Statt Hetzte oder Verharmlosung zu betreiben, sollte die Politik Probleme offen ansprechen.
APA/GEORG HOCHMUTH

Dieses Jahr wird ein ganz schwieriges Jahr, politisch gesehen. Es gibt zwei Landtagswahlen, wichtige Gemeinderatswahlen, EU-Wahlen und als Höhepunkt die Nationalratswahl. Das wird schwierig für die Parteien, die ihr Profil schärfen und ihre Strategie finden müssen, aber auch schwierig für uns politisch bewegte Menschen, die wir diesen Wahlkampf über uns ergehen lassen müssen. Wir wissen: Es ist die Zeit der fokussierten Unintelligenz.

Eines der großen Themen ist, wieder einmal, dieses weite Feld von Migration, Asyl und Integration. Die FPÖ wird das rauf- und runterspielen. Es ist ein sehr emotionales Thema, angstbesetzt, ein Thema, das aufregt, auch eines, das an niedrige Instinkte appelliert. Weil jeder hat schon etwas erlebt oder gehört oder kennt jemanden, und es sind keine positiven Erfahrungen und Empfindungen, nur in wenigen Ausnahmen.

Was setzt man dem entgegen? Nicht Verschweigen und Durchtauchen. Das hat noch nie funktioniert. Es muss darum gehen, der Bevölkerung das Gefühl zu vermitteln, dass Probleme erkannt, dass Lösungen gefunden und umgesetzt werden können. Die Politik, hier sind die Verantwortlichen im Bund, in den Ländern, aber auch in den Städten gefragt, also jeder Couleur, müssen zeigen, dass sie Migration nicht über sich ergehen lassen, sondern dass Zuwanderung gesteuert und gestaltet wird. Wir brauchen Fachkräfte und Arbeitskräfte, auch aus dem Ausland. Bauen wir Hürden ab. Manche Menschen wollen wir nicht. Bauen wir Hürden auf. Wer gegen die Regeln verstößt und Gesetze bricht, soll mit Konsequenzen rechnen können.

Geben und Nehmen

Es geht nicht um eine hysterische Hetze, wie sie die Rechten betreiben, sondern um einen pragmatischen und nachvollziehbaren Zugang. Es ist ein Geben und ein Nehmen. Es gibt Regeln, die müssen eingehalten werden. Von allen. Zuwanderern, insbesondere auch geflüchteten Menschen, müssen Angebote gemacht, aber auch Grenzen aufgezeigt werden. Im Zusammenleben sind alle gefordert: die Politik, die die Spielregeln festschreibt, und die Gesellschaft, die sie umsetzt. Da müssen sich die Alteingesessenen und die Neuangekommenen daran halten.

Die Politik muss zeigen, dass sie im Strom der Entwicklungen nicht ohnmächtig ist, sondern gewillt und in der Lage ist einzugreifen. Und das muss kommuniziert werden. Das darf keine Gratwanderung zwischen Verharmlosung und Hetze sein. Im Idealfall werden Probleme angesprochen, Lösungen präsentiert und erklärt. Wenn Falschmeldungen im Umlauf sind, muss ihnen auch entschieden widersprochen werden – eine Kommunikation auf Augenhöhe mit der Bevölkerung. Die Menschen kriegen mit, wenn sie für dumm verkauft werden – meistens jedenfalls.

Wir, die Bürgerinnen und Bürger, auch die Journalistinnen und Journalisten, können etwas dazu beitragen, dass das Jahr 2024 kommunikativ nicht aus dem Ruder läuft: ein bisschen weniger aufgeregt sein, die eigene Befindlichkeit hintanstellen, den effektheischenden Selbstdarstellern und Wichtigmachern die Bühne einengen, indem wir nicht jede Empörung mithüpfen. Die Niedertracht ausblenden, anstatt sie mit Aufmerksamkeit zu füttern. Zuhören und argumentieren, anstatt mit Phrasen aufeinander einzudreschen. Das wäre doch ein guter Neujahrsvorsatz für uns alle. (Michael Völker, 1.1.2024)