Islamabad/Kabul – Angesichts einer drohenden Massenabschiebung aus Pakistan hält der Strom afghanischer Flüchtlinge in Richtung Afghanistan an. Wie pakistanische Behörden der Grenzregion der Deutschen Presse-Agentur am Freitag mitteilten, haben am Donnerstag rund 24.000 Afghanen Pakistan verlassen. Auch am Freitag wartete demnach erneut eine lange Schlange von Männern, Frauen, Kindern und Lastwagen am Torkham-Grenzübergang, der wichtigsten Kontrollstelle zwischen beiden Ländern.

Unterdessen wurden bei einem Anschlag auf eine Polizeieinheit in Pakistan mindestens fünf Menschen getötet und mehr als 15 verletzt. Das teilte ein Sprecher der örtlichen Polizei der Deutschen Presse-Agentur am Freitag mit. Die Tat ereignete sich in der nordwestlichen Provinz Khyber-Pakhtunkhwa. Eine Bombe sei an einem geparkten Motorrad befestigt worden, beschrieb der Polizeisprecher den Tathergang.

Video: Pakistan: Massenexodus der Afghanen.
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Anschläge durch militante Gruppen

Pakistan kämpft derzeit mit vermehrten Anschlägen durch militante Gruppierungen, darunter die pakistanischen Taliban (TTP). Trotz ideologischer Nähe ist die TTP unabhängig von der Taliban-Regierung im benachbarten Afghanistan. Pakistan beschuldigt die in Afghanistan herrschenden Taliban jedoch, der TTP auf ihrem Boden Schutz zu gewähren.

Flüchtlinge ohne Aufenthaltsstatus, insbesondere aus Afghanistan, will die pakistanische Regierung vor diesem Hintergrund abschieben. Nach Regierungsangaben lebten zuletzt etwa 4,4 Millionen afghanische Geflüchtete in Pakistan, 1,7 Millionen davon ohne gültige Papiere. Vor Ablauf der Frist am 1. November haben nach Behördenangaben schon mehr als 190.000 Afghanen das Land verlassen.

Die Beziehungen zwischen Pakistan und Afghanistan sind angespannt. Bei einem Treffen mit der Uno-Sondergesandten für Afghanistan, Rosa Otunbajewa, warf der afghanische Außenminister Amir Khan Muttaqi der pakistanischen Seite vor, die Flüchtlinge zum eigenen Vorteil zu nutzen, wie die Taliban-Nachrichtenagentur Bakhtar meldete.

Afghanische Geflüchtete gehen in Richtung afghanisch-pakistanischen Grenzübergang.
Laut Regierungsangaben lebten zuletzt 1,7 Millionen afghanische Geflüchtete ohne gültige Papiere in Pakistan.
AFP/ABDUL MAJEED

Erstarken der Taliban in Pakistan

Die Abschiebungen finden wenige Monate vor der Parlamentswahl im Februar statt. Als Grund hat Pakistans Innenminister Sarfaraz Bugti eine Verschärfung der Sicherheitslage genannt. Pakistan kämpft neben einer schweren Wirtschaftskrise auch mit einem Erstarken der Taliban im eigenen Land. Dafür macht die Regierung auch afghanische Flüchtlinge verantwortlich.

Hilfsorganisationen warnen wegen des nahenden Winters vor kritischen Bedingungen für die Rückkehrer. Viele Familien hätten keinen Ort in Afghanistan, an den sie zurückkehren könnten, und müssten den Winter voraussichtlich in Lagern in der Grenzregion verbringen. Zudem steckt Afghanistan ohnehin in einer schweren humanitären Krise. Das Welternährungsprogramm teilte auf der Online-Plattform X mit, dass 400 Millionen Euro benötigt würden, um afghanischen Familien durch den Winter zu helfen.

Seit Mittwoch gehen die pakistanischen Behörden hart gegen die Geflüchteten vor. Mehrere Abschiebezentren wurden eingerichtet. Die pakistanische Flüchtlingsbehörde berichtete von Festnahmen, von denen auch Menschen mit Aufenthaltsstatus betroffen seien. (APA, red, 3.11.2023)