Das Fish Game erfordert mindestens zwölf Mitspieler, 50 Murmeln, einen undurchsichtigen Beutel und Schreibmaterial. Die Spielerinnen und Spieler werden in Kleingruppen aufgeteilt und erhalten lediglich die Information, dass die Murmeln Fische repräsentieren. Die Aufgabe besteht darin, das Meer zu befischen. Jede Runde dauert drei Minuten, nach der jede Fischergruppe der Spielleitung jeweils verdeckt mitteilen muss, wie viele Fische sie aus dem Meer entnehmen möchte. Nach jeder Runde regeneriert sich der Bestand ein wenig, das heißt, die Anzahl der im Beutel verbliebenen Murmeln wird verdoppelt. Die Zahl des Restbestands aber wird nicht kommuniziert.

Wir müssen unsere selbstgewählten Spielregeln im Umgang mit der Natur dringend hinterfragen. Im Bild: März 2023 sind in New South Wales, Australien, Millionen Fische verendet.
Wir müssen unsere selbstgewählten Spielregeln im Umgang mit der Natur dringend hinterfragen. Im Bild: März 2023 sind in New South Wales, Australien, Millionen Fische verendet.
IMAGO/SAMARA ANDERSON

Ich habe das Fish Game bereits mehrmals mit verschiedenen Gruppen gespielt. Oft endet das Spiel schnell, da die Spielenden annehmen, dass es darum geht, die höchste Anzahl an Fischen zu ergattern und in einen Wettbewerb zu treten. Nach einigen Runden ist das fiktive Meer leergefischt, und die Fischpopulation ist verschwunden. Im Anschluss entstehen oft interessante Diskussionen unter den Teilnehmenden: Warum haben wir nicht kooperiert? Hätte es eine Autorität gebraucht, um die Überfischung zu verhindern? Warum haben wir sofort angenommen, dass es darum geht, die meisten Fische zu bekommen?

Gemeingüter verwalten

Das Fish Game veranschaulicht eindrucksvoll die Herausforderungen des Ressourcenmanagements von Gemeingütern, den sogenannten Commons. Lange argumentierten die Anhänger der Theorie des Homo oeconomicus, dass wir zu sehr auf unseren eigenen Vorteil bedacht und deshalb nicht in der Lage sind, Gemeingüter zu verwalten. Elinor Ostrom, die erste weibliche Nobelpreisträgerin für Wirtschaftswissenschaften, widerlegte diese Behauptungen und zeigte, wie Kulturen, insbesondere Naturvölker, über Jahrtausende hinweg gelernt haben, Ressourcen nachhaltig und im Einklang mit natürlichen Kreisläufen zu nutzen und zu teilen. Doch dieses Wissen wurde ignoriert oder durch die Kolonialpolitik gezielt zerstört.

Wir leben nun im Anthropozän, in dem der Mensch der dominierende Faktor in allen Ökosystemen ist. Unser Glaube an unbegrenzte Ressourcen hat sich als fatal erwiesen. Wir müssen unsere selbstgewählten Spielregeln im Umgang mit der Natur dringend hinterfragen. Die Frage, wie wir Gemeingüter von globaler Bedeutung über nationale Grenzen hinweg schützen können, ist sehr komplex und verworren.

Gebiete von systemischer Bedeutung

In einer kürzlich veröffentlichten Studie sprechen sich Klimawissenschafter rund um Johan Rockström vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung für die Etablierung von planetaren Gemeingütern aus. Dabei handelt es sich um Gebiete mit besonderer systemischer Bedeutung für die Stabilisierung der globalen Ökosphäre, des Erdsystems. Also Zonen wie tropische Regenwälder, arktische Eisflächen oder die Atmosphäre, die das Überschreiten von planetaren Kipppunkten verhindern.

Der Weltgemeinschaft fehlen heute die Instrumentarien, Mechanismen und geeigneten transnationalen Institutionen, um hier gemeinsam zu handeln. Fest steht, dass wir als Menschheit dringend lernen müssen, zusammenzuarbeiten und zu kooperieren. Vielleicht kann sogar das Fish Game dazu einen kleinen Beitrag leisten, in dem es uns zumindest einen Spiegel vorhält. (Philippe Narval, 5.2.2024)