Jedermann Salzburger Festspiele
Die von Michael Sturminger erarbeitete Version des "Jedermann" soll abgesetzt, das heurige "Jedermann"-Duo, Burgschauspieler Michael Maertens und Buhlschaft Valerie Pachner, nun doch nicht verlängert werden.
APA/BARBARA GINDL

Auch sie sei davon ausgegangen, dass am "Jedermann" nicht gerüttelt werde. Zumindest nicht gleich zu Anfang ihrer Schauspielintendanz. Ja: Als Marina Davydova ihren Vertrag als neue Schauspieldirektorin der Salzburger Festspiele vor rund einem Jahr unterzeichnet habe, sei ihr noch explizit mitgeteilt worden, dass am "Jedermann" vorerst nicht zu rütteln sei.

Einige Monate später ist jetzt alles anders: Sonntagabend sickerte durch, dass 2024 eine Neuinszenierung des "geistlichen Spiels" am Domplatz mit neuer Regie und Besetzung geplant sei. Sprich, die von Michael Sturminger über sieben Jahre in unterschiedlichen Fassungen und Besetzungen erarbeitete Version des "Jedermann" werde abgesetzt, das heurige "Jedermann"-Duo, Burgschauspieler Michael Maertens und Buhlschaft Valerie Pachner, nun doch nicht verlängert – und das, obwohl Maertens seinen Zweijahresvertrag bereits unterschrieben hat. Erst "vor wenigen Tagen" sei Regie und Darstellern diese Entscheidung mitgeteilt worden.

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DER STANDARD

Kritiker und Publikum

Glücklich sei sie jedenfalls nicht, wie die Kommunikation verlaufen sei, sagt Davydova gegenüber dem STANDARD, der sie Montagmorgen am Telefon erreichte. Was die Gründe für die Absetzung des erst 2023 komplett überarbeiteten "Jedermann" gewesen seien? Eine Mischung aus mehreren Punkten, sagt die aus Russland geflüchtete neue Salzburger Schauspieldirektorin: Bei vielen Kritikern sei Sturmingers heuriger Endzeit-"Jedermann" samt Klimakritikern und Lumpenproletariat auf Ablehnung gestoßen, und auch die Publikumsreaktionen seien sehr gemischt ausgefallen.

Davydova Jedermann Salzburger Festspiele 
Marina Davydova verantwortet im kommenden Jahr das erste Mal das Schauspielprogramm der Salzburger Festspiele. Zuvor arbeitete die Russin in Moskau, wo sie zu Kriegsbeginn flüchten musste.
Vera Martynov

Im Direktorium der Festspiele habe es in den vergangenen Wochen daher zahlreiche Sitzungen und "viele schmerzhafte Diskussionen" gegeben, wie man mit dem "Jedermann" weiter verfahre. Bei diesem Stück am Salzburger Domplatz zähle nicht nur die künstlerische Sicht, gibt Davydova unumwunden zu, sondern auch das Einspielergebnis an der Theaterkasse. Der "Jedermann" ist bekanntlich eine Cashcow der Festspiele, denen die Teuerung und die Personalkostensteigerungen gerade sehr zusetzen.

Neues Team im Kopf

"Die Absetzung hat nichts mit einer persönlichen künstlerischen Präferenz von meiner Seite zu tun", sagt Davydova, die Entscheidung habe auch nicht sie alleine getroffen. Am liebsten würde sie die Vorgänge der vergangenen Wochen ganz schnell wieder vergessen. "In ihrem Kopf" habe sie das neue Team, das den "Jedermann" kommendes Jahr ausrichten werde, allerdings bereits zusammengestellt. Genaueres werde man zu gegebener Zeit kommunizieren.

Regisseur Michael Sturminger und das Ensemble gaben unterdessen im Mittagsjournal von Ö1 an, eine Sammelklage gegen die Festspiele zu erwägen. Die Frage sei allerdings, inwieweit mündliche Zusagen rechtlich bindend seien, so Sturminger. Im Fall von Maertens, der einen Zweijahresvertrag unterschrieb (mit der Option auf weitere zwei Jahre), könnten hohe Abschlagszahlungen zu tätigen sein. Nur er habe eine verbindliche Zusage gehabt, so Festspiel-Intendant Markus Hinterhäuser gegenüber der Sueddeutschen Zeitung. Hinterhäuser: "Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst." (Stephan Hilpold, 23.10.2023)