Kaffeebohnen, ganz und gemahlen, mit Silberlöffel
Kaffeepulver mögen Wissenschafter und Reinigungspersonal am liebsten mit möglichst geringer statischer Ladung.
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"Es klingt wie der Anfang eines Witzes – ein Vulkanologe und ein Kaffeeexperte gehen in eine Bar und kommen mit einer Studie heraus", sagt Joshua Méndez Harper über seine Forschungsarbeit, die am Mittwoch im Fachjournal "Matter" erschien. Der Vulkanologe ist er selbst. Gemeinsam mit dem Materialchemiker Christopher Hendon, der bereits in früheren Studien Tipps für den perfekten Espresso gab, und weiteren Kollegen und Kolleginnen der Universität Oregon (USA) lotete Méndez Harper die Schnittstelle der Fächer in Bezug auf Kaffee aus: Das Heißgetränk ist immerhin das Resultat von zermahlenen Kaffeebohnen und Wasser, und gewisse Materieflüsse sind dabei entfernt mit Vulkanausbrüchen vergleichbar.

Sowohl bei vulkanischen Eruptionen als auch beim Mahlen von Kaffee entsteht nämlich Reibungselektrizität, wie die Fachleute festhalten. Der Kaffeeindustrie ist diese elektrostatische Aufladung ein Gräuel: Sie verursacht das Verklumpen des Pulvers und durch Reste, die am Mahlwerk anhaften, einen höheren Reinigungsaufwand. Gelegentlich kann es deshalb zu Stromschlägen kommen. Bei einem Vulkanausbruch zerfällt das Magma ebenfalls in kleine Partikel, die in einer großen Wolke aus dem Vulkan austreten, erklärt Méndez Harper. "Während dieses ganzen Prozesses reiben diese Partikel aneinander, laden sich auf und erzeugen Blitze." Ähnliches passiert freilich auch bei Gewittern.

Besserer Geschmack

Wenn man die statische Aufladung verhindert, könnte das für ein gleichmäßigeres Zermahlen sorgen und das Geschmackserlebnis verbessern, vermuteten die Wissenschafter. Im Experiment wendeten sie dafür ein Verfahren an, das auch manch ein Barista nutzt: Sie sprühten die Bohnen vor dem Mahlen mit etwas Wasser an. Die Feuchtigkeit sorgte im Test für eine niedrigere Ladung. Unterschiede je nach Herkunftsland des Kaffees oder der Verarbeitungsmethode stellten die Forschenden nicht fest. Am wenigsten luden sich angefeuchtete Bohnen auf, die hell geröstet und grob gemahlen wurden. Dunklere Röstungen sind tendenziell trockener und erzeugten nicht nur mehr Ladung, sie sorgten bei gleichem Mahlverfahren auch für wesentlich feinere Partikel, hielt das Team fest.

Sprühflasche mit Wasser und ungemahlene Kaffeebohnen
Ein Spritzer Wasser feuchtet die Bohnen an und sorgt für eine geringere statische Ladung, aber auch für ein intensiveres Getränk.
University of Oregon

"Durch die niedrigere Ladungsmenge wird nicht nur die Reinigung erleichtert, wir können auch einen besser reproduzierbaren und schmackhafteren Espresso herstellen", sagt Méndez Harper. Mit der Gruppe kam er zu dem Ergebnis, dass vor dem Mahlen angesprühte Bohnen eine längere Extraktionszeit haben und zu einem stärkeren Gebräu werden. Die Espresso-Shots waren einander ähnlicher im Vergleich zu den trockenen Bohnen.

"Der zentrale Materialvorteil, wenn man Wasser während des Mahlens dazugibt, besteht darin, dass man das Mahlgut dichter packen kann, weil es weniger klumpt", sagt Chemiker Hendon. Das habe wirtschaftliche Bedeutung: "Eine um zehn bis 15 Prozent höhere Konzentration bei gleicher Kaffeetrockenmasse hat enorme Auswirkungen und kann Geld sparen und die Qualität verbessern."

Espresso kommt aus der Maschine
Ein riechbares Foto: Espresso.
University of Oregon

Fragen der Geophysik

Dies dürfte nicht nur auf Espresso, also das Hochdruckpressen von heißem Wasser durch das feine Kaffeepulver, zutreffen. "Man sieht den Vorteil auch bei Brüharten, bei denen man Wasser über das Kaffeepulver gießt, oder bei kleinen Perkolationssystemen wie einer Bialetti für den Herd", betont Hendon. Weniger nützlich sei das Ansprühen aber für Menschen, die eine French Press benutzen.

Aber auch für die Grundlagenforschung ist das Thema interessant – um mehr über das Elektrifizieren körniger Materialien herauszufinden, über Partikelflüsse und Interaktion mit Flüssigkeiten. "Diese Untersuchungen können dazu beitragen, ähnliche Fragen in der Geophysik zu lösen – ob es um Erdrutsche, Vulkanausbrüche oder das Versickern von Wasser im Boden geht", sagt Méndez Harper.

Coffee And Static Electricity
IFLScience

Noch genauer wollen er und die Forschungsgruppe nun herausfinden, wie die Ergebnisse mit dem Geschmack von Kaffee zusammenhängen. Sie sind also weiterhin auf der Suche nach Hinweisen für den perfekten Kaffee – eine Aufgabe, die den wissenschaftlichen Alltag nachhaltig prägen kann, ob nun als Chemiker oder Vulkanologe. (Julia Sica, 7.12.2023)