Der 2003 anlässlich der Ernennung von Graz zur Europäischen Kulturhauptstadt kreierte Slogan "Graz darf alles" erlebt gerade ein Comeback bei der FPÖ. Angesichts des langsam herausapernden Korruptionsskandals seiner Grazer Stadtpartei schien es gewagt, dass Herbert Kickl das FPÖ-Neujahrstreffen ausgerechnet in Premstätten bei Graz abhalten ließ. Doch aus bundespolitischer Perspektive wirkt das durchaus nachvollziehbar, war doch der für das Verschwinden von rund 1,8 Millionen Euro mutmaßlich Hauptverantwortliche, Mario Eustacchio, nicht nur für die Finanzen der Stadtpartei, sondern auch für die der steirischen FPÖ und bis 2019 sogar für jene der Bundespartei zuständig. Folgerichtig ließ Kickl die um Aufklärung des Skandals bemühten Grazer Gemeinderäte aus der Partei ausschließen.

FPÖ-Chef Herbert Kickl (links) und Landesparteiobmann Mario Kunasek (FPÖ)
Beim Neujahrstreffen in Graz: FPÖ-Chef Herbert Kickl.
APA/ERWIN SCHERIAU

Doch die Grazer FPÖ ist nicht nur bei diesem Thema auf Linie des erfahrenen Ideenschmieds Kickl. Auch bei der Unterstützung der in der Vorwoche wieder ins Blickfeld des öffentlichen Interesses geratenen Identitären ist man sich einig. Deren inoffizieller Capo Martin Sellner hatte bei einem klandestinen Treffen prominenter Rechtsextremisten in Potsdam unter anderem einen "Masterplan" für die Vertreibung von "nicht ausreichend assimilierten" deutschen Staatsbürgern aus Deutschland präsentiert. Diese sollen mithilfe "maßgeschneiderter Gesetze", die "hohen Anpassungsdruck" ausüben, in nicht näher definierte Gebiete Nordafrikas deportiert werden.

Deportationsfantasien

Eine Forderung, die zeigt, dass der offenbar nicht ausreichend im Verfassungsbogen assimilierte Sellner seiner schon früh aktivistisch ausgelebten Gesinnung treu geblieben ist, sie aber, was die örtliche Orientierung seiner Wünsche betrifft, weiterentwickelt hat. Denn Sellner hat nicht nur, wie vor ein paar Jahren bekannt wurde, in Baden bei Wien Hakenkreuze auf eine Synagoge geklebt, sondern damals auch noch einen anderen Aufkleber verbreitet. Dieser trug die Aufschrift "Das gibt’s nur bei uns: ein Service der Stadt Baden, Türkeiurlaub ein Leben lang, Baden stinkt – du weißt warum." Unterzeichnet ist dieser Text mit AJ, was laut einem geständigen Komplizen für "Arische Jugend" gestanden sei. Bemerkenswert also, dass Sellner seine Deportationsfantasien Richtung Südwesten verlagert hat.

Noch bemerkenswerter freilich, dass Herbert Kickl die Identitären nicht nur als "interessantes und unterstützenswertes Projekt" bezeichnet, sondern auch als "eine echte NGO, die diesen Namen auch verdient, weil sie nämlich kein Geld vom Staat bekommt."

Doch das heißt nicht, dass die armen Jungarier ihre Pickerln weiterhin selber bezahlen müssen. Die Gäste der rechtsextremen Potsdamer Upper-Class-Party wurden vom Veranstalter angehalten "Bargeldspenden und Tagungsbeiträge" gleich vor Ort "dezent im Briefumschlag" seiner Frau zu übergeben. Das Geld "werde genutzt, um Organisationen, wie etwa von Martin Sellner, zu unterstützen".

Wie sich eine solche Prozedur vermeiden lässt, kann man wiederum von der Grazer FPÖ lernen. Während hohe Parteifunktionäre diesbezügliche Spenden empört bestritten, sponserte die Partei ganz ungeniert ein Sommerfest der Identitären mit 1.000 Euro. Graz darf alles. (Florian Scheuba, 18.1.2024)