Arzt Lukas Leitner vor der Notaufnahme in Graz
Facharzt Lukas Leitner ist spezialisiert auf Wirbelsäulen und Hüften.
privat

Im Medizinstudium hat Lukas Leitner gemerkt, dass ihn eigentlich das "Handwerkliche" aus dem Fach am meisten interessiert, schon als Kind hat er viel bei Holzarbeiten geholfen. Außerdem haben ihn Gelenke schon immer fasziniert, weil "mein Vater früher schon lange unter seinem Kniegelenk gelitten hatte", sagt er dem STANDARD. Später hat sein Vater in der Uniklinik in Graz eine Prothese bekommen, wo Leitner heute als Orthopäde und Traumatologe sowie Unfallchirurg arbeitet.

Er beschäftigt sich überwiegend mit der Erkrankung und Heilung der Wirbelsäulen- und Hüftregion. Vor allem, wenn er nach komplizierten Wirbelsäulen-OPs von querschnittgelähmten Personen mitbekommt, wie sie danach wieder gut gehen lernen, merkt er, wie sich sein Job lohnt. Dafür steht er manchmal auch am Wochenende oder mitten in der Nacht am OP-Tisch.

"Wenn man selber viel für den Beruf opfert, ist es euphorisierend, Menschen durch die Hilfe viel Leid für das restliche Leben abnehmen zu können", sagt Leitner. Einmal konnte er sogar einer jungen Frau den Bewegungsapparat retten, welcher zuvor ein Wirbel in der Halsgegend raussprang, als sie von einem Tischtennistisch eingeklappt wurde. Was er selbst aufgrund seiner Berufserfahrung nicht tun würde, erzählt er im neuen Teil der Serie:

1. Zu wenig aktiv sein

"Viele schmerzhafte Abnutzungen des Bewegungsapparates, welche vermehrt ab dem mittleren Lebensalter auftreten, können durch ein paar dauerhafte Lebensstilmodifikationen vermieden werden. Unser Körper ist eine unglaublich agile Hochleistungsmaschine. Es ist sehr schade, wenn man nur einen Teil dieses Potenzials ausnutzt. Vor allem durch das viele Sitzen in der heutigen Zeit, für das wir nicht gemacht sind, sind selbst bei sportlichen Menschen zu wenig muskuläre Stützen vorhanden, was zu Überlastungssyndromen führen kann.

Sehr viele sind heute auch großem Stress ausgesetzt, der wiederum zu schmerzhaften Verspannungen führen kann. Meistens ist hier die Nacken- und Schultergegend betroffen. Das ist ja auch die charakteristische Körperhaltung, wenn man unter Strom steht. Als jemand, der im Waldviertel aufgewachsen ist, weiß ich für mich, dass ein Spaziergang oder eine Laufrunde im Wald eine sehr heilsame und entspannende Wirkung entfalten kann."

2. Mit hohem Verletzungsrisiko leben

"In einer Wintersportnation eher ungewöhnlich, ist mein Interesse an der Pistengaudi als eigentlich guter Skifahrer etwas abgeflaut. Mein Eindruck ist, dass durch vereiste Kunstschneeplatten und steiniges, schneefreies Gelände direkt abseits der Piste das Risiko für schwere Verletzungen deutlich gestiegen ist. In dem großen Traumazentrum, in dem ich arbeite, sehe ich sehr viele schwere Verletzungen. Viele entstehen natürlich durch Unfälle im Verkehr, und überwiegend war jemand einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort.

Aus diesen Eindrücken habe ich – ohne jemanden in seiner oder ihrer Lebensführung bevormunden zu wollen – mitgenommen, dass auch etwa Motorradfahren in der Freizeit für mich ein Risiko ist, das ich nicht eingehen möchte. Besonders in den Sommermonaten kommt es zu vielen Schwerverletzten mit dauerhaftem Handicap. In Zeiten überlasteter Intensivstationen bedeutet das natürlich für das Management im Traumazentrum häufig einen logistischen Stress. Natürlich ist das Gesundheitssystem dafür da, dass man weiterhin Tätigkeiten ausübt, die einem Spaß machen, selbst wenn ein Verletzungsrisiko besteht – mich machen hier zum Beispiel Schwerverletzte meiner eigenen Hobbys wie Radsport, Waldarbeit oder im Rahmen von Feuerwehreinsätzen besonders betroffen."

3. Sich zu schnell operieren lassen

"Unter anderem unsere eigenen wissenschaftlichen Arbeiten belegen, dass Österreich ein absoluter Spitzenreiter bei der Anzahl der durchgeführten Operationen des Bewegungsapparates ist. Allerdings ändert sich durch diese nicht auch der Lebensstil oder wird zum Beispiel Gewicht reduziert. Zwar sind diese Operationen zum Großteil erfolgreich, mein Eindruck ist jedoch häufig, dass die Risikofaktoren, welche es zu einer Operation kommen lassen, oft unverändert bleiben. Konkret bedeutet das: Viele Patientinnen und Patienten erhoffen sich meines Erachtens, dass eine Operation zu sehr ihr Leben verändern wird, während sie die eigentliche Veränderung selbst in der Hand hätten.

An einer spezialisierten Universitätsklinik behandle und sehe ich häufig auch seltene Komplikationen nach elektiven Operationen des Bewegungsapparates, welche sich dann eben nicht mehr oder nur schwer rückgängig machen lassen. Daher würde für mich selbst eine Operation nur im äußersten Fall infrage kommen, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Meiner Meinung nach wird in Österreich häufig zu schnell zum Messer als Lösungsmethode gegriffen. Deshalb ist es mir wichtig, meine Patientinnen und Patienten zu sensibilisieren – dass eine Operation eigentlich möglichst vermieden werden sollte." (Melanie Raidl, 21.1.2024)