Menschen in Seoul vor einem TV-Bildschirm. Auf diesem sind Raketenwerfer zu sehen.
Die Menschen in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul erfuhren Freitagfrüh von dem erneuten Zwischenfall an der Seegrenze mit Nordkorea.
EPA/JEON HEON-KYUN

Die jüngste Eskalation der Spannungen auf der Koreanischen Halbinsel lässt auch die Sorgen rund um die militärische Zusammenarbeit zwischen Nordkorea und Russland anwachsen. Freitagfrüh hatte das diktatorisch regierte Nordkorea nahe der umstrittenen Seegrenze zu Südkorea mehr als 200 Geschoße ins Meer gefeuert. Südkorea reagierte nach Angaben des Verteidigungsministeriums mit Schießübungen, bei denen scharfe Munition zum Einsatz gekommen sei.

Erst kürzlich hatte der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un laut Staatsmedien die Ausweitung der Produktion von Raketenwerfern gefordert. Zudem hat Russland nach Angaben der US-Regierung zuletzt Raketen aus Nordkorea im Angriffskrieg gegen die Ukraine eingesetzt. All das nährt nun im Westen die Befürchtung, dass Pjöngjang mit dem jüngsten Artilleriebeschuss nicht nur die Muskeln gegenüber dem demokratischen Südkorea spielen ließ, sondern auch seine Partnerschaft mit Moskau unterstreichen wollte.

Evakuierungsaufruf auf Inseln

Ein Sprecher des südkoreanischen Generalstabs sprach am Freitag von einem "Akt der Provokation, der die Spannungen verschärft und den Frieden auf der Koreanischen Halbinsel bedroht". Allerdings hätten die Geschoße aus Nordkorea keine Schäden angerichtet, sie seien allesamt auf der nördlichen Seite der Seegrenze gelandet. Zuvor war die Nervosität in der unmittelbaren Nähe allerdings groß. Bewohnerinnen und Bewohner der Inseln Yeonpyeong und Baengnyeong wurden vom südkoreanischen Militär aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen.

Ein Behördenvertreter auf Baengnyeong sprach von einem "Evakuierungsaufruf". Er sei darüber informiert worden, dass die südkoreanische Armee in Kürze eine Marineübung abhalten werde. Auf Yeonpyeong hieß es in diesem Zusammenhang, es handle sich um eine "präventive Maßnahme". Die Menschen sollten sich in Schutzräume begeben. Anschließend feuerten laut Angaben des Verteidigungsministeriums in Seoul Marinebrigaden, die auf den Inseln stationiert sind, ihrerseits auf den südlichen Teil der Seegrenze zu Nordkorea.

Video: Südkorea ordnet Evakuierung von Inseln nahe Nordkorea an.
AFP

Bereits früher war es in der Region immer wieder zu gefährlichen Zuspitzungen des jahrzehntealten Konflikts zwischen Nord- und Südkorea gekommen. 2010 feuerte Nordkorea mehrere Dutzend Artilleriegeschoße auf die Insel Yeonpyeong, auf der etwa 2000 Menschen leben. Zwei Soldaten und zwei Zivilisten wurden damals getötet.

Jahrzehntelanger Kriegszustand

Die umstrittene Seegrenze vor der Westküste der Koreanischen Halbinsel wurde 1953 nach dem Koreakrieg gezogen. Bis heute gibt es keinen Friedensvertrag, die Kämpfe wurden vor über 70 Jahren lediglich durch einen Waffenstillstand eingestellt. Die geteilte Halbinsel befindet sich völkerrechtlich also immer noch im Kriegszustand. Kürzlich hat der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un eine härtere Gangart gegenüber dem Süden angekündigt und erklärt, die Waffenentwicklung ausweiten zu wollen. Südkorea und die USA haben darauf hin ihre Verteidigungszusammenarbeit verstärkt und gemeinsame Militärübungen abgehalten.

Erst am Donnerstag (Ortszeit) hatte Kim Jong-un laut der nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA bei einem Fabriksbesuch zu einer Ausweitung der Produktion von Raketenwerfern aufgerufen – und zwar in Vorbereitung einer "militärischen Machtprobe" mit Südkorea und den USA. Am selben Tag erklärte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus, John Kirby, Raketen und Raketenwerfer aus nordkoreanischer Produktion seien bei einigen der jüngsten russischen Angriffe auf die Ukraine eingesetzt worden.

Reste eine Rakete, die Anfang Jänner von Russland auf die ukrainische Stadt Charkiw geschossen wurde.
Reste einer Rakete, die Anfang Jänner von Russland auf die ukrainische Stadt Charkiw geschossen wurde. Behörden in der Ukraine sprechen von einer Waffe aus nordkoreanischer Produktion.
REUTERS/STRINGER

Kirby sprach dabei von einer "bedeutsamen und besorgniserregenden Eskalation" im Ukraine-Konflikt. Nordkoreanische Waffenlieferungen an Russland stellten zudem eine Verletzung der UN-Sanktionen gegen Pjöngjang dar. Die Sorge, dass das international isolierte Nordkorea im Gegenzug für die Waffenlieferungen an Moskau Technologie- und Rüstungsbestandteile erwartet, hatten die USA bereits zuvor zum Ausdruck gebracht. Kim Jong-un war erst im September mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zusammengetroffen. (schub, Reuters, AFP, dpa, 5.1.2024)