Paukenschlag im Segment des gemeinnützigen Wohnbaus: Mit dem "Bundesrevisionsverband für gemeinnützige Bauvereinigungen" erwächst dem GBV-Revisionsverband, der viele Jahrzehnte lang der einzige Verband war, der die Bilanzen der gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaften prüfte, nun Konkurrenz. Der neue Verband wurde im vergangenen April vom Wirtschaftsministerium per Bescheid anerkannt, wie man dort dem STANDARD bestätigt. Seit kurzem gibt es auch eine Website, das Logo erinnert an jenes des Bundesrechnungshofs, der Gründer ist darauf prominent abgebildet. Dabei handelt es sich um den 48-jährigen Unternehmensberater Michael Valentin aus Wien.

Wohnbauten mit Baukränen, im Vordergrund eine grüne Wiese.
Gemeinnützige Bauvereinigungen haben künftig die Wahl, von welchem Revisionsverband sie geprüft werden möchten.
picturedesk.com/Werner Kerschbaummayr

Mehrere Anläufe

Und der ist im Sektor beileibe kein Unbekannter. Valentin versucht vielmehr schon seit mehreren Jahren, einen "Gegenentwurf" zum bestehenden "Monopolisten" aufzubauen. Seinem ersten Anlauf machte eine Änderung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG) im Juni 2022 einen Strich durch die Rechnung, wie Valentin selbst zugibt. Damals wurde vom Parlament beschlossen, dass eine gemeinnützige Bauvereinigung einem Revisionsverband angehören müsse, "der über einen eigenen, ständigen Prüfungsbetrieb verfügt". Valentin wollte seinen Revisionsverband zunächst ausschließlich mit externen Revisoren betreiben – das geht nun aber nicht mehr. Jetzt gibt es auch in seinem Verband eine eigene Revisionsabteilung, die Mitglieder sind auf der Website ersichtlich.

Das Büro des "Bundesrevisionsverbands" befindet sich in Salzburg. Dahinter würden durchaus "strategische Überlegungen" stecken, sagt Valentin – nämlich eigentlich geografische: Salzburg liege ungefähr in der Mitte Österreichs und sei deshalb auch von Vertreterinnen und Vertretern von Genossenschaften aus Vorarlberg rascher erreichbar als die Bundeshauptstadt Wien. Valentin ist "Vorsitzender des Vorstands", seine Stellvertreterin ist Steuerberaterin Anja Cupal. Neben dem Bescheid des Wirtschaftsministeriums war auch ein solcher von der Abschlussprüfer-Aufsichtsbehörde nötig. Sämtliche Genehmigungen liegen ihm damit vor.

Zweifel bestehen

Der "alte", bisher einzige Revisionsverband der Gemeinnützigen hat 182 Mitglieder. Es wird erwartet, dass das eine oder andere Unternehmen wohl wechseln wird. Valentin ist in den letzten Wochen und Monaten an einige Unternehmen herangetreten, ein paar Mitglieder habe er bereits gefunden, sagt er. Namen nennt er nicht. Als einen Mitgrund für die Gründung seines Revisionsverbands nennt er aber den Umstand, dass der bestehende Verband zuletzt "rund 40 Prozent der Unternehmen nicht mehr rechtzeitig geprüft hat".

"Wir haben ein hohes Prüfaufkommen, das stimmt", entgegnet ihm der Bundesobmann des GBV-Revisionsverbands, Klaus Baringer. "Wir haben aber auch eine hohe Prüfqualität." Und genau die sei wohl die Ursache dafür, dass von dem einen oder anderen Unternehmen – es werde wohl "eine niedrige einstellige Zahl" sein – zum neuen Verband gewechselt werde, mutmaßt Baringer. Er verweist diesbezüglich auch auf die Causa "Schönes Wohnen", in die auch Michael Valentin involviert ist und bei der dieser "alles dafür getan hat, dass die Prüfung hinausgezögert wird".

Grundsätzlich sei Wettbewerb "gut und zu akzeptieren", sagt der GBV-Obmann. Wenn sich die Unternehmen nun aber aussuchen werden können, von wem sie geprüft werden, könne das mitunter auch zu "unerfreulichen Situationen" führen.

Causa Schönes Wohnen als Vorgeschichte

Auch wenn Valentin sagt, dass er an der Gründung des Revisionsverbands schon länger dran ist, so ist wohl die Causa Schönes Wohnen untrennbar mit seiner Neugründung verbunden. Valentins Ehefrau Aglaja Valentin ist nämlich die Vorsitzende der gleichnamigen Wiener Genossenschaft. Und zwischen dieser und dem GBV-Revisionsverband läuft schon seit ein paar Jahren ein veritabler Streit. Und er ist immer noch nicht beigelegt.

Begonnen hatte es mit einem sehr negativen Prüfbericht über das Jahr 2019. Er wurde von der Stadt Wien im Jahr 2020 auszugsweise veröffentlicht, verschwand aber bald wieder von der Website der Stadt. Seither wurden keine Prüfberichte zur Genossenschaft Schönes Wohnen von der Aufsichtsbehörde mehr veröffentlicht.

Zu hohe Vorstandsbezüge, Verkauf von Wohnungen an die Obfrau beziehungsweise deren Familienmitglieder, ein Dienstvertrag mit dem Ehemann der Obfrau, also Valentin, der dem Aufsichtsrat erst im Nachhinein vorgelegt wurde – all dies wurde vom Revisor damals kritisiert. Und noch mehr: Die Wohnung, die die Obfrau selbst bewohnt, soll unüblich aufwendig saniert worden sein, und in einem Gebäude am Margaretengürtel soll es zu Wohnungsverkäufen gekommen sein, die nicht von der Landesregierung abgesegnet wurden, wie es das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) eigentlich vorsieht. Fünf Wohneinheiten wurden dort veräußert und innerhalb von drei bis neun Monaten weiterverkauft. Der vom GBV-Revisionsverband gestellte Prüfer zweifelte die Richtigkeit des vom Vorstand ermittelten Verkehrswertes an, und außerdem wäre nach Ansicht des Revisors ein Vorkaufsrecht im Grundbuch einzutragen gewesen.

"Prüfbericht ist zu korrigieren"

In einer Stellungnahme, die dem STANDARD vorliegt, hielt das Unternehmen dazu fest, dass es sich hier nicht um geförderte, sondern freifinanzierte Wohnungen gehandelt habe und diese zudem im Zuge eines Dachgeschoßausbaus neu errichtet worden seien. Es seien also keine "Kaufoptionswohnungen", sondern gewöhnliche Eigentumswohnungen gewesen. Die Kaufpreisermittlung habe dennoch nach den Richtlinien des WGG erfolgen müssen. "Dass Wohnungskäufer in weiterer Folge ihre Wohnung – mehr oder weniger zeitnah – weiterverkaufen, ist seitens der Genossenschaft nicht gewünscht, kann aber rechtlich auch nicht verhindert werden." Und die Eintragung des Vorkaufsrechts sei nur bei der nachträglichen Eigentumsübertragung anzuwenden, nicht aber beim Erwerb neu geschaffener Wohnungen.

"Der Prüfungsbericht ist zu korrigieren", lautete die Forderung des Unternehmens sowohl bei diesem als auch bei allen anderen erwähnten Kritikpunkten. Die Stellungnahme stammt vom Juni 2022, seither ist in dieser Angelegenheit nichts Wesentliches mehr passiert. Derzeit ist die Aufsichtsbehörde, die Stadt Wien, am Zug. Von dort heißt es zum STANDARD, man warte derzeit noch den Ausgang eines Verfahrens am Handelsgericht "zur Beurteilung der Abberufung des Prüfers zum Prüfbericht 2019" ab. Außerdem wolle man den Schlussbericht der Prüfung des Geschäftsjahres 2021 abwarten, der für Ende Jänner 2024 erwartet wird. (Martin Putschögl, 2.11.2023)