PFAS Umweltgift
Skifahrerinnen und Snowboarder hinterlassen im Schnee auch chemische Spuren, wenn ihre Brettln gewachst sind. Das führte in den letzten Jahren zu deutlich erhöhten PFAS-Konzentrationen im Boden.
APA/BARBARA GINDL

Der allzu frühe Auftakt der diesjährigen Weltcup-Saison im alpinen Skilauf brachte eine Premiere. Ende Oktober wurde beim Riesentorlauf der Damen in Sölden eine zunächst geheim gehaltene Läuferin disqualifiziert, weil sich auf ihren Skiern unerlaubt hohe Werte von Fluorverbindungen im Wachs fanden, wie eine Messung mittels Infrarot-Spektroskopie ergab. Also durfte die Norwegerin Ragnhild Mowinckel, die Sechstplatzierte nach dem ersten Durchgang, am zweiten nicht mehr teilnehmen und verließ unter Tränen den Zielraum.

Die Norwegerin wurde damit zum ersten Opfer des seit der Saison 2023/24 geltenden Verbots von sogenannten Fluorwachsen, das der Internationale Skiverband FIS nach langer Ankündigung (erstmals für 2020/21) nun endlich verhängte. (Wie sich übrigens später herausstellte, ging die Regelübertretung Mowinckels auf ein kontaminiertes Arbeitsgerät zurück, das noch mit Fluorwachsen verunreinigt gewesen war.)

(Un)Gewünschte Eigenschaften

Warum dieses Verbot – auch für Skilanglauf und Biathlon – ausgesprochen wurde, wird in TV-Übertragungen der Rennen eher selten erwähnt: Fluorwachse enthalten per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS), die auch als sogenannte Ewigkeitschemikalien bekannt sind: Diese Substanzen, die sich etwa auch in Regenjacken finden, haben einerseits den Vorteil, besonders wasserabweisend zu sein, und machen daher auch Skier schnell.

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Sie sind andererseits aber besonders langlebig und können sich deshalb in der Umwelt anreichern. PFAS gelten aber auch Umweltgifte, deren gesundheitliche Folgen nur zum Teil erforscht sind, aber etwa mit schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen wie Krebs, Fruchtbarkeitsproblemen und Leberschäden in Verbindung gebracht werden. Deshalb ihr Verbot durch die FIS.

Steirische Skigebiete

PFAS finden sich in geringen Konzentrationen mittlerweile fast überall in der Umwelt, weil sie in vielen Produkte – anbrennsicheren Pfannen, kussfestem Lippenstift, Eyelinern oder Feuerwehrlöschschaum – enthalten sind. Macht es also überhaupt einen Unterschied, ob mit oder ohne Fluorverbindungen gewachst wird?

Dieser Frage ging eine Forschergruppe um die Chemikerin Viktoria Müller nach, die aktuell am James-Hutton-Institut in Aberdeen (Schottland) forscht und ihre Studie im Rahmen ihrer Doktorarbeit an der Universität Graz in Österreich durchführte.

Müller nahm mit ihrem Team vor zwei Jahren 24 Proben in vier verschiedenen Skigebieten vor allem in der Steiermark (Teichalm, Lachtal und Schladming), am Klippitztörl in Kärnten sowie in der Nähe der Hesshütte im Nationalpark Gesäuse. Zudem wurden 20 Bodenproben in einem abgelegenen Gebiet im Lachtal gezogen, wo sich während der Skisaison Langlaufloipen befinden sowie sechs Bodenproben in den untersuchten Skigebieten.

Viel höhere Konzentrationen

Das Ergebnis der Untersuchung, die kürzlich im Fachblatt "Environmental Science: Processes & Impacts" erschien, war eindeutig: In den Böden dieser Familienskigebieten wurden vierzehn verschiedene Arten dieser Ewigkeitschemikalien aus Skiwachs gefunden´ – und zwar in weitaus höheren Konzentrationen als in Gebieten, die normalerweise nicht zum Skifahren genutzt werden, wie Viktoria Müller sagt.

Das große Problem: PFAS brauchen Hunderte von Jahren, ehe sie verschwinden. "Daher könnten sie sich anreichern oder in der weiteren Umwelt verbreiten, einschließlich des Grundwassersystems, was die größte Sorge darstellt." Wie viel davon ins Wasser und in die Pflanzen und damit in die Tiere aus diesen Gebieten gelangt, sei allerdings unbekannt

Immerhin: Durch das Verbot der FIS dürften viele Wachshersteller auch für Hobbyskiläufer umgesattelt haben, wie Müller vom Hersteller Swix im Vorjahr erfuhr. (Andere Hersteller hatten keine Antwort auf ihre Nachfrage gegeben.) Bei Swix hat man mit der Produktion von Fluorwachs aufgehört, von dem alle Wachserzeuger zusammen rund 20 Tonnen pro Jahr produzierten. Ein in Vorbereitung befindliches Verbot nicht essenzieller PFAS, zu denen auch jene in Skiwachs gehören, soll das Problem demnächst für die EU ganz offiziell beenden.

Andere PFAS-verschmutzte Orte

Für Thilo Hofmann, Umweltwissenschafter und PFAS-Experte an der Uni Wien, der ein millionenschweres Projekt zu PFAS miteingeworben hat, sind die Ergebnisse der Studie, an der er nicht beteiligt war, keine Überraschung: Es sei zu erwarten gewesen, dass sich in Skigebieten höhere Konzentrationen von PFAS befinden. Und er bekräftigt, dass dies dann besonders heikel sei, wenn sich das im Grundwasser anreichert, worüber die neue Studie keine Auskunft gibt.

Hofmann hat hohe Konzentrationen von PFAS im Grundwasser unter anderem für Leibniz oder Lebring in der Steiermark oder am Flughafen Salzburg festgestellt, wo kein Wintersport betrieben wird. Dort seien in den meisten Fällen durch Feuerlöschschaum erhebliche Mengen an PFAS in die Umwelt gelangt, was dort womöglich sogar Sanierungsmaßnahmen nötig macht.

Unmittelbare gesundheitliche Risiken für Skifahrerinnen und Skifahrer oder Personen in Skigebieten sind durch die gemessenen Werte nicht zu erwarten. Etwas anders sieht es freilich mit den Wachsexperten aus, von denen in den TV-Übertragungen ebenfalls immer wieder die Rede ist, wie Müller erklärt. Für manche dieser Serviceleute haben einzelne Studien deutlich erhöhte Werte von PFAS im Blut nachgewiesen.

Wie sehr sich das auf ihre Gesundheit auswirkt, ist nur wenig erforscht. Konkrete Zusammenhänge sind schwierig, erklärt auch Thilo Hofmann: "Das ist ähnlich wie bei Asbest. Mögliche Folgen zeigen sich erst nach Jahren und sind auch dann nur selten eindeutig zuordenbar." (Klaus Taschwer, 30.1.2024)