Ein Mann und eine Frau in einem mit Pflanzen ausgestatteten Büro an einem Standing Desk
Die Firmenkultur scheint in keiner Bilanz auf, ist aber essenziell für den Unternehmenserfolg.
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GASTBEITRAG: Christian Havranek

"Culture eats strategy for breakfast" ist eines der bekanntesten Zitate des aus Wien gebürtigen und zwangsweise nach Amerika emigrierten Peter F. Drucker. Aber was bedeutet Unternehmenskultur? Sie ist sofort zu spüren, wenn man mit einem Unternehmen in Kontakt kommt, aber schwierig zu beschreiben und noch schwieriger zu messen oder gar zu steuern.

Gareth Morgan zeigte 1979 in "Paradigms of Organisation", nach welch verschiedenen Paradigmen Organisationen funktionieren: mal wie ein lebendiger Organismus, mal wie eine Maschine oder ein politisches, an Einfluss und Status orientiertes Machtsystem. Das Buch ist exzellent, aber komplex geschrieben. Das nahm der ehemalige Deloitte-CEO zum Anlass, den Ansatz gemeinsam mit einem Wissenschaftsteam weiterzuentwickeln und anschaulicher zu machen. So tauchen in einem faszinierenden Kaleidoskop so unterschiedliche Organisationen wie ein Zirkus, ein Hotel, ein Orchester oder eine NGO Freiwilliger auf. Oder das beeindruckende System der indischen Dabbawalas: Sie lösen logistisch höchst komplexe Aufgaben der Essensverteilung an tausende Einzelpersonen als Netzwerkorganisation mit einer Null-Fehler-Rate. Am Ende steht ein einfaches Modell, das sich zwischen offenen und geschlossenen Rollen sowie hierarchischen oder verhandlungsorientierten Top-down- oder Bottom-up-Ansätzen bewegt.

Entscheidend sind zwei Schlussfolgerungen:

Kultur ist kaum messbar

Es gibt unzählige Methoden, mit Fragebögen, Fokusgruppen und Interviews zumindest ein Bild der Unternehmenskultur zu erhalten. Der Begriff "messen" wäre aber vermessen. So nützlich organisationale Daten etwa zur Feststellung von Veränderungen im Zeitablauf sind, so unzureichend sind sie bei der Analyse, wie Menschen Führung und Kultur tatsächlich erleben. Schon eine Befragung durch einen internen oder neutralen externen Absender kann unterschiedliche Ergebnisse bringen (das gilt auch für Exit-Interviews). Auch Portale wie Glassdoor oder Kununu sind nicht repräsentativ – und oft giftig. Es gibt also nicht den einen perfekten Weg der Messung. Man muss verschiedene gehen, um ein valides Bild zu erhalten.

Zwei Aspekte sollte man dabei berücksichtigen: Es gibt nicht die eine Wahrheit, sondern die Summe aller Beschreibungen entscheidet. Und das faszinierende Experiment des "unsichtbaren Gorillas" macht offenkundig, wie unser Fokus unsere Wahrnehmung bestimmt: Eine Gruppe von Menschen wirft einander, ohne einem Muster zu folgen, einen Medizinball zu. Die Beobachtenden müssen die Wurfabfolge möglichst lückenlos dokumentieren. Mitten im Geschehen spaziert eine als Gorilla verkleidete Person unter die Spielenden, bleibt in der Mitte stehen, posiert, macht Grimassen und verlässt das Spielfeld wieder. Nach dem Experiment geben mehr als die Hälfte der Beobachtenden an, keinen Gorilla wahrgenommen zu haben, und streiten seine Anwesenheit sogar ab.

Worauf legt man den Fokus?

Auch bei der Erarbeitung von HR-Strategien ist die Frage "Worauf schaue ich?" entscheidend. Allzu oft sind das nur einzelne Prozesse im Lebenszyklus der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Oder man modernisiert das Personalmarketing (alle tun das jetzt), beschafft eine neue Lernplattform (gute Gelegenheit) und digitalisiert einen Prozess (kann nie falsch sein). Hier werden oft Mittel und Zweck verwechselt. Besser wäre, die People-&-Culture-Strategie unternehmerisch aus der Geschäftsstrategie abzuleiten. Zur Erreichung der gesetzten Unternehmensziele sind drei Fragen zu beantworten:

Der Aufsichtsrat kann und sollte in diesen Fragen ein strategischer Dialogpartner sein. (Christian Havranek, 3.4.2024)