Vor Weihnachten war ich zu einem Gespräch mit ein paar Managern eingeladen. Wir kamen auf das Thema Politik zu sprechen, und ich wagte die Frage, ob jemand bereit wäre, sich zu engagieren. Ein Blick in die Runde genügte, um zu sehen, dass meine Anregung auf Unverständnis stieß: Warum sollten wir uns das antun?

Wahllokal Klosterneuburg
Tag der Entscheidung: Hinweisschild Richtung Wahllokal in Klosterneuburg im Rahmen der jüngsten Landtagswahlen in Niederösterreich.
APA/FLORIAN WIESER

Im Wahljahr 2024 ist das keine unwichtige Frage. Im Vergleich zu ihrer medialen Exponiertheit und Verantwortung werden Politikerinnen und Politiker in Spitzenpositionen schlecht bezahlt. Familienfreundlich ist der Beruf auch nicht. Das beginnt schon in der Kommunalpolitik, wo Sitzungszeiten, Versammlungen und politische Arbeit oft abends und am Wochenende stattfinden. In kleinen Gemeinden ist es schwer bis oft unmöglich, Kandidatinnen und Kandidaten für das Bürgermeisteramt zu finden. Politische Funktionsträger müssen auf allen Ebenen als Projektionsfläche herhalten für das, was schiefläuft. "Politikerbashing" wird am Stammtisch und im Gourmetlokal in jeder Gesellschaftsschicht betrieben.

Handwerk Politik

Politik ist ein Handwerk, das von der Tribüne aus einfacher aussieht, als es ist. Nachhaltige Veränderung zu bewirken ist eine Kunst. Es erfordert ein hohes Maß an Verständnis für Komplexität, Ausdauer und Geduld. Österreich ist durch seinen föderalen Wirrwarr besonders gestraft. Für umfassende strukturpolitische Reformen fehlt noch immer das gesellschaftliche Problembewusstsein.

Die Demokratisierung in den Nachkriegsjahrzehnten war eng mit Wohlstandswachstum verbunden. Es gab viel zu verteilen, und es wurde fleißig konsumiert. Die spekulativen Finanzmärkte entkoppelten sich von Realwirtschaft. Das geht sich alles nicht mehr aus. Doch wer will schon Überbringer schlechter Nachrichten sein? Jene, die mit radikalen Utopien alternative Modelle aufzeigen, werden lächerlich gemacht oder angefeindet.

Wenig geschätzte Konsensfähigkeit

Noch dazu ist Politik heute mit einer hochindividualistischen Gesellschaft konfrontiert. Wir sind alle potenzielle "Influencer" oder unsere eigene Mini-NGO. Da wird dann lautstark proklamiert: Energiewende, ja, klar; Flüchtlingshilfe ist wichtig, und ich bin für Tierschutz! Gar nicht so insgeheim heißt es dann, eine Windkraftanlage kommt mir nicht in die Nähe, wehe, die Migrantenkinder gehen in die Klasse meines Kindes, und auf mein billiges Schnitzel will ich nicht verzichten. Dass der demografische Wandel die Älteren sukzessive zur Mehrheit macht, ist historisch gesehen ein neues Phänomen. Heutzutage haben Jung und Alt zumindest gemeinsam, dass Konsensfähigkeit wenig geschätzt wird. Doch gehört nicht das Schmieden tragfähiger Kompromisse zum Kern einer funktionierenden Demokratie?

Der Soziologe Max Weber beschrieb Politik vor über hundert Jahren als das Bohren dicker Bretter. Heute scheinen es mir Stahlträger zu sein. Kein Wunder, dass Teile der Wählerschaft den Weg in Richtung Populismus einschlagen. Einfache Antworten zu geben und klare Schuldige zu benennen hat in Krisenzeiten stets funktioniert. Glücklicherweise haben wir in Österreich immer noch die Möglichkeit, eine freie Wahl zu treffen. (Philippe Narval, 8.1.2024)