Befahrene Straße, fotografiert durch ein Blitzgerät.
Blitzgeräte haben die Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit im Visier – und sind deshalb ihrerseits im Visier so mancher Italiener.
IMAGO/Hartenfelser

Beim Täter handelt es sich um einen 50-jährigen Mann aus Druogno im Val Vigezzo, nur einen Steinwurf von der Schweizer Grenze entfernt. Er hatte im November des vergangenen Jahres in seiner Wohngemeinde zwei Radarfallen umgeworfen. Bei seinem nächtlichen Vandalenakt war er von zwei Überwachungskameras gefilmt worden. Weil er keine Gesichtsmaske trug, war es für die Carabinieri trotz der Dunkelheit nicht allzu schwierig gewesen, ihn anhand der Videobilder zu identifizieren. In dem 1000-Einwohner-Ort Druogno kennt jeder jeden. Der Mann wurde angezeigt und riskiert eine hohe Geldbuße und eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Monaten.

Die Identifizierung des ersten Täters ist zumindest ein Teilerfolg der Behörden bei einem Phänomen, das italienische Medien inzwischen als regelrechte Seuche bezeichnen: Seit rund einem halben Jahr zerstören in der Lombardei, im Veneto und im Piemont unbekannte Täter Radarfallen, die von den Gemeinden gegen Temposünder aufgestellt werden – inzwischen sind ihnen bereits 15 Blitzgeräte zum Opfer gefallen. Von den Medien und in den sozialen Netzwerken werden die Täter "Flexi-Men" genannt – in Anlehnung an ihr wichtigstes Tatwerkzeug: "Flex" ist auch in Italien die übliche Bezeichnung für Winkelschleifer mit Trennscheibe. Mehrere Blitzgeräte sind damit schon "gefällt" worden.

"Robin Hood" für Autofahrer

Im Land der Ferraris, Lamborghinis und Maseratis werden die "Flexi-Men" in den sozialen Medien gefeiert wie Helden und mit Robin Hood gleichgesetzt, der sich ebenfalls gegen ein unterdrückerisches System aufgelehnt habe. "Weiter so, Flexi-Man", heißt es in den Postings, "du verdienst ein Denkmal für besondere zivile Verdienste." Die Begeisterung für die selbsternannten Rächer der Enterbten und Bestraften reicht weit über Norditalien hinaus: "Flexi-Man, komm auch in die Toskana, an die Via Aurelia", tönte es diese Woche aus Mittelitalien.

Dazu muss man wissen: In Italien ist die Radarfallendichte eine der höchsten der Welt – über 11.000 Geräte stehen im Belpaese. Für viele Kommunen sind sie eine willkommene Finanzquelle; ein einziges Gerät kann jährlich Einnahmen von über einer Million Euro generieren. Viele italienische Bleifuß-Automobilisten unterstellen den Bürgermeistern, dass sie die Blitzgeräte einzig und allein aufstellen, um Kasse zu machen. Dabei wird übersehen, dass die Kommunen laut Gesetz mindestens die Hälfte der Einnahmen aus Bußgeldern in den Straßenunterhalt und die Verkehrssicherheit investieren müssen.

Das Phänomen der "Flexi-Men" wird zunehmend zur Staatsaffäre. Der Mailänder "Corriere della Sera" erkennt in dem Jubel für die Täter einen "zunehmenden Egoismus" und eine "allgemeine Allergie gegen Regeln", die durch die sozialen Medien noch gefördert würden. Luca Valdiserri sieht das ähnlich: "Radarfallen dienen der Verkehrssicherheit; sie zu zerstören hat nichts Heldenhaftes. Vielmehr sind die Vandalenakte Ausdruck einer Gesellschaft, die Schritt für Schritt ihre Empathie und den Respekt für das Leben anderer verliert." Luca Valdiserri arbeitet ebenfalls beim "Corriere della Sera", als Sportjournalist. Sein 18-jähriger Sohn Francesco ist im Oktober 2022 in Rom auf dem Gehsteig von einem Auto erfasst und tödlich verletzt worden. Der Lenker, der zu schnell unterwegs war, hatte die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren. (Dominik Straub aus Rom, 26.1.2024)