Airbag ausgelöst Auto
Auch der Airbag wird elektronisch gesteuert. Im schlimmsten Fall kann er durch elektromagnetische Interferenzen ausgelöst werden.
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Vieles ändert sich in unserer schnelllebigen Zeit ständig. Die Warnung, Handys und andere elektronische Geräte im Flugzeug beim Starten und Landen auszuschalten oder zumindest den Funkmodus zu deaktivieren, ist seit Jahren unverändert. Es ist zwar durch ein eingeschaltetes Handy noch kein Flugzeug abgestürzt. Die elektromagnetischen Wellen, die für die Drahtloskommunikation verwendet werden, können aber die Elektronik des Flugzeugs negativ beeinflussen und etwa die Funkverbindung zwischen Cockpit und Flugsicherung stören.

Dass elektronische Geräte sich in die Quere kommen können, ist keine Neuigkeit. Man kennt das von älteren Stereoanlagen, wenn der Radioempfang über Antenne plötzlich gestört ist oder Lautsprecher Klopfgeräusche von sich geben, wenn das Handy in der Nähe liegt. Durch die stetig steigende Anzahl von Elektronikgeräten und die Digitalisierung vieler Komponenten, die einst mechanisch waren, ist das Thema aktueller denn je. Dazu kommt, dass verbaute Elektronikbauteile wie Sensoren immer kleiner und sensibler werden und folglich besonders anfällig für elektromagnetische Störungen sind.

Auto als riesiger Computer

Das Auto ist ein perfektes Beispiel dafür. Abgesehen von den Infotainmentsystemen, die mit mehreren Displays als Schnittstelle für Fahrerinnen und Fahrer dienen, sind heute hunderte Sensoren verbaut. Drehwinkelgeber im Lenkrad messen, wie weit man einschlägt. Dazu kommen Sensoren, die die Spur der Scheinwerfer verfolgen und das mehr oder weniger gut funktionierende Auf- und Abblenden bei Gegenverkehr steuern. Aber auch der Reifendruck und der Abstand zu anderen Fahrzeugen und Hindernissen werden elektronisch gemessen.

Strom E-Auto aufladen
Bei E-Autos treten durch die schnellen Schaltungen und Stromwandlungen starke elektromagnetische Felder auf.
IMAGO/Michael Gstettenbauer

E-Autos sind durch die elektrischen Motoren und die verbauten Akkus ohnehin eher fahrende Riesencomputer. Dass sich all die Elektronik mit ihren jeweils auftretenden elektromagnetischen Feldern nicht in die Quere kommen und auch andere Fahrzeuge nicht beeinflussen, ist eine besondere Herausforderung. "Im schlimmsten Fall wird durch ein Handy im Auto der Airbag ausgelöst, weil falsche Signale an die Sensorelektronik gelangen. Das darf natürlich nicht passieren", erklärt Bernhard Auinger, Leiter der Forschungsgruppe für Co-Existence & Electromagnetic Compatibility beim Forschungszentrum Silicon Austria Labs (SAL) in Graz.

Damit solch gefährlichen Situationen vermieden werden, müssen alle elektrotechnischen Geräte vor Inbetriebnahme auf ihre gefahrlose Verwendung geprüft werden. Werden die gesetzlichen Richtlinien eingehalten, bekommt die Elektronik das CE-Zeichen, es ist in der EU zwingend vorgeschrieben. Ein wesentlicher Faktor dabei ist die sogenannte elektromagnetische Verträglichkeit, die allerdings oft erst am Ende des Designprozesses gemessen wird. Können die Vorgaben nicht erfüllt werden, müssen Komponenten nachträglich abgeschirmt oder das Design des Prototypen geändert werden. Das ist ein kostenintensiver und langwieriger Prozess, der die Markteinführung eines Produkts verzögert.

Simulation als Ausweg

Damit Hersteller erst gar nicht in diese missliche Lage kommen, entwickeln die Forschenden am SAL gemeinsam mit Industriepartnern eine Simulationslösung, mit der mögliche Schwachstellen vorab entdeckt werden können. Da es diverse Wege gibt, wie Komponenten gebaut werden können, soll das Forschungsprojekt PREMI (Pre-Estimation of Electromagnetic Interferences) unter anderem ein ideales Design für möglichst geringe Störungsanfälligkeit, aber auch optimale Kosteneffizienz vorschlagen, erklärt Herbert Hackl, ebenfalls Teil von Auingers Forschungsteam.

Gerade bei E-Autos liegt das Problem durch die verbaute Leistungselektronik auf der Hand. Hier muss Strom ständig gewandelt werden, von Wechselspannung zu Gleichspannung und wieder zurück. Das ist nötig, um die Gleichstrombatterie aus dem mit Wechselspannung betriebenen Netz aufzuladen. Aber auch der E-Motor funktioniert mit Wechselspannung. Der Inverter kommt also auch zum Tragen, um den Drehmoment und die Drehzahl des Motors anzusteuern. Beim Rekupieren, also der Rückgewinnung von Energie beim Bremsen, muss erneut gewandelt werden.

Beleuchtung innen
Auch in der Beleuchtung spielen effiziente Schaltungen eine wichtige Rolle.
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"Da bei diesen Vorgängen viel Strom fließt und sehr schnelle Schaltungen benötigt werden, werden funktionsbedingt starke elektromagnetische Störungen erzeugt", erklärt Auinger. Auf der anderen Seite seien viele sensible Sensoren zum Teil in nächster Nähe verbaut, die von diesen Störungen negativ beeinflusst werden können. Viele der Kabelstränge gehen direkt unter dem Fahrersitz durch. Deren elektromagnetisches Feld kann also auch heikle Funktionen wie Schaltung, Lenkrad, oder eben den Airbag beeinflussen.

Auch in Lichtindustrie wichtig

Ein ähnliches spannendes Betätigungsfeld neben der Autobranche – als Industriepartner konnte Magna gewonnen werden – ist die Beleuchtungsindustrie. So arbeitet das 2018 gegründete Forschungszentrum, zu dessen Gesellschaftern unter anderem das Klimaschutzministerium und der Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI) zählen, im Rahmen des Forschungsprojekts auch mit dem zur Zumtobel Group gehörenden Beleuchtungshersteller Tridonic zusammen.

Denn auch beim Thema Licht geht es viel um effiziente Umwandlungen und schnelle Schaltvorgänge. Je energieeffizienter die Vorgänge, desto schwieriger ist es, die elektromagnetische Verträglichkeit in den Griff zu bekommen. Ein bisschen Zeit für entsprechende Lösungen haben die Forschenden am SAL aber noch: Das Forschungsprojekt PREMI läuft bis Ende Juni 2024. (Martin Stepanek, 25.2.2024)