Super Mario Brothers Wonder
Nicht nur der Mariofant wirbelt die Level in "Super Mario Bros. Wonder" gehörig durcheinander.
Nintendo

Ein Typ mit blauer Latzhose und befremdlichem Schnurrbart würde im wirklichen Leben etwas aus der Zeit gefallen wirken. Zumindest ein bisschen. In der Welt der Videospiele hingegen steht er für ein Erfolgsrezept, das dem japanischen Entwickler Nintendo nicht nur zum Durchbruch verholfen hat. Im Laufe der Jahrzehnte ist Super Mario in seinen unzähligen Abenteuern zu dem geworden, was andere große Konkurrenten der Branche gerne hätten: ein Maskottchen.

Wenn Super Mario und – mittlerweile auch eine Vielzahl seiner – Freunde gemeinsam zu einem neuen 2D-Abenteuer antreten, ist das aus zweierlei Hinsicht eine große Sache. Zum einen, weil die Videospiel-Figur über das klassische zweidimensionale Jump 'n' Run zur Ikone wurde und seither immer noch Messlatte für alle Neuerscheinungen im Genre ist. Zum anderen, weil es mittlerweile zehn Jahre her ist, seitdem es zuletzt ein komplett neues 2D-Mario gegeben hat. Nintendos Vorliebe zum Aufwärmen älterer Titel bleibt an dieser Stelle bewusst ausgeblendet.

Am 20. Oktober erscheint "Super Mario Bros. Wonder" (SMBW) exklusiv für die Hybridkonsole Switch, bei dem sich Spielerinnen und Spielern laut Nintendo darauf vorbereiten sollen, das Unerwartete zu erwarten. Der STANDARD konnte das Jump 'n' Run vor der Veröffentlichung spielen und verrät im Detail, weshalb die Bezeichnung "Wonder" dem Programm durchaus gerecht wird.

Täuschende Vertrautheit

Steht man nicht vor seinem allerersten Mario-Abenteuer, wirkt "SMBW" auf den ersten Blick täuschend vertraut. An allen Ecken und Enden versprüht das Spiel inhaltlich das charmante Vermächtnis seiner Vorgänger: Vor allem die leichtfüßig wirkenden Manöver, mit denen Mario von links nach rechts durch die Spielwelten springt, Steine zertrümmert und Gegner aus dem Level kickt, sind als Kernelement natürlich erhalten geblieben. Eine knallbunte Optik und gelungene Variationen bekannter Ohrwürmer tragen dazu bei, dass sich Kenner von der ersten Sekunde an wie zu Hause fühlen.

Super Mario Bros. Wonder – Übersichtstrailer
Nintendo DE

Auch eine begehbare Landkarte, die sich seit "Super Mario Brothers 3" als visuelle Klammer für die einzelnen Level bewährt hat, fehlt bei "SMBW" nicht. Und wie in "Super Mario World" bildet sie nicht nur Geheimwege und versteckte Extras ab, sie deutet sie auch an. Das titelgebende "Wonder" lässt aber nicht lange auf sich warten.

Anders als bisher in 2D-Abenteuern Marios gewohnt, bricht "SMBW" die vertraute Landkarte punktuell zu offenen Arealen auf, in denen sich Spielerinnen und Spieler aussuchen können, welche der lose platzierten Level sie spielen wollen. Solche Areale und in weiterer Folge auch Spielwelten kann Mario erst hinter sich lassen, wenn er in den darin befindlichen Levels eine bestimmte Zahl an sogenannten Wundersamen eingesammelt hat.

Super Mario Bros Wonder
Die Karte des Blumenkönigreichs wirkt auf den ersten Blick vertraut, birgt aber einige Neuerungen. Die wirklichen Überraschungen gibt es in den Leveln.
Nintendo/Screenshot

Neu ist auch, dass sich Level nicht ausschließlich auf das klassische Durchlaufen von links nach rechts beschränken. Nach Wettrennen gegen Tausendfüßer auf Rollschuhen können sich Spielerinnen und Spieler in Verschnaufpausen zum Beispiel kurzen und knackigen Geschicklichkeitsaufgaben stellen. Bei den "Rätseln der Leere" wiederum gilt es, versteckte Münzen in einem Gebiet zu finden – und in Abzeichenlevels muss man neue Fähigkeiten ausprobieren, um sie permanent ins Repertoire des Spielcharakters aufnehmen zu können, doch dazu später noch mehr.

Überraschung!

So weit, so gut, aber wo bleiben jetzt die echten "Wonder"? Was ein bisschen schon damit beginnt, dass Nintendo den berüchtigten Level-Timer über Bord wirft und Spieler nur noch selten unter Zeitdruck setzt, findet im Einsammeln von Wunderblumen seinen Höhepunkt. Dadurch triggert man im Level Wundereffekte, die bisher vorhandene Regeln und Gegebenheiten eines Levels komplett auf den Kopf stellen. Teilweise sogar buchstäblich.

Super Mario Bros Wonder
Was ist mit Mario passiert? Wer eine Wunderblume findet, wirft die Levelstruktur komplett über Bord und wird nicht selten mit verrückten Gegebenheiten konfrontiert.
Nintendo/Screenshot

Um keine Überraschungen zu verderben, sei nur so viel angedeutet: Die Zielrichtung eines Levels kann plötzlich komplett umschlagen, die Schwerkraft kann sich ändern, Mario kann sich über seine Power-ups hinaus in ungewöhnliche Objekte oder Kreaturen verwandeln – und es treten unvorhersehbare Ereignisse auf, wie beispielsweise eine Herde panischer Dinos, die das Level durchqueren. Das reißt das Spiel immer wieder aus der vermeintlichen Normalität des Blumenkönigreichs heraus und verwandelt es in einen faszinierend verrückten Fiebertraum Marios. Phasenweise wirkt es fast so, als hätte Wario bei der Entwicklung seine Hand im Spiel gehabt.

Blumige Aufmachung

Apropos Blumenkönigreich: Von den Wunderblumen abgesehen, die zahlreiche frische Ideen auf Spielerinnen und Spieler loslassen, präsentiert sich die knallbunte Spielwelt in einem auffällig blumigen Stil. Immer wieder trifft man auf sprechende Blumen, aus den bekannten Röhren sprudeln Wasserfontänen und manche Gegner mögen vertraut sein, haben aber andere Angriffe. Generell verwundert auch die für ein Mario-Spiel hohe Vielfalt an Gegnern, die mit unterschiedlichen Angriffsmustern immer wieder auf Trab halten.

Keine Wunder erwarten darf man sich von "SMBW" hinsichtlich Story. Einmal mehr gilt es ein Königreich von den dunklen Machenschaften Bowsers zu befreien. Um dem ewigen Kontrahenten Marios erneut entgegentreten zu können, muss man eine bestimmte Anzahl an "Königssamen" einsammeln, um die Piranha-Wolken zu vertreiben, die den Weg zu seinem Luftschiff versperren. Oder um es anders zu formulieren: Der Weg ist bei "SMBW" einmal mehr das Ziel.

Das Schwammerl reicht nicht aus

Besonders bemerkenswert hingegen sind die neuen Power-ups, die Mario in verschiedene Formen verwandelt. Diese Formen bringen jeweils einzigartige Fähigkeiten mit sich: Die Elefantenform ermöglicht es, Wasser zu versprühen oder sogar Röhren zu verschieben. Ein Bubble-Mario kann magische Seifenblasen entstehen lassen, die schwer erreichbare Gegner ausschalten oder die als Plattformen dienen. Bohrer-Mario ist vor Angriffen von oben geschützt und kann sich in den Boden oder die Decke graben, um versteckte Geheimnisse aufzuspüren. Auch diese Vielfalt an neuen Formen und Fähigkeiten sorgt für Abwechslung und lädt dazu ein, die Funktionsweise von Super Mario neu zu denken.

Super Mario Bros Wonder
Die Aufmachung von "Super Mario Bros. Wonder" ist knallbunt und detailverliebt. Für den Plot des Abenteuers darf man sich hingegen keine Wunder erwarten.
Nintendo/Screenshot

Ein weiterer Aspekt der Überraschung sind schließlich die Abzeichen, die im Laufe des Spiels verdient und ausgerüstet werden können. Jedes Abzeichen beeinflusst die Art und Weise, wie man die zuvor beschriebenen Herausforderungen im Spiel angeht. Einige davon erleichtern das Spiel für unerfahrene Spieler, während andere das Erlebnis für Experten anspruchsvoller gestalten können. Diese Vielseitigkeit ist nicht zuletzt auch deshalb von Vorteil, weil so bis zu vier Spieler mit unterschiedlichen Vorerfahrungen gleichzeitig gegen Bowser in die Schlacht ziehen können.

Fazit

Selbst nach 35 Jahren schaffen es der japanische Alibi-Installateur und seine Entourage immer noch, ein Lächeln auf meine Lippen zu zaubern. "Super Mario Bros. Wonder" ehrt nicht nur das Vermächtnis hochkarätiger Vorgänger. Diesmal mündet ein Haufen verrückter Ideen in jenes packende Leveldesign und somit die Erfolgsformel der Serie, die es Spielerinnen und Spielern seit Jahrzehnten so schwer macht, den Controller aus der Hand zu legen.

Das Bild zeigt die beiden Videospiele
"Super Mario World" (in Japan mit dem Untertitel "Super Mario Bros. 4" erschienen) bleibt für den Autor weiterhin das beste 2D-Mario. "SMBW" spielt aber auch in der Liga der ganz großen Würfe mit.
DER STANDARD/Brandtner

Neben durchwegs unterhaltsamen Aufgaben und neuen Herausforderungen versprüht auch die Aufmachung des Titels durchwegs gute Laune. Der knallbunte Cartoon-Look steht Mario und Freunden hervorragend und weiß mit subtilen, aber detailverliebten Animationen zu gefallen. Untermalt wird das visuell zeitweise fast wie ein Fiebertraum wirkende Abenteuer mit einprägsamen Melodien, die manchmal auch nach dem Spiel nicht mehr aus dem Ohr gehen wollen.

So abgedroschen die Behauptung schon sein mag, wie hervorragend das Spielejahr 2023 geworden ist, unterstreicht Nintendo sie doppelt mit dem neuen Super Mario. Das Abenteuer überrascht auf einem derart hohen Niveau, dass es meiner Ansicht nach durchaus auch den Titel "Super Mario Bros. 5" verdient hätte. Genug geschrieben, das nächste Level wartet. Let's-a-go! (Benjamin Brandtner, 18.10.2023)