Vor dem Botschaftsgebäudekomplex in Taipeh wurde die Flagge von Nauru entfernt.
Vor dem Botschaftsgebäudekomplex in Taipeh wurde die Flagge von Nauru entfernt.
EPA/RITCHIE B. TONGO

Die Pazifikinsel Nauru gilt mit ihren 12.500 Einwohnern zwar nicht gerade als diplomatisches Schwergewicht. In Taiwan aber sorgt die Entscheidung der Minination, künftig Peking als alleinige Vertretung Chinas anzuerkennen, für Ärger und Bedauern.

"Mit tiefem Bedauern geben wir die Beendigung der diplomatischen Beziehungen mit Nauru bekannt", schrieb das taiwanische Außenministerium am Montagmorgen auf der Social-Media-Plattform X. "Dieser Zeitpunkt ist nicht nur eine Vergeltung Chinas gegen unsere demokratischen Wahlen, sondern auch eine direkte Herausforderung für die internationale Ordnung. Taiwan steht ungebrochen da und wird weiterhin eine Kraft des Guten sein."

Es liegt nahe, dass die Entscheidung Naurus aufgrund von Druck beziehungsweise Anreizen Pekings zustande gekommen und eine Art "Rache" für das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen in Taiwan am Wochenende ist. Die hatte der Kandidat der Regierungspartei DPP, William Lai (bzw. Lai Ching-te), gewonnen. Die DPP steht für mehr Unabhängigkeit vom Festland und engere Beziehungen zu den USA, die die Insel militärisch unterstützen. Peking hatte mehr oder weniger unverhohlen die Oppositionspartei KMT favorisiert, zu der man engere Beziehungen pflegt. Diese hatte die Insel bis 2016 regiert.

Annäherung auf Kosten Taiwans

Um die Problematik um die diplomatische Anerkennung der Insel zu verstehen, hilft ein kurzer Blick in die Historie. Taiwan galt als "Republik China" nach dem verlorenen Bürgerkrieg von 1949 bis 1972 als alleinige Vertretung Chinas. Dann aber nahm US-Präsident Richard Nixon diplomatische Beziehungen zur Volksrepublik auf, um das kommunistische China aus dem Bündnis mit der Sowjetunion herauszulösen. Dies geschah auf Kosten Taiwans, dem 1979 schließlich die diplomatische Anerkennung entzogen wurde. Seitdem übt Peking Druck auf andere Staaten aus, Taiwan die diplomatische Anerkennung zu entziehen.

Investitionen, vor allem entlang der Neuen Seidenstraße, sind an diese Bedingung geknüpft. Pekings Druck richtet sich allerdings nicht nur gegen Staaten, sondern auch Unternehmen: So wurden westliche Fluggesellschaften 2018 dazu angehalten, auf ihren Flugplänen "Taiwan, China" anzugeben, anstatt lediglich "Taiwan".

Immer weniger Unterstützer

Taiwan sieht sich somit einer stetig schrumpfenden Zahl an Staaten gegenüber, die die demokratische Insel noch als eigenen Staat anerkennen. Momentan sind dies noch zwölf Länder: Belize, Guatemala, Paraguay, Haiti, Sankt Kitts und Nevis, Sankt Lucia, Sankt Vincent und die Grenadinen, die Marshallinseln, Palau, Tuvalu, Eswatini sowie der Vatikan. Zuletzt waren Honduras 2023 und Kiribati als auch die Salomonen 2019 in Pekings Lager gewechselt.

Auch die EU bildet hier keine Ausnahme: Man unterhält nur "inoffizielle Vertretungen" auf der Insel. Allerdings unterstützt Washington die Insel, indem die USA jedes Jahr Waffen im Wert von mehreren Hundert Millionen US-Dollar an Taipeh verkaufen. Am Sonntag beglückwünschte Washington Taiwan zwar zu den Wahlen, kurz darauf aber sprach sich US-Präsident Joe Biden nochmals explizit gegen eine Unabhängigkeit aus. Doch selbst auf diese Glückwünsche reagierte Peking empört.

Dass Nauru am Montag nach der Präsidentschaftswahl in Taiwan diesen Schritt vollzog, zeigt, wie groß der Einfluss Pekings in der Region ist. Offensichtlich ist es der kommunistischen Partei gelungen, die kleine Pazifik-Nation in der Taiwan-Frage zu instrumentalisieren. Konkrete Folgen hat ein solcher Schritt meist nicht, zumal Nauru ein wirtschaftliches Fliegengewicht ist im Vergleich zu Taiwan, wo die modernsten Halbleiter der Welt produziert werden. (Philipp Mattheis, 15.1.2024)