Männer jubeln über das Wahlergebnis.
Die Stimmung unter den Anhängern der führenden Kandidaten war sichtlich gelöst.
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Islamabad – In Pakistan zeichnet sich nach der Parlamentswahl eine schwierige Regierungsbildung ab. Mit Nawaz Sharif und dem inhaftierten Imran Khan haben sich nämlich gleich zwei ehemalige Premierminister zum Wahlsieger erklärt, bevor überhaupt alle Stimmen ausgezählt wurden. Nach dem zuletzt veröffentlichten Zwischenergebnis kam Sharifs Muslimliga auf 61 Sitze, die mit Khan verbundenen unabhängigen Kandidaten auf 92. Allerdings sitzt letzterer im Gefängnis und die Unabhängigen können keine eigene Regierung bilden.

Laut Sharif habe seine Muslimliga die meisten Parlamentssitze gewonnen und werde mit den Sondierungen einer Koalition beginnen, kündigte er am Freitag an. Wie viele Sitze seine Fraktion genau erreicht haben soll, sagte er nicht. Imran Kahn erklärte via Sprachnachricht und einem Video, laut der Nachrichtenagentur Reuters mit künstlicher Intelligenz, am Freitagabend auf X (vormals Twitter) seinen Wahlsieg und forderte seine Anhänger auf diesen zu feiern.

Die Auszählung des Wahlergebnisses ist noch nicht abgeschlossen. Das Parlament verfügt insgesamt über 265 Mandate, die Regierungsmehrheit liegt also bei mindestens 133 Abgeordneten.

Gelähmte Opposition

Der Erfolg von den der PTI zugerechneten Kandidaten kam unerwartet, da Pakistans Justiz die Oppositionspartei vor der Wahl weitgehend gelähmt hatte. Mitglieder der PTI durften nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofs nur als unabhängige Kandidaten antreten, auch ihr Wahlkampf wurde massiv eingeschränkt. Khans Parteigänger mussten sich am Ende damit behelfen, dass sie Wahlkampfreden des im Hochsicherheitsgefängnis sitzenden Parteiführers Khan mithilfe künstlicher Intelligenz erstellten. Khan, von 2018 bis zu einem Misstrauensvotum im Frühjahr 2022 Premierminister, wurde unter anderem wegen Korruptionsvorwürfen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Er selbst sieht die Verfahren als politisch motiviert an, um ihn von der Macht fernzuhalten.

Sharifs Partei hatte sich am Tag der Wahl noch siegessicher gezeigt und auf eine absolute Mehrheit gehofft. Beobachtern zufolge war die PML-N Wahlfavorit der einflussreichen Generäle. In dem Land wird dem mächtigen Militär nachgesagt, immer wieder Einfluss auf Wahlen und Regierungen zu nehmen. Sharifs Partei wollte noch am Freitag Gespräche mit anderen Parteien aufnehmen. "Ich lade alle Verbündeten ein, sich uns anzuschließen, um Pakistan aus dem derzeitigen wirtschaftlichen Schlamassel zu befreien", sagte der 74-Jährige bei einer Rede in seiner Heimatstadt Lahore.

Zuletzt hatte Sharifs Partei in einer breiten Regierungskoalition den Premier gestellt. Dazu gehörte auch die Volkspartei PPP, die nach den Teilergebnissen mit knapp 23 Prozent der Sitze auf dem dritten Platz landete. Ihr 35-jähriger Spitzenkandidat, Kurzzeitaußenminister Bilawal Bhutto Zardari, hat zwar Regierungsambitionen, schloss aber am Abend vor der Wahl eine erneute Zusammenarbeit mit der Partei von Sharif zunächst aus.

Die PML-N und PPP dürften um die Gunst der unabhängigen Kandidaten werben, um eine Mehrheit zu finden. Beobachter gingen nicht davon aus, dass die PTI-nahen Unabhängigen im Parlament zusammenarbeiten. Viel eher würden viele in das Lager wechseln, das die besten Aussichten auf Regierungsbeteiligung habe. In Pakistan ist das nicht ungewöhnlich - immer wieder haben Politiker in der Vergangenheit auch ihre Loyalitäten gewechselt.

Pakistans Nationalversammlung hat 336 Sitze, von denen 266 direkt gewählt werden. Weitere 60 Sitze sind für Frauen und zehn für Nichtmuslime reserviert, die entsprechend der Stärke der einzelnen Parteien besetzt werden. Durch die zusätzlichen Sitze dürften die großen etablierten Parteien ihr Gewicht im Parlament im Vergleich zu den Unabhängigen ohnehin noch ausbauen. Unabhängige Kandidaten haben 72 Stunden nach der Wahl Zeit, sich anderen Parteien anzuschließen oder eigene Fraktionen zu gründen.

Aufgrund von Internetsperren am Wahltag und massiven Verzögerungen bei der Auszählung der Stimmen klagte die PTI über Manipulation. Das Innenministerium hatte die Abschaltung der mobilen Netze mit der angeblichen Sicherheit für die Wählerinnen und Wähler begründet.

Terror und marode Wirtschaft

Auf die neue Regierung wartet eine lange Liste an Herausforderungen. Terroranschläge, eine marode Wirtschaft mit hoher Inflation von fast 30 Prozent und die Folgen des Klimawandels. Auch die Weltbank bremste jüngst Erwartungen für die Wirtschaft des Landes mit 240 Millionen Einwohnern, die in den vergangenen Jahrzehnten einen Aufschwung erlebte, nach der Corona-Pandemie und den verheerenden Fluten im Sommer 2022 aber nur noch minimales Wachstum verzeichnete. Das Land leidet unter hoher sozialer Ungerechtigkeit und religiösem Extremismus. Die Bevölkerung ist angesichts der Machtkämpfe der politischen Führung weitgehend desillusioniert.

Sharif hatte im Wahlkampf vor allem auf populistische Positionen gesetzt. Der Geschäftsmann versprach etwa, die Wirtschaft anzukurbeln, Strompreise zu senken und zehn Millionen Jobs innerhalb von fünf Jahren zu schaffen. Bhutto Zardari hatte sowohl den inhaftierten Khan, als auch Sharif scharf angegriffen. Die Partei machte die schwere Wirtschaftskrise zum Wahlkampfthema und versprach, politische Gefangene freilassen zu wollen. Auch der Klimawandel war ein Thema der Partei. Die Provinz Sindh, eine Hochburg der PPP im Süden, war 2022 besonders von der Flutkatastrophe betroffen.

In der Außenpolitik dürfte die nächste Regierung auch die Beziehung zu den Taliban, den neuen Machthabern im Nachbarland Afghanistan, beschäftigen. Seit einigen Jahren erstarken wieder militante Gruppen, allen voran die pakistanischen Taliban (TTP), die trotz ideologischer Nähe unabhängig von den Herrschern im Nachbarland agieren. Auch die Beziehung zum Rivalen Indien ist angespannt. Mit einem Multi-Milliarden-Wirtschaftskorridor ist das südasiatische Land in eine tiefe Abhängigkeit zu China gerutscht. (APA, 9.2.2024)