Selbstkritischen Autoren wird man es nicht verübeln, wenn sie in einem Anfall gelegentlichen Zweifels am Wert ihrer Produktion in ihren Text eine Lesewarnung einflechten, um Leserinnen und Lesern die Chance zu geben, sich rechtzeitig besseren Dingen zuzuwenden. Ihren Zweck kann sie natürlich nur erfüllen, wenn sie am Anfang steht. In seiner jüngsten Kolumne Naschmarkt ist "Krone"-Autor Rainer Nowak den umgekehrten Weg gegangen.

Rainer Nowak
Muss mich bei Ihnen entschuldigen, Sie mit einem derart banalen Thema an einem Sonntag belästigt zu haben": Rainer Nowak an seine "Krone bunt"-Leserinnen und Leser.
APA Herbert Neubauer

"Muss mich bei Ihnen entschuldigen"

Ich muss mich am Schluss bei Ihnen entschuldigen, Sie mit einem derart banalen Thema an einem Sonntag belästigt zu haben. Die zu Recht erkannte banale Belästigung bestand darin, der EU einen heldenhaften Kampf gegen das Zuckersackerl unter Vernachlässigung sämtlicher anderer Probleme der Welt zu unterstellen, also übliches Brüssel-Bashing im "Krone"-Stil zu betreiben. Statt sich, von Nowak zu spät gewarnt, in lästiger Banalität zu verlieren, hätte sich der Leser bei Prof. Dr. Gerti Senger länger darüber informieren können, dass unstillbares Verlangen nach Sex kein Beweis der Fülle, sondern der Leere ist.

Schon vor dem Fauxpas hatte der Politikanalyst und Medienberater Peter Plaikner in "News" die Frage aufgeworfen: Kann "Presse"-Nowak auch die "Kronen Zeitung"? Plaikner erinnerte daran, wie sich Nowak von Thomas Schmid Hilfe erhoffte, um Generaldirektor des ORF zu werden, und meinte, für Hüter der reinen Lehre ist er dadurch für weitere journalistische Führungsjobs auf ewig disqualifiziert. Das ist noch lange kein Grund, sich nach einem fünfmonatigen Probetrab als Kolumnist der "Krone" nicht einen Aufstieg zum Superressortleiter von Innen- und Außenpolitik sowie Wirtschaft zuzutrauen.

Sichrovsky und Nestroy

Die Äcker, die Nowak nun pflügen muss, sind hingegen vollkommen anders als jene, die er aus der "Presse" kennt, machte sich Plaikner furchengängerisch Sorgen. Denn den großen Horizont (einst "Presse"-Slogan) zu können, ist etwas ganz anderes, aber sicher nicht schwieriger, als das größte Kleinformat der Welt in seinen umstrittensten Aspekten zukunftsfit zu gestalten. Die Schreibe im Massenblatt muss anders bleiben, als es der deklarierte Qualitätsjournalist gewohnt war. In der "Krone bunt" wirkt er dabei noch nicht fortgeschritten genug.

Aber keine Angst, ein Superressort mit Schlüsselfunktion erledigt Nowak mit rechts. Keine Sorgen hat sich Plaikner bisher um die Schaffenskraft eines "News"-Kollegen gemacht, der ebenfalls in vielen Sätteln gerecht ist. Als Kulturmensch gibt Heinz Sichrovsky in dem Magazin wöchentlich Spitzentöne von sich, er kommentiert alles Mögliche in "Kultur heute" auf ORF 3, als Mitarbeiter der "Krone" wechselt er in tiefere Frequenzen, weil Spitzentöne dort nun einmal Michael Jeannée vorbehalten sind.Dazu noch die aufreibende Arbeit eines Senior Editor von "News" – da ist man beruhigt, dass der Dutzendsassa neulich versprach, er habe auf dem morgendlichen Schwechater Flughafen den dauerhaften Rückzug aus der Nestroy-Jury beschlossen. Das wird den Autor des "Lumpazivagabundus" kränken, aber irgendwo muss man sich ein wenig einschränken, man kann schließlich nicht alle Äcker pflügen.

WC-Fachmann Mölzer

Nicht ganz so vielseitig, dafür mehr in die Tiefe gehend, aber von Plaikner unbeachtet, erweist sich Andreas Mölzer, der seine Kräfte auf "Zur Zeit" und die "Kronen Zeitung" aufteilt. Dort ging er diese Woche in kritischer Auseinandersetzung einem Ranking zum Welthäusltag nach, während er in seinem Leibblatt sowohl Bablers Kanzlerstrategie als auch der Parteienlandschaft im Umbruch nachsinnierte. Für ihn erweist sich das Häuslranking einerseits als überaus fragwürdig. Es bezieht sich nämlich nur auf englischsprachige Kommentare auf Google, wobei kaum die Hälfte der 159 öffentlichen Toiletten Wiens berücksichtigt wurden. Andererseits könnte an dem peinlichen sechsten Platz Wiens doch etwas dran sein, und Mölzer ahnt auch, was. Dieser Häusl-Niveauverlust liegt wohl weniger an den Bemühungen der Stadt als vielmehr an den Nutzern – und zwar nicht an irgendwelchen. Deren Sozialverhalten hat sich im Zuge des Anwachsens der Wiener Bevölkerung auf über zwei Millionen Menschen gewiss grundlegend geändert.

Die Zuzügler sind’s. Da kann der Politologe Mölzer nur feststellen: Das in den vergangenen Jahrzehnten häufig missbrauchte und damit ziemlich abgenützte Wort von der "wehrhaften Demokratie" werden wir angesichts dieser Entwicklungen mit neuem Inhalt füllen müssen. Und am Häusl muss es beginnen. (Günter Traxler, 24.11.2024)