Cremeschnitte
Wer kann dieser Cremeschnitte widerstehen?
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Pro

Da steht er nun vor mir: der zu einem Würfel gewordene Mehlspeistraum. Zwei Drittel Vanillecreme, ein Drittel Schlagobers zwischen zwei knusprig gebackenen goldbraunen Blätterteigschichten. Der Deckel großzügig mit Puderzucker bestreut.

Nix gegen die österreichische Variante mit Zuckerguss, aber die Blejska kremšnita war den Umweg nach Slowenien auf der Rückfahrt vom Kroatienurlaub wert. Der Bleder See mit seiner pittoresken Insel samt Kirche, die Burg, die malerisch über all dem thront: Vergessen sind sie in den folgenden Augenblicken des Genusses. Wenn die Kuchengabel den Blätterteig krachend durchbricht, um dann beinahe widerstandslos in das softe Innere zu gleiten, bevor sie noch einmal auf Widerstand stößt … Knusprige und cremige Konsistenz vereinen sich im Mund zur perfekten Einheit. Man braucht kaum kauen, bemerkt nicht, dass man sich gerade eine Kalorienbombe einverleibt. Gäbe es eine Petition, die (Bleder) Cremeschnitte zum kulinarischen Weltkulturerbe zu erklären, ich würde, ohne zu zögern, unterschreiben. (RONDO, Markus Böhm, 26.10.2023)

Kontra

Zucker hat ein Imageproblem. Manche sagen sogar, er gleiche einer Droge und mache abhängig. Diabetes Typ II auf beiden Seiten meiner Familie bekräftigt diese These und legt eine genetische Disposition nahe. Tatsächlich kann ich bei Mehlspeisen nur schwer widerstehen, und auf die Frage, ob ich noch Nachschlag möchte, sage ich nie Nein. Macht mich das zum Junkie? Ich denke nicht. Doch in Sachen Cremeschnitte lässt sich eine Parallele zu Suchtmitteln feststellen.

Auf den ersten Blick wirkt sie verführerisch – mit der dicken Schicht duftender Vanillemasse, den buttrigen Teigblättern und der zarten Staubzuckerschicht. Keine Frage, sie schmeckt auch himmlisch. Doch dann entfaltet sich ihre höllische Seite: Die Teigschicht lässt sich mit dem Gäbelchen nicht ordentlich durchbrechen. Stattdessen drückt man die ganze Creme zur Seite raus, auf dem Teller herrscht Saustall. Finger, Mund und Kleidung werden klebrig. Ein jähes Erwachen aus der kulinarischen Ekstase. Die Cremeschnitte ist Teufelszeug. Lasset die Finger davon! (RONDO, Michael Steingruber, 26.10.2023)