Vor kurzem konnte ich meine Mutter, seit ein paar Jahren im Ruhestand, wieder einmal nicht erreichen. Diesmal geriet ich jedoch zum ersten Mal in Panik und machte über das Gemeindeamt ihres Wohnorts die Telefonnummer der Nachbarin ausfindig.

Der Anruf bei ihr brachte aber die Entwarnung: Meine Mutter hatte nur ihr Handy verlegt. Ich bin nicht mehr nur der Sohn, sondern jetzt ein Angehöriger, der sich Sorgen macht und hofft, dass die Eltern gut durch die dritte Lebensphase kommen.

Pflege
Viele Menschen werden im Alter weiterhin Unterstützung und Betreuung benötigen. Diese Arbeit werden Personen machen, die hoffentlich dafür in Zukunft mehr Wertschätzung (und bessere Bezahlung) bekommen als heute.
dpa / Sebastian Gollnow

Die aktuelle Debatte um den "Pflegenotstand" – so berechtigt sie ist – verstärkt mein Gefühl der Verunsicherung. Ältere Menschen erzählen mir, dass sie den Eindruck haben, nur noch als Belastung wahrgenommen zu werden.

Wie bleiben sie selbstwirksam?

Wir sollten wagen, ganzheitlicher über die zentralen Fragen des Altwerdens nachzudenken: Was braucht es, um würdevoll zu altern, und wie gelingt ein sinnerfülltes Leben? Alte Menschen sind Individuen mit wertvollen Ressourcen und Erfahrung! Wie bleiben sie im Alter gesund, wie wollen sie wohnen, und wie bleiben sie selbstwirksam?

Das Gesundheitswesen kümmert sich um uns, wenn wir krank sind, und dafür gibt der Sozialstaat viel Geld aus. Aber bräuchten wir nicht mehr Institutionen, die uns dabei unterstützen, gesund zu bleiben, und deren Leistung darin besteht, uns so lange wie möglich von Krankenhäusern und Pflegeheimen fernzuhalten? Diese Art von Präventionsarbeit verlangt neue politische Anreize und andere Leistungen.

Einsamkeit macht krank

Auch Einsamkeit, das ist wissenschaftlich belegt, macht krank. Sie ist so schädlich wie das Rauchen von 15 Zigaretten am Tag, das berechneten Forscher der Universität Utah. Viele Seniorinnen und Senioren in unserem Land vereinsamen in Wohnungen und Einfamilienhäusern, die nicht für unsere Bedürfnisse im Alter gebaut sind. Wie schaffen wir integrative Wohnkonzepte, um dieser sozialen Dynamik etwas entgegenzusetzen?

Kaum eine Bevölkerung beschäftigt sich so intensiv mit der Frage, wann jemand endlich in Pension geht, wie wir in Österreich. Doch oft kommt nach dem Arbeitsleben die große Leere und Enttäuschung, teils gepaart mit finanziellen Sorgen. Diese Art von "Ruhestand" ist problematisch. Welche Möglichkeiten gäbe es, um uns im Alter den Übergang zu neuen, sinnstiftenden Tätigkeiten zu erleichtern? Das können bezahlte wie ehrenamtliche Aufgaben sein. Könnten sich ältere Menschen etwa als Mentoren und Lernbegleiterinnen in Schulen und Kindergärten einbringen? Für solche neuen Arbeitsmodelle braucht es bessere Angebote des lebenslangen Lernens und Begleitung am Übergang aus der vollen Erwerbstätigkeit.

Mehr Wertschätzung

Selbst wenn wir diese Fragen diskutieren und neue Lösungen auf den Weg bringen, wird das Thema Pflege nicht verschwinden. Viele Menschen werden im Alter weiterhin Unterstützung und Betreuung benötigen. Diese Arbeit werden Personen machen, die hoffentlich dafür in Zukunft mehr Wertschätzung (und bessere Bezahlung) bekommen als heute. Doch das Erdenken neuer Lebenskonzepte für das Alter kann uns helfen, eine ressourcenorientierte Haltung zu entwickeln und die vorherrschende Verunsicherung in der Gesellschaft zu mildern. (Philippe Narval, 19.2.2024)