"Robocop" ist kein Franchise, das sich für Laien leicht erklären lässt. So soll selbst Paul Verhoeven, Regisseur des ersten Films aus dem Jahr 1987, das Drehbuch zwei Mal abgelehnt haben, bevor er von seiner Frau auf den satirischen Aspekt aufmerksam gemacht wurde. Und obwohl Verhoeven selbst nach Fertigstellung die übertriebene Gewaltdarstellung als Teil eben jener Satire bezeichnete, waren Jugendschützer anderer Meinung: Szenen wurden gekürzt oder geändert, um den SciFi-Streifen in die Kinos bringen zu können. Heute gilt "Robocop" als Klassiker mit bitterböser Satire, als clevere Anspielung auf politische Missstände und als einer der besten Science-Fiction-Filme aller Zeiten.

Robocop (1987) | Official Trailer | MGM Studios
MGM

Ein Computerspiel zu "Robocop" zu machen, das wäre eigentlich einfach, mit der entsprechenden Lizenz ließe sich bequem ein herzloser und uninspirierter First-Person-Shooter entwickeln und verkaufen. Ein gutes Computerspiel zu "Robocop" zu entwickeln ist hingegen schwieriger. Und genau das versucht polnische Studio Teyon mit "RoboCop: Rogue City", das ab 2. November für Playstation 5, Xbox Series X/S und PC verfügbar ist – eine ursprünglich für die Nintendo Switch anvisierte Version wurde gestrichen.

RoboCop: Rogue City | All You Need to Know in 60 Seconds
Nacon

Bei Wertungen auf der Plattform Metacritic sammelt die PC-Version von "RoboCop: Rogue City" im Schnitt 81 von 100 möglichen Punkten, die PS5-Version 70 und die Xbox Series X-Version 74 Punkte. Die Kampagne dürfte den Kritiken zufolge 15 bis 20 Stunden lang sein. Der STANDARD hat das Spiel auf dem PC knapp fünf Stunden angespielt und konnte dabei bereits gute Eindrücke von der Story, dem Setting und dem Gameplay gewinnen.

Willkommen in des Dystopie

"RoboCop: Rogue City" ist zeitlich nach den Ereignissen des zweiten Films angesiedelt. Alex Murphy alias Robocop ist Seite an Seite mit seiner Partnerin Anne Lewis unterwegs, um das Verbrechen in Detroit zu bekämpfen. Dabei treten Charaktere aus den Filmen auf, ebenso wie die Droge "Nuke" aus dem zweiten Teil eine Rolle spielt. Und spoilerfrei kann auch gesagt werden, dass der Antagonist eine Referenz zu den Filmen bietet.

Screenshot Robocop: Rogue City
Lewis isoliert einen Draht mit einem Kaugummi. Diese Szene hätte es auch in jeden 1980er-Actionfilm geschafft.
Teyon/Nacon

Doch es bleibt nicht nur bei den offensichtlichen Referenzen: das gesamte Setting stellt eine dystopische Version der späten 1980er- beziehungsweise der frühen 1990er-Jahre dar. So gibt es eine abgesandelte Polizeistation ebenso wie dunkle Straßenecken, in denen Punks herumlungern und Taugenichtse die Wände mit Grafitti beschmieren. Das alles fühlt sich sehr lebendig und immersiv an, und auch der Soundtrack ist eine Hommage an jenen des Originalfilms.

Exzessive Gewalt und Parkstrafen

In dieser überzeugend dargestellten Welt folgt der Protagonist einer Story, die sich ebenfalls um Nähe zu den filmischen Vorlagen bemüht, um Gangs und die besagte Droge geht es ebenso wie um eine sinistre Verschwörung. Und auch das Wechselspiel aus Mensch und Maschine wird thematisiert: Murphy kämpft mit Traumata aus seiner Vergangenheit, der maschinelle Teil des Robocop weist manchmal Störungen auf. Eine Psychologin versucht in Dialogen mit dem Spieler, diesen Problemen mit viel Empathie auf den Grund zu gehen, während sein Vorgesetzter ihn nur als "es" und "die Maschine" bezeichnet.

Screenshot aus Robocop: Rogue City
Im Gespräch mit der Psychologin kommt Murphys menschliche Seite zum Vorschein.
Teyon/Nacon

Im Kern ist "Robocop: Rogue City" natürlich ein First-Person-Shooter, in dem man sich durch das düstere Destroit ballert und fiese Gangmitglieder in die Schranken weist. Die Darstellung der Gewalt ist dabei so exzessiv, dass sie geradezu comichaft wirkt: da werden Hände und Köpfe weg geschossen, Kanister explodieren und schleudern die Opfer in der Gegend herum, an allen Ecken und Enden spritzt das digitale Kunstblut. Nicht umsonst ist das Spiel erst ab 18 Jahren freigegeben.

Neben Robocops ikonischer Knarre, die er gleich in der ersten Szene aus der künstlichen Hüfte herausfahren lässt, hat man im Spiel Zugriff auf diverse Waffe, welche die Gegner fallen lassen, von Pistolen und Maschinengewehren bis zu Scharfschützergewehren und Granatwerfern. Und, a propos werfen: auch können diverse Objekte geworfen werden, von Mistkübeln und Feuerwerfern über E-Gitarren und Motorräder bis zu den Schergen selbst, die man alternativ auch mit einem robotischen Faustschlag niederstrecken kann.

Doch die Schießereien sind nicht alles. Außerdem kann Robocop seine Sensoren einsetzen, um detektivische Arbeit zu leisten, also Spuren eines Kriminalfalls ausfindig zu machen und zu analysieren. Das klingt spannender, als es ist: in Wahrheit müssen nur möglichst alle Objekte im Sichtfeld gescanned werden, damit entsprechende Monologe gestartet werden und die Handlung fortgesetzt wird.

Da sind die Nebenmissionen schon deutlich unterhaltsamer und ein regelrechtes Highlight des Spiels. Denn als Hüter des Gesetzes ist Robocop nicht auf die Bekämpfung von Bandenkriminalität beschränkt. An anderer Stelle muss er etwa Parkstrafen ausstellen oder Halbstarke vor einem Geschäft bitten, ihren Ghettoblaster leiser zu drehen. Oder Anzeigen empörter Bürgerinnen und Bürger aufnehmen. Oder mit stoischem Gesicht in der Polizeistation von Kollege zu Kollege gehen, damit diese eine Grußkarte unterschreiben. Das alles ist so obskur, dass es witzig ist.

Screenshot aus Robocop: Rogue City
Dieser Mann beschwert sich darüber, dass seine Nachbarn ihn wegen seines Hundes schikanieren. Der Dialog steht stellvertretend für den obskuren Humor des Spiels.
Teyon/Nacon

Abgerundet wird dies alles durch leichte Rollenspielelemente: die Hauptwaffe kann aufgerüstet werden diverse Skills in verschiedenen Kategorien freigeschaltet werden.

Technik gelungen, aber nicht ohne Fehler

Eben diese Skills wiederum bieten auch Raum für Kritik. So wirkt es vor allem in den ersten Stunden des Spiels so, als müsse man für manche Aktionen Fähigkeiten freigeschalten haben, die man zu diesem Punkt unmöglich erworben haben kann. Hier wäre ein besseres Balancing angebracht.

Andere Kritikpunkte sind technischer Natur. So ist das Spiel - im Gegensatz zu anderen - gut genug optimiert, dass auf einem System mit empfohlener Hardware locker 120 Frames pro Sekunde möglich sind. Durch den Einsatz der Unreal Engine 5 wirken die düsteren Straßen realistisch und beengend zugleich. Getrübt wird dies Erfahrung durch kleine Bugs, wie etwa teils asynchrone oder gar nicht vorhandene Lippenbewegungen in Dialogen oder die Tatsache, dass fallengelassene Gegenstände teils einfach schwebend in der Luft verharren.

Fazit: ein Fest für Fans

Das sind jedoch Kleinigkeiten, welche gegen die Pluspunkte nur geringfügig ins Gewicht fallen: dem gegenüber stehen ein abwechslungsreiches Spielgeschehen, eine interessante Geschichte mit überzeugenden Charakteren und teils bissig-witzigen Dialogen sowie vor allem eine Atmosphäre, die den Geist der Filme überzeugend einfängt. Wer diese mochte, der wird auch mit dem Spiel zweifellos Spaß haben. (Stefan Mey, 1.11.2023)

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: ein Exemplar des Spiels wurde dem STANDARD von Nacon zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.