Spezialisten unter den Kriminellen, die ihr Betätigungsfeld kaum wechseln und in einem kleinen Gebiet mit lokalen Partnern operieren, sind im Durchschnitt eher weiblich, wie Wiener Komplexitätsforscher nun herausgefunden haben. "Daher lohnt es sich, Energie und Ressourcen in spezialisierte Polizeieinheiten zu investieren, die sich auf bestimmte Arten von Straftaten konzentrieren", erklärten Stefan Thurner und sein Team von der Complexity Science Hub (CSH) in Wien.

Die Forschenden analysierten für ihre im Fachjournal "Scientific Reports" vorgestellte Untersuchung 1,2 Millionen strafrechtlicher Vorfälle von 581.000 Tätern. "Das entspricht allen Strafanzeigen, die in einem kleinen mitteleuropäischen Land über einen Zeitraum von sechs Jahren gegen Einzelpersonen gestellt wurden", erklärt das Team. Um welches Land es sich handelt, dürfe man laut Vertrag mit dem Projektpartner, der die anonymisierten Daten zeitweilig zur Verfügung stellte, nicht verraten. Dies ist laut Fachartikel die Abteilung für Kriminalanalyse des österreichischen Bundeskriminalamts.

Kriminalität, Gefängnis
Die meisten notorischen Straftäter landen früher oder später im Gefängnis. Weibliche Kriminelle sind oft Spezialisten für bestimmte Straftaten, wie eine aktuelle Studie nun zeigte.
Foto: imago images/Elmar Gubisch

Auf kleinem Gebiet mit wenigen Partnern

Die Resultate: Straftäter, die sich in ihrer kriminellen Karriere auf bestimmte Verbrechensgebiete spezialisiert haben, sind tendenziell älter und häufiger weiblich als jene mit einem breiten Betätigungsfeld, so die Wissenschafter: "Diese Spezialisten operieren in einem kleineren geografischen Gebiet, was darauf hindeutet, dass sie stärker auf die Kenntnis eines Orts und vielleicht auch die Unterstützung von Personen dort angewiesen sind als Straftäter, die sich nicht spezialisieren. Sie arbeiten auch in kleinen, engmaschigen lokalen Netzwerken zusammen. Dies erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass sie wiederholt mit denselben Partnern kooperieren.

Von den 581.000 Straftätern machen sich fast ein Viertel mehr als einmal schuldig, so die Komplexitätsforscher. Obwohl Frauen tendenziell mehr zum Spezialistentum neigten als Männer, waren sie insgesamt nur 15 Prozent der Wiederholungstäter. "Dies steht im Einklang mit Studien aus der ganzen Welt", erklärten sie. In manchen Bereichen wie Prostitution, Computerkriminalität und Umweltverbrechen ist Spezialisierung recht wahrscheinlich. Hier wechseln die Täter kaum in andere Gefilde. Es gibt aber auch "typische Übergänge", berichten die Wissenschafter, zum Beispiel von Wahlbetrug zu Computerkriminalität, von Tierquälerei zu Umweltkriminalität und von Korruption zur Beteiligung an Suizid.

Muster kriminellen Verhaltens

Dieses Wissen würde den Strafverfolgungsbehörden helfen, kriminelle Entwicklungen besser vorherzusehen. "Maßgeschneiderte Maßnahmen in den Bereichen Polizeiarbeit, Prävention und Resozialisierung könnten so eine noch größere Wirkung erzielen", meinen die Forscher.

Sie hatten alle Strafanzeigen von 2015 bis 2012 aus dem anonymen Land in 21 Kategorien eingeordnet, wie zum Beispiel "Korruption" und "Sexualdelikte". "Anschließend clusterten wir die Straftäter und Straftäterinnen anhand der begangenen Delikte", so Georg Heiler (CSH). Soziodemografische Informationen wie Alter und Geschlecht sowie Angaben über die Art und Schwere der begangenen Verbrechen sowie die geografische Region, in der sie stattfanden, flossen ebenfalls in die Analysen ein. So konnte eine "datengestützte Kategorisierung von Straftaten" vollzogen werden, in der sich Muster kriminellen Verhaltens erkennen lassen, erklärte Thurner. (red, APA, 12.11.2023)