Gestrandete Menschen nach ihrer Flucht aus Wad Madani.
Gestrandete Menschen nach ihrer Flucht aus Wad Madani.
AFP/-

Bis zu 300.000 Menschen sind laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in den letzten Tagen im Sudan geflüchtet. Der Grund ist ein Angriff der Rapid Support Forces (RSF) auf die Stadt Wad Madani, etwa 170 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Khartum. Dort hatten seit April mehr als 500.000 Sudanesinnen und Sudanesen Zuflucht gesucht, bis die RSF-Milizen ihren Angriff starteten.

"Nochmals zu fliehen würde unsere allerletzten Ressourcen aufbrauchen", erklärt Heba Abdelrahim, die mit ihrer Familie von Khartum nach Wad Madani geflüchtet ist. "Logisch betrachtet werden wir wir erst wieder flüchten, wenn wir gar keine andere Wahl haben", sagt sie der Nachrichtenagentur Reuters.

Uno schlägt Alarm

Die Vereinten Nationen zeigten sich angesichts der neuen Eskalation alarmiert. Ein Sprecher des UN-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) sprach am Dienstag in Genf von Panik bei Einwohnern in Wad Madani. Die Behörden dort hätten mittlerweile den Notstand ausgerufen, sagte ein Sprecher der UN-Nothilfeorganisation OCHA. Wegen der Gewalt hätten alle humanitären Maßnahmen unterbrochen werden müssen. Auch die Gesundheitsversorgung sei dramatisch – in den vom Konflikt betroffenen Regionen seien 70 Prozent der Krankenhäuser nicht mehr funktionsfähig. Während fast 25 Millionen Menschen im Sudan auf Hilfe angewiesen seien, könnten die Uno und ihre Partner nur etwa fünf Millionen Menschen mit Hilfsangeboten erreichen.

Mitte April brach im Sudan ein Krieg zwischen der Armee von Abdelfattah al-Burhan und den RSF-Milizen von Mohamed Hamdan Dagalo, genannt Hemeti, aus. Beide hatten 2019 die Macht übernommen, als Langzeitpräsident Omar al-Bashir gestürzt worden war – Burhan als Militärjuntachef, Hemeti als sein Stellvertreter. Beide werfen einander vor, den geplanten Übergang zu einem demokratischen Prozess zu torpedieren. Hemeti will außerdem seine Milizen nicht verlieren, indem sie in der Armee aufgehen. Burhan wiederum will eigentlich nicht, dass das Militär unter die Kontrolle einer zivilen Regierung fällt.

Mehr als sieben Millionen Menschen geflohen

Vor allem die Hauptstadt Khartum und die Krisenregion Darfur im Westen des Landes waren von den Kämpfen besonders betroffen. Laut IOM sind seit Ausbruch des Konflikts mehr als sieben Millionen Menschen innerhalb des Sudan oder in Nachbarländer geflohen. Nun kommen weitere Hunderttausende dazu.

Der Angriff auf Wad Madani könnte für Hemeti und seine RSF-Milizen einen entscheidenden Vorteil in dem Konflikt bedeuten. Nicht nur ist die Stadt, die lange als sicher galt, ein Zentrum der humanitären Hilfe im Land, sondern auch ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Dadurch könnten sie größere Teile des Handels kontrollieren und ihre Truppen besser versorgen, sagt Forscherin Reem Abbas vom Tahrir-Institut für Nahostpolitik in Washington. "Sie können sich organisieren und dann nach Osten vorstoßen. Sie werden weiter Menschen als Geiseln halten, Druck auf die Gemeinden ausüben, auf die Armee und auf die internationale Gemeinschaft", sagt Reem Abbas zu Reuters. (red, 19.12.2023)