Sektflasche mit Korken und zwei leeren Sektgläsern vor weihnachtlichem Hintergrund
Die Physik hinter dem Sektflaschenöffnen bietet die eine oder andere Überraschung.
Getty Images/iStockphoto/photosvit

Für die Feiertage wird bereits der Schaumwein eingekauft und kaltgestellt. An der Technischen Universität Wien haben Forscher derweil die Physik hinter den knallenden Sektkorken unter die Lupe genommen. Zwar wurden die Phänomene zuvor bereits mit Hochgeschwindigkeitskameras festgehalten, die Zahlen dahinter hätten aber noch gefehlt, heißt es in einer Aussendung der TU Wien.

Bekannt ist: Bei der Gärung des Sekts entsteht Kohlenstoffdioxid, ein Gas, das sich sowohl in der Flüssigkeit als auch im Luftraum der verschlossenen Flasche verteilt. Macht man sich an das Öffnen der Flasche, will das CO2 mit Druck entweichen – je wärmer es ist, desto höher der Druck. Bei wenigen Grad Celsius kann der Wert mehr als vier Bar betragen, also mehr Druck als in einem Autoreifen. Bei Zimmertemperatur liegt er bei etwa sieben Bar, bei 40 Grad in praller Sommersonne können 15 Bar daraus werden.

Gas überholt Korken

So kann sich der entsicherte Korken mit lautem Plopp auch selbst aus dem Flaschenhals lösen. Lukas Wagner und Bernhard Scheichl vom Institut für Strömungsmechanik und Wärmeübertragung der TU Wien erkundeten bei den neuen Messungen mit Computersimulationen, welche physikalischen Phänomene genau ablaufen, wenn man eine Sektflasche entkorkt. Zur Jahreswende wird dies gemäß Herstellern etwa zwei Millionen mal passieren.

Zunächst fliegt der Sektkorken mit vergleichsweise geringer Geschwindigkeit durch die Luft: Er erreicht rund 70 Kilometer pro Stunde (oder 20 Meter pro Sekunde). Schneller ist das ausströmende Gas, das dieses Tempo erheblich übertrifft: Kurz nach dem Öffnen durchbricht es mit 1.235 km/h die Schallmauer und zieht mit bis zu 1.440 Kilometern pro Stunde am Korken vorbei.

Grafik veranschaulicht den heraustretenden Korken und die Stoßwelle des entweichenden Gases
Verlässt der Korken die Flasche, bildet sich eine Stoßwelle.
TU Wien

Im Gasstrahl entsteht eine Stoßwelle und dadurch eine Stelle, an der sich der Druck abrupt verändert. Sie wird von Physikern "Mach-Scheibe" genannt. "Die Mach-Scheibe bildet sich zunächst zwischen Flasche und Kork und bewegt sich dann zurück, in Richtung Flaschenöffnung", hieß es in der Aussendung.

Kälter als Antarktis

Die Gastemperatur ändert sich abrupt. Wenn sich Gas ausdehnt, wird es kühler, erklärt Wagner: "Das kennt man von Sprühdosen." Beim Öffnen von Sektflaschen kann das Gas bis zu minus 130 Grad kalt werden, halten die Forscher fest – kälter als die niedrigsten Temperaturen der Erdoberfläche: In der Ostantarktis dürfte es mitunter fast minus 100 Grad erreicht haben.

Durch die tiefen Temperaturen entstehen manchmal winzige Trockeneis-Kristalle aus dem CO2, das den Sekt perlen lässt. Verschiedene Einkühltemperaturen des Sektes führen zu verschieden großen Trockeneis-Kristallen, die dann Licht auf unterschiedliche Weise streuen. Theoretisch könne man anhand der Farbe also die Temperatur ablesen. Die Eiskristalle aus gefrierendem Gas sorgen dafür, dass es aussieht, als würde es aus der Öffnung rauchen.

Woher der Knall kommt

"Der hörbare Knall beim Öffnen der Flasche ist eine Kombination aus unterschiedlichen Effekten", berichten die Forscher: "Erstens dehnt sich der Kork abrupt aus, sobald er die Flasche verlassen hat, und erzeugt dadurch eine Druckwelle." Zweitens hört man die Stoßwelle, die durch den überschallschnellen Gasstrahl erzeugt wird, ähnlich wie bei einem Flugzeug, das die Schallmauer durchbricht.

"Dass es beim Ploppen einer Sektflasche tatsächlich zu Überschallphänomenen kommt, war zunächst alles andere als klar, das würde man nicht unbedingt erwarten", sagt Bernhard Scheichl. "Aber unsere Simulationen zeigen, dass sich das auf ganz natürliche Weise aus den Gleichungen der Strömungsmechanik ergibt, und unsere Ergebnisse stimmen mit den Experimenten sehr gut überein."

Perlende Forschung

"Die Ergebnisse sind auch für andere Anwendungen wichtig, bei denen es um Gasströmungen um ballistische Flugkörper beziehungsweise Pistolenkugeln und Raketen geht", so die Experten. Man könne die in der Studie entwickelten Methoden auch bei vielen "technisch wichtigen Situationen anwenden, wo man es mit festen Strömungskörpern zu tun hat, die in Wechselwirkung mit einem viel schnelleren Gasstrom stehen".

Man kann somit aber auch die eigene Physikexpertise bei Familienfeiern hervorstreichen, wenn der Champagner geöffnet wird. Stoff für weiterführende Erklärungen liefert eine weitere Studie, die in diesem Jahr veröffentlicht wurde: Sie befasste sich mit der Kohlensäure, die im Champagner oft geradlinig wie an einer Perlenkette und nicht chaotisch zur Oberfläche der Flüssigkeit aufsteigt. Dies liegt der US-amerikanisch-französischen Forschungsgruppe zufolge an tensidartigen "Verunreinigungen", die dem Getränk aber auch seine edle Note und die besonders hübschen Bläschen verleihen. (sic, APA, 21.12.2023)