Tafel und Kreide? Oder lieber Tablet und Laptop? Großer Turnsaal, coole Lehrerin? Hort oder Ganztagsschule?Die Suche nach der richtigen Schule wirft mehr Fragen auf, als der Autor beantworten kann.
Regine Hendrich

Meiner Frau ist dieses Thema wirklich wichtig, und es macht sie fertig, und sie kennt derzeit kein anderes: die zukünftige Schule unseres Kindes. Sie hält (mir) Vorträge dazu, jeden Tag, in der Früh, dazwischen am Telefon und am Abend. Meine Frau kann stundenlang darüber reden, und sie tut es auch. Es geht um die Volksschule, also um die ZUKUNFT unseres ­Kindes. Des einzigen gemeinsamen Kindes, könnte ich jetzt noch anfügen, in einer anderen Konstellation, also beim dritten oder vierten Kind, hätte die Wahl der richtigen Schule nicht mehr so eine Priorität, denk ich mir.

Ich habe mich im Freundeskreis umgehört, mit Bekannten, meiner Familie und den Nachbarn gesprochen, es ist eigentlich überall das Gleiche: Die Mütter interessieren sich sehr dafür, die Männer wären eher schnell entschieden, man könnte ihnen auch eine gewisse Wurstigkeit unterstellen, aber im Prinzip haben sie nicht viel mitzureden. An dieser klassischen Rollenaufteilung scheint sich auch 2023 nicht viel verändert zu haben.

Leistungsdruck: Minus!

Ich bin es gewohnt, effizient vorzugehen und rasch zu entscheiden. Wir haben uns die erste Schule angeschaut, und ich wusste: Die ist es. Tolle Schule. Ums Eck gelegen, da kann der Kleine vielleicht auch einmal alleine hingehen, die stellen gerade auf Gesamtschule um, eine interessierte Direktorin, ein gemütliches Ambiente, da wird Mika mitgenommen, aber nicht überfordert. Der Leistungsdruck, sag ich immer, kommt noch früh genug, da muss man nicht schon in der Volksschule damit anfangen, Mika soll noch Kind bleiben dürfen, mit all seinen Spleens und seiner verspielten Seele.

Meine Frau war strikt gegen diese Schule. Aus vielerlei Gründen, die ich gar nicht wahrgenommen oder bedacht habe. Zu wenig Ordnung. Wer in der Klasse so unordentlich ist, kann auch den Kindern keinen Halt geben, die Sanitäranlagen, das Konzept, die Direktorin, die eine Lehrerin, die die Fälle nicht beherrscht, also das Thema war schnell durch, meine Frau hat das ausführlich analysiert, und dann stand für uns fest: Diese Schule kommt nicht infrage.

Bei der nächsten Schule wusste ich nach fünf Minuten: Die ist es. Da fühl ich mich schon im Eingangsbereich wohl, da wird sich auch Mika wohlfühlen. Und als ich dann die Klasse gesehen habe, sah ich Mika schon vor meinem geistigen Auge dort sitzen, das wird ihm bestimmt taugen, die Lehrerin, also die mögliche Lehrerin ist auch nett. Können wir Mika schon anmelden.

Leistungsdruck: Plus!

Da hatte ich die Rechnung ohne meine Frau gemacht, und wir haben sehr lange und sehr oft darüber geredet, also eigentlich hat nur sie geredet, und am Ende war mir klar: Die Umstellung auf Ganztagsschule ist erst im Laufen, das Konzept noch unklar, die Direktorin ein bisschen schlampig, die Lehrerin zu wenig erfahren.

Aber sie liegt halbwegs in der Nähe, die Schule, wandte ich ein. "Du denkst nur an dich", entgegnete meine Frau.

Die nächste Schule war spitze. Fand ich. Groß, aufgeräumt, ein bisschen zu elitär vielleicht, aber mit der Leistung kann man nie früh genug anfangen, da nimmt er was mit fürs Leben, da sitzt er quasi schon fix im Gymnasium. Dass die Schule halbwegs auf meinem Arbeitsweg liegt, erwähnte ich lieber nicht. Ich soll ja nicht immer nur an mich denken.

Lehrerin, pfuh!

Wir haben das dann sehr genau analysiert, meine Frau, und dann haben wir erkannt, dass dort nur Schnösel hingehen, dass die Schule zu unpersönlich ist, dass sich Mika dort schwer zurechtfinden würde, und hast du diese Lehrerin gesehen.

Soll die Schule eher Geborgenheit vermitteln oder schon den Leistungsgedanken transportieren? Da kommen auch Mama und Papa nicht immer auf einen grünen Zweig.
Regine Hendrich

Die vierte Schule war das Gegenteil der dritten. Eine Privatschule, klein und gemütlich, ich war sofort überzeugt davon. Ja, man muss sich die Bildung seines Kindes auch etwas kosten lassen, auch wenn es wehtut. Aber toller Hort, netter ­Pausenhof, das habe ich gleich erkannt.

Turnsaal: Top!

Aber ich habe natürlich auf das Falsche geachtet, und mir singen jetzt noch die Ohren. Am Ende wusste ich: Diese Schule kommt nicht infrage. Antiquiert und verschlafen, und der Hof ist gefährlich!

Gestern hatten wir die fünfte Schule besucht. Tag der offenen Türe, wir wurden von zwei sehr netten kleinen Mädchen aus der dritten Klasse von oben bis unten durchgeführt. Toller Turnsaal, den Speisesaal durften wir nicht betreten, wegen der Hygiene, aber das Konzept, wie die Ganztagsschule dort umgesetzt wird, ist wirklich großartig. Da nimmt man es auch in Kauf, dass die Schule nicht gerade ums Eck liegt. Dachte ich mir.

Die Direktorin erklärte uns dann, dass weder sie noch wir Einfluss darauf haben, in welche Schule unser Kind gehen wird. Man kann im Erhebungsbogen zwar angeben, was die bevorzugte Schule wäre, aber entscheiden tut das dann die Bildungsdirektion.

Äh, kennen Sie jemand?

Es ist jetzt nicht so, dass wir gar nicht mehr darüber geredet haben, aber ich bringe jetzt mehr Gelassenheit in diese Gespräche mit, bei denen ich meiner Frau zuhöre. Von mir ist eine Last gefallen, und ich wünschte, bei meiner Frau wäre das auch so. Kennen Sie vielleicht jemanden in der Bildungsdirektion? (Michael Völker, 24.10.2023)