Nigerias Präsident Bola Tinubu.
Auch Nigerias Staatsoberhaupt Bola Tinubu wird vorgeworfen, beim Erwerb seines akademischen Grades getrickst zu haben.
AFP/KOLA SULAIMON

Neulich in Nigeria. Frage an einen Mann, der bei einer Recherche behilflich war: "Wie alt bist du eigentlich?" Der Angesprochene grinste. "52", antwortete er. Aber in seinem Ausweis stehe 38. Das helfe bei Job-Bewerbungen.

Ganz überraschend war die Anekdote nicht. Im Jahr 1989 wurden alle Jugendnationalmannschaften Nigerias vom Weltfußballverband Fifa vorläufig gesperrt, weil das Land bei den Olympischen Spielen 1988 einige Spieler eingesetzt hatte, in deren Pässen bei vorangegangenen Turnieren noch weiter zurückliegende Geburtstermine verzeichnet waren. Ähnliches wiederholte sich mehrfach, etwa 2016 bei einem Qualifikationsspiel der U17 zum Afrika-Cup.

Das mit 213 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichste Land Afrikas hat also ein gewisses Problem mit der Fälschung offizieller Dokumente. Die Gesetze sehen dafür bis zu 14 Jahre lange Haftstrafen vor, aber das Thema begleitete sogar Wahlkämpfe. Die Opposition wirft dem aktuellen Präsidenten Bola Tinubu wie schon seinem Vorgänger Muhammadu Buhari Manipulationen seiner akademischen Qualifikationen vor. Beide streiten das ab, Beweise liegen bislang nicht vor. Besonders bei Tinubu wurden die Spekulationen jedoch dadurch angeheizt, dass er die Veröffentlichung von Unterlagen zu seinem in den USA erworbenen Diplom mit dem Verweis auf seine Privatsphäre von Anwälten verhindern ließ.

Zeugnis "wie Pizza geliefert"

Nun sind Debatten um die Bildungsspalte von Lebensläufen natürlich kein exklusiv nigerianisches Thema. Auch Länder wie Deutschland haben in dieser Hinsicht bekanntlich Schlagzeilen produziert. Dort traten im Jahr 2011 etwa der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und zwei Jahre später Bildungsministerin Annette Schavan wegen Plagiatsaffären um ihre Dissertationen zurück.

Doch in Nigeria ist es durchaus bemerkenswert, dass Tinubus Regierung in diesen Tagen so rigoros wie nie auf einen besonders dreisten Fälschungsskandal akademischer Qualifikationen reagiert. Ende Dezember hatte der investigative Journalist Umar Audu veröffentlicht, wie einfach es war, innerhalb von sechs Wochen an ein Universitätsdiplom im Fach "Massenmedien" aus dem Nachbarland Benin zu kommen.

"Es wurde wie Pizza zu mir geliefert, für einen überschaubaren Preis", sagte Audu in einem Interview mit dem Fernsehsender Channels Television. Mit den ausländischen Dokumenten hatte er sich in seiner Heimat Nigeria dann erfolgreich für ein staatliches Jobbeschaffungsprogramm beworben. Er habe Hinweise, dass der beauftragte Fälscher direkt mit der Universität kooperiert habe, so Audu. Diese dementierte das, teilte aber mit, dass eine Untersuchung laufe.

Problematische Schnellschüsse

Nigerias Regierung lässt im Allgemeinen wenig Gelegenheiten aus, seine Probleme auf ausländische Einflüsse zurückzuführen. Prompt wurde nun die offensichtlich verbesserungswürdige Verifizierung und Anerkennung von Diplomen aus Benin ausgesetzt und von Togo gleich mit. Damit sei es keineswegs getan, teilte das Bildungsministerium kämpferisch mit, bald sollten auch entsprechende Dokumente aus Uganda, Kenia und Niger nicht mehr berücksichtigt werden.

Neu sind derartige Schnellschüsse in Nigeria keineswegs. Vor einigen Jahren wurde der Import von Reis fast unmöglich gemacht, um die heimische Produktion anzukurbeln. Prinzipiell ein nachvollziehbarer Gedanke, allerdings gab es davor kaum eine Frist. Dementsprechend teuer wurde plötzlich das rare Grundnahrungsmittel. Letztlich wurde der Bann wieder aufgehoben.

Im Jahr 2022 wurde kurzerhand der Einsatz von ausländischen Models in Nigerias Werbeindustrie verboten. Das wurde in der Berichterstattung in erster Linie als Ausschluss weißer Models aus Europa und den USA dargestellt, traf aber besonders die Branche in anderen Ländern des Kontinents hart. Mit Ausnahme von Südafrika fanden bis dahin nirgends so viele afrikanische Models Arbeit wie in Nigeria. So richtig passt das alles nicht zum panafrikanischen Gedanken, den die Afrikanische Union mit ihren jüngsten Bestrebungen nach freiem Handel und Personenverkehr auf dem Kontinent vorantreiben will.

Noch einmal zurück zu dem um 14 Jahre verjüngten Recherchehelfer. Der erzählte damals noch, er sei mit seinem jetzigen Job ganz zufrieden und plane eigentlich keine Bewerbungen. So richtig nötig sei die Flunkerei also nicht mehr.

Vielleicht lasse er das mit dem Geburtsdatum bei Gelegenheit mal ändern. (Christian Putsch, 5.1.2024)