Eines war Thomas Schmid wohl klar, als er am 21. Juni 2022 den Außensitz der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in Graz betrat: Bald würde für ihn nichts mehr wie früher sein. Schmid hatte vor auszupacken – und das tat er in mehreren Einvernahmen im Sommer 2022 auch. Nicht nur Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und der schwarze Klubchef August Wöginger wurden von Schmid belastet, auch gegen die Unternehmer René Benko, Siegfried Wolf und Ronny Pecik präsentierte der frühere Generalsekretär im Finanzministerium schwere Vorwürfe.

Schmids Glaubwürdigkeit wurde von Beginn an angegriffen: Kurz präsentierte im Herbst 2022 das Transkript eines Telefonats mit Schmid, das er heimlich aufgezeichnet hatte. Das Gespräch sollte zeigen, dass Schmid dem Ex-Kanzler zum Aufnahmezeitpunkt im Herbst 2021 keinerlei Vorwürfe gemacht habe und angeblich nicht gewusst habe, was rund um die Causa Inserate strafrechtlich relevant sei.

Ex-Öbag-Chef Schmid bei seiner Aussage im Kurz-Prozess.
APA/HELMUT FOHRINGER

Jetzt, im Frühjahr 2024, haben mehrere Beschuldigte eine neue Offensive gegen Schmid gestartet. Im Prozess rund um den Vorwurf der Falschaussage hatte Otto Dietrich, Anwalt von Sebastian Kurz, ja Schriftsätze offenbart, die Schmid in ein schlechtes Licht rücken sollten. Zwei russische Manager hatten darin bestätigt, ein Vorstellungsgespräch mit dem Ex-Chef der Staatsholding Öbag geführt zu haben, in denen er ihnen von Druck seitens der Ermittler erzählt und etwaige Falschaussagen seinerseits angedeutet habe.

"Inkonsistenz"

Vor Gericht wollte das einer der Manager so nicht wiederholen: Schmid habe nicht explizit gesagt, er würde die Staatsanwaltschaft anlügen; das sei vielmehr durch dessen andere Aussagen angedeutet worden. Zudem räumte der Mann ein, beim Verfassen der Schriftsätze von Kurz-Anwalt Dietrich unterstützt worden zu sein. Neu präsentiert wurde an dem Verhandlungstag Schmids Lebenslauf, den er den Managern übermittelt haben soll – mitsamt einer Passage, er habe als Sprecher des Außenamts bei einer Geiselbefreiung mitgewirkt. Ein Punkt, den die Kurz-Verteidigung in ihrem Abschlussplädoyer wohl als Beleg für Übertreibungen durch Schmid ansprechen wird.

Schmids Aussagen vor Gericht hinzuziehen will nun auch die Verteidigung von ÖVP-Klubchef Wöginger. Ihm wird vorgeworfen, bei Schmid rund um die Leitung eines Finanzamts in Oberösterreich interveniert und ihn somit zum Amtsmissbrauch angestiftet zu haben. Wögingers Anwalt Michael Rohregger sieht nun "Inkonsistenzen" zwischen Schmids Aussagen vor der WKStA und jenen vor Gericht in der Causa Kurz.

Bei Letzteren habe Schmid dem Finanzministerium eine zentrale Rolle im politischen Arbeitsumfeld attestiert, bei der Beschuldigteneinvernahme in der Causa Wöginger hingegen seine eigene Position als klein und unbedeutend dargestellt. Das sei ein "nicht aufzulösender Widerspruch", weshalb Rohregger die Gerichtsprotokolle zum Kurz-Verfahren als Beweismittel in den Wöginger-Ermittlungen heranschaffen will.

Mehr Chats verlangt

"Erhebliche Zweifel" an Schmids Glaubwürdigkeit äußert erneut auch Norbert Wess, Verteidiger des Unternehmers Ronny Pecik. Dem hatte Schmid Bestechung vorgeworfen: Mit der Ausleihe von Autos und der Vermittlung von Maßanzügen habe Pecik sich Einfluss bei Schmid und somit beim Finanzminister sichern wollen, behauptete der potenzielle Kronzeuge.

Schmid hatte ursprünglich ausgesagt, dass die Autoausleihen durch Pecik diskret beziehungsweise heimlich erfolgt seien. Doch aus Zeugeneinvernahmen ging nun hervor, dass ein Bekannter von Schmid teils selbst Autos von Pecik abgeholt hatte. In einem Chat schrieb der Mann auch, "Ronny wäre einfacher" als eine Ausleihe bei einem gewerblichen Anbieter. All das widerspreche den Aussagen von Schmid, schreibt Wess in einem Schriftsatz an die WKStA. Er fordert, dass die Ermittler die Chats zwischen Schmid und einigen seiner Freunden auswerten, um zu prüfen, wie offen Schmid mit Peciks Autoausleihen umging.

Diese Chats seien auch geeignet, die ehemalige Familienministerin und Demoskopin Sophie Karmasin "massiv zu entlasten", schreibt Wess – auch Karmasin ist seine Mandantin. Sie war rund um Scheinangebote an Ministerien verurteilt worden, am 6. März findet die Berufungsverhandlung vor dem Obersten Gerichtshof statt.

Schmid selbst hat sich zu diesen Vorwürfen medial nicht geäußert. Sein Verteidiger Roland Kier ist bekannt dafür, nur mit den zuständigen Justizbehörden zu kommunizieren. Am Freitag soll der frühere Öbag-Chef jedenfalls noch einmal im Kurz-Prozess aussagen. Später dürfte sein Geständnis vor allem für die Causa Inserate relevant sein. Ob Schmid den Kronzeugenstatus tatsächlich erhält, ist noch unklar – der entsprechende Antrag wird noch geprüft. (Fabian Schmid, 18.2.2024)