Man steht bei Hochofen und gießt heißes Metall in eine Form.
In den an sich industriestarken Bundesländern Oberösterreich und Steiermark leiden die Unternehmen ganz besonders unter dem Fachkräftemangel.
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Es war schwierig, und es bleibt schwierig. Verkürzt lässt sich so die aktuelle Wirtschaftslage in Österreich zusammenfassen. Vergangenes Jahr ist die heimische Wirtschaftsleistung zwar gesunken, Ökonomen sehen dennoch Silberstreifen am konjunkturellen Horizont. Die Grundstimmung der Konsumenten sei aufgrund der verlangsamten Inflation und hoher Lohnabschlüsse weniger pessimistisch gewesen, was dem Dienstleistungssektor auf jeden Fall guttat. Eine spürbare Wirtschaftserholung gibt es etwa der Bank Austria zufolge aber erst im Sommer.

Abseits von Krieg, Lieferkettenproblemen und Inflation sticht weiterhin der Fachkräftemangel als problematischer Dauerbrenner heraus. Das geht mittlerweile so weit, dass knapp die Hälfte aller Unternehmen infolge der Personalnot Umsatzeinbußen verzeichnet. Der Anteil jener, die erhebliche Einbußen von mehr als fünf Prozent des Umsatzes beklagen, ist von 16 auf 19 Prozent gestiegen, wie aus einer aktuellen Studie der Wirtschaftsberatungskanzlei EY hervorgeht. Besonders ausgeprägt sind die Folgen des Fachkräftemangels auf den Umsatz im Gesundheitsbereich, im Tourismus und in der Industrie.

Stellen streichen als Folge

Diese Umsatzeinbußen und das schwierige Umfeld ziehen weitere Folgen nach sich. Laut EY ist der Anteil an Unternehmen, die Stellen streichen wollen, gegenüber dem Vorjahr spürbar von 15 auf 18 Prozent gestiegen. "So hoch war der Prozentsatz seit 2009, dem Höhepunkt der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise, nicht mehr. Damals wollten sogar 27 Prozent der Unternehmen Stellen streichen", sagt Erich Lehner, Managing Partner Markets bei EY Österreich. Konkrete Zahlen, wie viele Stellen abgebaut werden sollen, nennt EY keine.

Auf der anderen Seite wolle jeder fünfte Betrieb in den kommenden Monaten zusätzliche Beschäftigte einstellen, das sind genauso viele wie vor einem Jahr. Diese Suche sei aber mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, denn mehr als 80 Prozent der heimischen Firmen klagen über Probleme bei der Personalsuche. Neue Stellen zu schaffen planen laut EY nur ganz wenige Unternehmen.

"Der Fachkräftemangel wird zum größten Risiko für Unternehmen und ist für viele Unternehmen existenzbedrohend. Wir müssen jetzt gezielte Maßnahmen ergreifen, um die Ausbildung und Weiterbildung zu fördern, Anreize für Fachkräfte zu schaffen und vielleicht auch neue Wege in der Arbeitsmigration zu beschreiten. Der Fachkräftemangel ist ein komplexes Problem, das eine vielschichtige und nachhaltige Strategie erfordert", sagt Lehner. Zudem werde die Lage durch den demografischen Wandel erschwert, weil von der geburtenstarken Babyboomer-Generation immer mehr Menschen in Pension gehen.

Das Vollzeitproblem

Es sind vor allem zwei große Probleme, mit denen Arbeitgeber kämpfen: einerseits die mangelnde Bereitschaft der Menschen, Vollzeit zu arbeiten, andererseits die mangelnde Ausbildung und Qualifikation der Bewerberinnen und Bewerber. Laut Lehner könne man es sich – sofern die Branche es zulässt – nicht mehr leisten, keine flexiblen Arbeitszeitmodelle anzubieten. Neun von zehn Unternehmen hätten bereits Maßnahmen ergriffen, was flexiblere Arbeitszeiten sowie Angebote zur Aus- und Weiterbildung angeht. Derartige Maßnahmen ziehen offensichtlich mittlerweile mehr als höhere Löhne. Lediglich ein Prozent der Betriebe greife auf diese Maßnahme zurück.

In der Vergangenheit ging Teilzeitarbeit zumeist mit Kinderbetreuungspflichten einher, deswegen ist bekanntermaßen die Teilzeitquote bei Frauen deutlich höher als bei Männern. "Der Trend zu Teilzeit nimmt aber auch bei jungen Menschen ohne Betreuungspflicht immer weiter zu", sagt Lehner. Die Frauenquote und das damit einhergehende Arbeitskräftepotenzial in den Betrieben zu erhöhen und die Kinderbetreuung zu verbessern sei gesamtgesellschaftlich ein zentrales Thema. Diese Dinge gehörten unabhängig vom Fachkräftemangel gefördert.

Das Dilemma von Frauen

Frauen sind in der Arbeitswelt oft auch mit Ungleichbehandlung konfrontiert, das betrifft auch den Aufstieg in Top-Positionen. Auch das ist ein Thema, das immer mehr öffentlich diskutiert wird. In der EU waren 2022 rund 46,3 Prozent aller Erwerbstätigen weiblich. In Führungsetagen kam aber nur bei rund jeder dritten (35,1 Prozent) leitenden Position eine Frau zum Zug. Ein Report der Arbeiterkammer aus dem Vorjahr zeigt, dass der Frauenanteil in den Geschäftsführungen der Top-200-Unternehmen in Österreich lediglich bei 8,9 Prozent lag.

Doch es gibt auch hier jene Unternehmen, die mit gutem Beispiel vorangehen. Das österreichische Start-up 123-Transporter.at trägt dieses Thema selbst in die Öffentlichkeit. Drei von vier leitenden Jobs werden beim Großfahrzeugsharing von Frauen ausgeübt. Lisa Husz ist eine der drei Führungskräfte und als Head of Partner Success Managerin tätig. "Ich bin für die Zusammenarbeit zwischen dem Unternehmen und deren Partnern zuständig", sagt Husz dem STANDARD. Die inklusive Unternehmenskultur sei ein Ansporn. Personen, ganz unabhängig vom Geschlecht, würden je nach Leistung auch gefördert. Das Problem der Teilzeit wegen der Carearbeit, die meist von Frauen erledigt wird und diese in Teilzeit drängt, kennt man bei 123-Transporter auch. "Müttern sollte finanziell mehr unter die Arme gegriffen werden", sagt Husz.

Laut Husz sollten Unternehmen auch das Selbstbewusstsein von Frauen fördern. "Bei uns gibt es Seminare, Schulungen und Feedbackgespräche", sagt Husz. So will man beim Start-up das Thema aktiv forcieren. "Frauen müssen für ihre Arbeit angemessen vergütet werden und dürfen für dieselbe Leistung nicht weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. Auch Beförderungen müssen nach klaren Kriterien geschehen", fasst Husz zusammen.

Geografische Unterschiede

Zwar hadern Unternehmen im ganzen Land, dennoch gibt es logische geografische Unterschiede bei den Bundesländern. Am ausgeprägtesten ist der Fachkräftemangel bei Unternehmen im Tourismusland Tirol, dahinter folgen die starken Industriestandorte Oberösterreich und Steiermark. Sozusagen am wenigsten schlecht sieht es laut EY in Niederösterreich und im Burgenland aus. (Andreas Danzer, Bettina Pfluger, 16.1.2024)