Mikrochip-Modell wird in Hand gehalten
Die Zwischenschritte, mit denen analoge Daten in digitale Signale umgewandelt werden, stellen für Mikrochip-Entwickler immer noch ein großes Problem dar.
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Warum weiß ein Herzschrittmacher, wann er einen lebensrettenden Impuls zu senden hat, Fahrerassistenzsysteme, wie sie zu reagieren haben, oder ein Smartphone, wie es ein Foto abzuspeichern hat? Abstrakt ist das leicht zu erklären. Sensoren messen Informationen aus der Umwelt und schicken sie dann als elektrische Signale an einen Prozessor auf einem Mikrochip weiter. Der weiß dann aus hinterlegten Daten, was wann und wie getan werden muss.

Interessanterweise sind aber genau die Zwischenschritte, mit der analoge Daten in digitale "Nullen und Einsen" umgewandelt werden, für Mikrochipentwickler – man glaubt es kaum – noch immer ein veritables Problem. Zwar konnten sie die dafür nötigen Elektronikschaltungen bereits so weit miniaturisieren, dass sie nicht mehr extra auf einer Leiterplatine aufgelötet werden müssen. Sie werden heute gemeinsam mit Prozessoren, Speichern und anderen digitalen Komponenten auf einen einzigen Mikrochip gepackt. Mit dieser "System-on-Chip"-Technologie, auch "SoC"-Technologie genannt, gelingt es, Herzschrittmacher, Spurwechselassistenten, Einparkhilfen oder Smartphone-Kameras immer kompakter und leistungsfähiger zu machen.

Unterseite eines Mikroprozessors
Die Unterseite eines Mikroprozessors: geballte Technik auf kleinstem Raum.
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Probleme bei Analogschaltungen

Bei jeder Weiterentwicklung der SoCs, etwa durch leistungsfähigere Prozessoren oder mehr Speicherkapazität auf weniger Raum, stellt sich Entwicklern aber dasselbe Problem: Während die Konstruktionspläne für digitale Einheiten auf den SoCs inzwischen mit hochautomatisierten Designtools quasi per Knopfdruck an neue Chipgenerationen angepasst werden können, gelingt das bei Analogschaltungen nur mehr schlecht als recht. "Es fehlt noch an Werkzeugen zum automatischen Entwerfen, und das kostet Zeit und Geld," sagt Santiago Sondon, Leiter des neuen Josef-Ressel-Zentrums der Christian-Doppler-Gesellschaft für Automatisierung von System-on-Chip Design (SODA) an der Fachhochschule Kärnten in Villach. "Dass die Schaltungen gut funktionieren, beruht zum Großteil noch immer auf der kreativen Leistung von spezialisierten Designern."

Sondon will sich nun mit seinem Team dieses Flaschenhalses in der Chip-Entwicklung annehmen. Mit einem Budget von zwei Millionen Euro, zur Verfügung gestellt von der Christian-Doppler-Gesellschaft und dem Technologiepartner Infineon, will man einen Weg finden, um auch analoge Schaltungen automatisiert entwerfen zu können. Die Entwicklung und Anpassung von analogen Schaltungen sei dabei alles andere als trivial.

Computergestützte Entwicklungshilfen

Weil die analogen Schaltungen nicht "Nullen und Einsen" verarbeiten, sondern mit realen Strömen und Spannungen agieren, müssen die Designer Schaltplan und Layout extrem genau planen und austesten. In diesem zeitintensiven Prozess müssen sie eine Lösung finden, wie sie in die Halbleiterschichten des Chips die adaptierten Schaltungen so einätzen können, dass es zu keinen Kurzschlüssen, Kriechströmen oder Überlagerungen mit anderen Signalen kommen kann. Damit beispielsweise ein "Miniverstärker" auf einem SoC für ein Analogsignal funktioniert, muss jeder seiner nur ein paar Tausendstelmillimeter großen Transistoren im Grund maßgeschneidert werden. Zwar können sich die Designer für die Anfertigung dieser "Einzelstücke" aus Schaltungsbibliotheken Muster und Best-Practice-Beispiele holen. Zudem gibt es bereits fortgeschrittenere computerunterstützte Entwicklungshilfen. Sie werden derzeit an amerikanischen Universitäten oder vom deutschen Fraunhofer-Institut in Dresden entwickelt. Sie können den Designern zum Teil schon einige Routinearbeiten beim Schaltungs- und Layout-"Schnitzen" abnehmen.

Damit ein SoC-Chip aber schnell und fehlerfrei funktioniert, muss dennoch noch viel experimentiert werden. "Viele gut funktionierende Schaltpläne und Layouts beruhen auf Annäherungswissen, Ausprobieren und Kreativität der Entwickler", sagt Sondon. Dieses Wissen stelle aber geradezu den Schlüssel für eine Automatisierung des Prozesses dar, sagt Sondon. "Unsere Aufgabe wird es nun sein, dieses Erfahrungswissen in einen maschinenlesbaren Code zu übersetzen."

Dafür arbeitet Sondon nun eng mit professionellen Analogschaltungsdesignern zusammen, um ihr Wissen Schritt für Schritt zu dokumentieren. Das Ergebnis dieses Prozesses soll die derzeitigen Hilfsprogramme um Längen schlagen. Der "Soda-Generator" sollte in Zukunft nicht nur konkrete Einzelschritte ausführen können, sondern wie ein KI-Programm auch abstraktere Anweisungen verstehen. Ziel wäre es, eine Adaption von Analogschaltungen auf Knopfdruck möglich zu machen. "Aber das ist noch ein Fernziel", sagt Sondon. Das neue Programm soll jedenfalls kompatibel mit bestehenden Entwicklungstools sein und den Designprozess deutlich abkürzen. Das Projekt ist auf fünf Jahre konzipiert und läuft bis 2028. (Norbert Regitnig-Tillian, 29.2.2024)