Das Bild zeigt den Schritfzug von
Durch den Verkauf von Werbeplätzen und durch zusätzliche Gebühren für "werbefreies" Streaming, das dann doch nicht werbefrei ist, lassen sich erhebliche Mehreinnahmen für Amazon erzielen.
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Streamingdienste sind auf den Geschmack gekommen, nach und nach ihre Abo-Preise zu erhöhen. Amazon scheint für Prime Video Gefallen daran gefunden zu haben, einen ähnlichen Weg zu beschreiten wie das Branchenvorbild Netflix. Das Win-win-Konzept ist recht simpel: Indem man Werbung in das bestehende Angebot injiziert, stellt man die Kundschaft vor die Wahl, diese entweder mitzudulden oder mehr für das Abo zu bezahlen, um weiterhin davon verschont zu bleiben. In beiden Fällen gibt es mehr Geld für das Unternehmen.

Im Fall von Amazon Prime Video bedeutet das konkret, dass man ab dem 5. Februar 2024 auch für österreichische und deutsche Kunden die Menge der Werbeeinblendungen in Filmen und Serien erhöhen wird – laut Messungen des "Wall Street Journal" auf bis zu 3,5 Minuten Werbung pro Stunde. Um jedoch weiterhin Inhalte ohne Werbung streamen zu können, müssen Abonnentinnen und Abonnenten eine zusätzliche Gebühr entrichten. Für einen Betrag von etwa drei Euro monatlich ist es möglich, ein werbefreies Streaming-Erlebnis zu erhalten.

Doch nicht werbefrei

Die Sache dürfte jedoch einen Haken haben, den Amazon nicht ausdrücklich kommuniziert hat. So werbefrei wie die Option gegen Aufpreis klingt, ist sie offenbar nicht. In den USA, wo diese Änderung bereits umgesetzt worden ist, äußern Abonnenten ihren Unmut darüber, dass trotz der Zahlung von 2,99 US-Dollar für eine Option, die Werbung ausschließen soll, dennoch weiterhin Werbung gezeigt wird. In Onlineforen sind Berichte von Nutzern nachzulesen, dass vor dem Start von Filmen und Serien Werbeclips abgespielt werden.

Das ist zwar eine Praxis, die seit etwa acht Jahren besteht – und bestehende Kunden nicht (mehr) erschüttern sollte. Abgesehen davon, dass die Bezeichnung "werbefrei" somit nicht stimmt, kommt es aber noch besser: Bislang konnten diese Clips übersprungen werden oder es konnte vorgespult werden, was laut Nutzerrückmeldungen nun aber nicht mehr möglich sein soll. Erst wenn die Werbung vollständig abgespielt worden ist, könne man zum gewählten Inhalt gelangen.

Möglicherweise rechtswidrig

Die Stiftung Warentest betrachtet Amazons Praxis, von Prime-Kunden eine zusätzliche Gebühr für die Vermeidung von Werbung zu verlangen, als juristisch fragwürdig. Sie wird als faktische Preiserhöhung für bestehende Abonnements angesehen, was ohne die Zustimmung der Kunden rechtlich nicht zulässig sein könnte. Diese Einschätzung basiert auf ähnlichen Fällen, in denen Gerichte gegen Spotify und Netflix entschieden haben.

Prime-Kunden könnten theoretisch eine Unterlassung dieser Werbepraxis fordern, wobei die Stiftung Warentest sogar einen Musterbrief für solche Forderungen zur Verfügung stellt. Sollte Amazon diese Forderungen ablehnen, könnte der nächste Schritt ein Gerichtsverfahren sein. Kunden haben auch die Möglichkeit, ihr Abonnement zu kündigen. Dabei besteht aber das Risiko, dass Amazon im Gegenzug den Vertrag kündigt, falls Kunden auf einen werbefreien Service bestehen.

Dass etliche Kunden in den USA und bald auch in weiteren Ländern unzufrieden über die "Geld oder Werbung"-Keule von Amazon sein werden, dürfte der Konzern gern in Kauf nehmen. Durch den Verkauf der Werbeplätze und durch die zusätzlichen Gebühren für "werbefreies" Streaming, das dann doch nicht werbefrei ist, lassen sich erhebliche Mehreinnahmen erzielen – laut Schätzungen der Bank of America bis zu 4,8 Milliarden Dollar jährlich. (bbr, 2.2.2024)