FPÖ-Chef Herbert Kickl
FPÖ-Chef Herbert Kickl
Foto: APA/EVA MANHART

Noch lacht er unbeschwert vom Cover. Wenn ihm das Lachen nur möglichst lange nicht vergeht. Denn Herr Oliver Holle ist nicht zu beneiden. Zum Jahresausklang hat ihm der "Trend" das Schreckensmal "Der Mann des Jahres" aufgedrückt. Traditionell ist dieser Titel bekanntlich nicht unbedenklich, aber diesmal ist es der Chefredakteur des Magazins selber, der zugibt: Die Wahl zum Mann des Jahres ist nicht ganz frei von Risiko – diesmal im wahrsten Sinn des Wortes. Herr Holle hat es laut "Trend" geschafft, in Zeiten knappen Kapitals die Marke von einer Milliarde Euro an Risiko­kapital zu knacken. Aber darf das ein Grund sein, mit dem Leben eines Menschen zu spielen, indem man ihn gleich zum "Mann des ­Jahres" macht? Und das mit Absicht, schreibt doch der Chefredakteur weiter: Uns ist bewusst, dass diese Wahl nicht frei von Risiko ist – aber das ist eine andere Geschichte. Wo bleibt da die Verantwortung der Medien?

Im Leitartikel des Blattes wurde versprochen zu klären, warum die Unzufriedenheit mit der Regierung trotz enormer Staatshilfen so groß ist. Das zu klären ist höchst dringlich. Welchen Schluss könnte ein Regierungschef aus dem Delta zwischen Ausgaben und Anerkennung dafür ziehen? Aus der Spannung, die sich aus diesem Delta ­ergibt, Schlüsse zu ziehen ist auch für den Leitartikler nicht ganz ­einfach. Aber der Regierungschef könnte z. B. offen sagen, dass Pensionen keineswegs sicher sind, wenn wir so weitermachen. Er könnte einmal versuchen, den Leuten komplexere Zusammenhänge zuzumuten, aber das braucht Führungskompetenz und auf klaren Vorstellungen fußende Überzeugungskraft – in ­dieser Regierung von Karl Nehammer abwärts leider schwach ausgeprägt.

Dabei brauchten die Regierungsmitglieder doch nur den "Trend" zu ­lesen, um herauszufinden, was es mit dem Delta zwischen Ausgaben und Anerkennung auf sich hat. Dort weiß man auch: Eingefleischte Anhänger Bablers und Kickls, deren Unzufriedenheit mit allem und jedem auch von Anti-Eliten-Stimmung geprägt ist, ließen sich nicht gewinnen. Was sollte sie auch begeistern, wenn ihnen ein Regierungschef ohne Führungskompetenz und klare Vorstellungen offen sagt, dass Pensionen keineswegs sicher sind? Der gehört womöglich nicht einmal zur Elite. Aber wo man in Wirtschaftskreisen die Eliten gefährdet wähnt, wächst das Rettende auch. In solchen Zeiten greifen die Medien gern zu Konrad Paul Liessmann (zuletzt im "Kurier"), seit Neuem in Kombination mit Michael Köhlmeier (in "News"). Der Schriftsteller sagte zur Tätigkeit des Philosophen: "Zeuge zu sein, wie ein Gedanke entsteht, ist, als ob man zugegen wäre bei der ­Erschaffung einer Welt."

Ein solches Ereignis wollte sich eine Interviewerin des "Kurier" nicht entgehen lassen, sie wollte Zeugin sein, wie Konrad Paul Liessmann in seinem Stammcafé Ritter in Wien, Mariahilf, Gedanken entstehen ließ, als erschüfe er eine Welt. Vor allem ging es wieder einmal um das Prinzip Hoffnung. Die Frage war: Kann zu viel Hoffnung auch zerstörerisch sein? Wenn ich verbissen an etwas fest­halte? Und Liessmann erschuf. Es gibt natürlich Formen der Hoffnung, die blind machen. Um konstruktiv hoffen zu können, braucht es eine hohe Frustrationstoleranz.

Wie recht er damit hat, war bei Andreas Mölzer in "Zur Zeit" unter dem Titel Es kann nur besser werden – oder auch nicht leicht zu überprüfen. Seine Hoffnung gilt einer zur staatstragenden Kraft aufgestiegenen Freiheitspartei, die sich aus der FPÖ zu entwickeln scheint. Zwar besteht die Gefahr, dass das bisherige Polit-Establishment alle möglichen Tricks und Finten – und seien sie demokratiepolitisch noch so bedenklich – anwendet, um die Übernahme der Regierungsverantwortung durch eine solche Kraft zu verhindern.

Ob es sich dabei um eine Form der Hoffnung, die blind macht, handelt, wird man sehen. Jedenfalls ist viel Frustrationstoleranz ­erforderlich, stellt sich für Mölzer doch die Frage, ob es aufgrund der gegenwärtigen Entwicklungen und jener der vergangenen Jahre nicht schon zu spät für die Rettung unseres Gemeinwesens wäre. Was beispielsweise den Bereich der Zuwanderung betrifft, dürfte die kritische Masse ­bereits überschritten sein und die ­Tatsache, wonach die autochthonen ­Österreicher zur Minderheit im eigenen Land werden, als unumkehrbar zu akzeptieren.

In diesem Fall kann sich das ­Polit-Establishment seine Tricks und Finten ersparen. Kickl wird doch nicht als Volkskanzler über Um­gevolkte herrschen wollen! (Günter Traxler, 31.12.2023)