Am 14. Februar ist heuer nicht nur Valentinstag, sondern auch Equal-Pay-Day. Der Tag soll auf das ungleiche Einkommen zwischen den Geschlechtern aufmerksam machen: Der Gender-Pay-Gap wird derzeit mit 12,4 Prozent beziffert. Im Vergleich zu Männern haben Frauen demnach seit Jahresbeginn 45 Tage kostenlos gearbeitet – im Vorjahr waren es noch 13 Prozent und damit zwei Tage länger.

Laut dem Frauennetzwerk Business and Professional Women Austria (BPW), das den Equal-Pay-Day für Österreich berechnet, verdienen Frauen damit rund 5.800 Euro im Jahr weniger. Die Daten dazu stammen aus dem Einkommensbericht der Statistik Austria von 2022 und beziehen sich auf ganzjährig Vollzeitbeschäftigte. Trotz einer leichten Verbesserung ist der Weg noch lang: Wenn sich die Lohnlücke zwischen den Einkommen von Männern und Frauen in dem Tempo weiterentwickelt, wie es seit 2008 der Fall ist, ist die entgeltliche Gleichstellung erst im Jahr 2076 erreicht.

Junge Frau nimmt Geldscheine aus ihrer Geldbörse
Im Vergleich zu Männern haben Frauen seit Jahresbeginn 45 Tage ohne Bezahlung gearbeitet.
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Gehaltslücke trotz gleicher Ausbildung

Ganz unschuldig an ihrer finanziellen Situation seien Frauen aber nicht, heißt es immer wieder. Schließlich würden sie in Branchen und Berufen arbeiten, die schlechter bezahlt werden. Ist das so? Eine Analyse des gewerkschaftsnahen Momentum-Instituts zeigt, dass Frauen selbst in männlich dominierten Branchen mit hohen Gehältern, wie im Ingenieurwesen oder der IT, weniger bezahlt bekommen als ihre Kollegen. Herangezogen wurden dafür Daten des Absolvent:innen-Trackings sowie das bildungsbezogene Erwerbskarrierenmonitoring der Statistik Austria.

Bei Hochschulabsolventinnen und -absolventen mit Master oder Diplom besteht bereits 18 Monate nach Bildungsabschluss eine Einkommenslücke von 13 Prozent. Auch ein Mint-Studium – "Mint" steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik – schütze laut der Analyse nicht vor dem Gender-Pay-Gap. Bei Naturwissenschaften, Mathematik und Statistik liegt dieser bei 8,6 Prozent, bei Informatik und Kommunikationstechnologie bei 7,7 Prozent. Bei Studienrichtungen, die unter "Ingenieurwesen, Verarbeitendes Gewerbe und Baugewerbe" fallen, liegt er sogar bei 17,5 Prozent. Und dieser Unterschied bleibt konstant: Auch drei Jahre nach dem Masterabschluss sei dieser immer noch bei 16 Prozent.

Teilweise würden Frauen auch mit höherem Bildungsabschluss weniger Lohn bekommen. Im Ingenieurwesen bekomme eine Absolventin mit Master durchschnittlich elf Prozent weniger Gehalt als ihre männlichen Kollegen mit Bachelor-Abschluss. Auch in der Informatik und Kommunikationstechnologie bekommen Frauen drei Jahre nach einem Master-Abschluss um zehn Prozent weniger als Männer, in den Naturwissenschaften bekommen sie um neun Prozent weniger bezahlt.

Langfristige Betrachtung

Ähnlich Ergebnisse lieferte kürzlich eine Studie des Instituts für Frauen- und Geschlechterforschung der Johannes-Kepler-Universität (JKU) in Linz. In den Natur-, Ingenieurs-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften verdienten Frauen im Job demnach deutlich weniger als ihre Kollegen – obwohl sie die gleiche Ausbildung absolviert hatten. "Je höher die Löhne in einem Berufsfeld, desto größer sind auch die Unterschiede zwischen Männern und Frauen", sagt Studienautorin Doris Weichselbaumer im Gespräch mit dem STANDARD. Sie leitet das JKU-Institut für Frauen- und Geschlechterforschung.

Untersucht wurden die Lohnunterschiede von knapp 27.000 Universitätsabsolventinnen und -absolventen im ersten Jahr nach ihrem Abschluss über einen Zeitraum von 16 Jahren. Da es diese Daten für Österreich nicht in dieser Ausführlichkeit gibt, griffen die Forschenden auf Aufzeichnungen aus Deutschland zurück. "Aufgrund ähnlicher Strukturen darf man annehmen, dass die Ergebnisse vom Trend her auch auf die Lage in Österreich umgelegt werden können", erklärt Weichselbaumer.

Statistischer Effekt

Laut der Momentum-Analyse wächst die Lohnlücke auch in der Pädagogik in eineinhalb Jahren von drei auf satte zwölf Prozent an. Das deute darauf hin, dass die überwiegend weiblich dominierte Arbeit in diesem Bereich später niedriger entlohnt wird als noch kurz nach dem Abschluss. "Grundsätzlich gilt: Studienabschlüsse in frauendominierten Fächern sowie frauendominierten Berufe werden schlechter entlohnt", sagt Weichselbaumer. Wenn Männer diese Studiengänge wählten, sahen sie sich zwar auch im Job danach mit finanziellen Nachteilen konfrontiert. Ihre Gehälter waren trotzdem im Durchschnitt noch um fünf bis sechs Prozent besser als die ihrer Kolleginnen.

Die Forscherinnen der JKU entdeckten aber noch einen weiteren statistischen Effekt: Je mehr Frauen in eine bestimmte Branche drängten, desto niedriger wurden die Löhne. In der Wissenschaft nennt sich dieses Phänomen Abwertungstheorie. "Die beruflichen Tätigkeiten von Männern und Frauen waren noch nie gleich bewertet, und das trägt natürlich zum Gender-Pay-Gap bei", sagt Christine Mayrhuber vom Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo). Ein systematisierter Vergleich von Berufen in Deutschland habe bereits gezeigt, dass gleiche Anforderungsprofile abhängig vom Geschlecht unterschiedlich bewertet und dementsprechend auch entlohnt werden. Die Ergebnisse ließen sich ihrer Einschätzung nach auch auf Österreich übertragen.

Mehr Transparenz

"In den am schlechtesten bezahlten Branchen finden sich signifikant mehr Frauen, in den Führungsebenen finden wir zwei Frauen von zehn im Vorstand", betont auch BPW-Austria-Präsidentin Rita Volgger. Das Netzwerk fordert unter anderem eine Einkommenstransparenz und eine Aufwertung von Niedriglohnbranchen. Durch mehr Transparenz bei den Gehälter wird Entgeltdiskriminierung sichtbar, Betroffene können sich faktenbasiert wehren und Unternehmen stärker zu aktivem Handeln aufgefordert werden, begründet die Gleichbehandlungsanwaltschaft ihre Forderung.

Wegen einer neuen EU-Richtlinie müssen große Firmen demnächst mehr Einblick in die Gehälter gewähren. Hierzulande gibt es zwar bereits durch das Lohntransparenzgesetz verpflichtende Einkommensberichte für Unternehmen mit mehr als 150 Mitarbeitenden. Wifo-Ökonomin Christine Mayrhuber hält dies aber für ein "zahnloses Instrument". Echte Gehaltstransparenz sei dadurch bislang nicht gegeben: "Erst durch die Umsetzung der Richtlinie wird sich etwas in diesem Bereich bewegen", ist die Expertin überzeugt. Neben einem leichteren Zugang für Beschäftigte zu den durchschnittlichen Entgelthöhen droht bei Verstößen eine Wiedergutmachung durch Schadenersatz.

In Österreich werde nicht gerne über Geld gesprochen, die Offenlegung der Einkommen werde ihrer Einschätzung nach die Verhandlungsbasis der Frauen stärken und bringe Betriebe dazu, ungleiche Gehälter trotz gleicher Arbeit erklären zu müssen. Hinzu komme laut Mayrhuber die wirtschaftliche Lage: "Die Zahl der Erwerbsbevölkerung stagniert und wird in den nächsten Jahren sinken, spätestens dann können sich Betriebe nicht leisten, auf gut ausgebildete Frauen zu verzichten und sie auch entsprechend zu entlohnen." Künftig sollten sich Unternehmen also nicht nur wegen der rechtlichen Rahmenbedingungen gezielte Maßnahmen überlegen, um gegen den Gender-Pay-Gap vorzugehen. (Anika Dang, 14.2.2024)