Motorenfertigung im BMW-Werk in Steyr in Oberösterreich.
Auch das Motorenwerk von BMW in Steyr muss sich als Standort innerhalb des bayerischen Konzerns laufend bewähren und behaupten.
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Wien – Der französische Autozulieferer Forvia streicht in den kommenden fünf Jahren bis zu 10.000 Arbeitsplätze. Insgesamt seien im Rahmen des Sparprogramms "EU-Forward" 13 Prozent der Stellen betroffen, teilte der Konzern am Montag mit. Großangelegter Personalabbau ist offenbar nicht vorgesehen, man will damit durchkommen, dass natürliche Abgänge nicht nachbesetzt werden. Mit einer Fluktuationsrate von 2.000 bis 2.500 Personen pro Jahr sollte sich das rein rechnerisch ausgehen. Man trachte, die richtigen Stellen nachzubesetzen, zitierte Reuters den Forvia-Finanzchef Olivier Durand.

Angespannt ist die Lage auch bei deutschen Automobilzulieferern. Continental etwa will in der schwächelnden Automotive-Sparte ausgerechnet in Forschung und Entwicklung die Effizienz steigern. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, soll das weltweite Forschungs- und Entwicklungsnetzwerk gestrafft werden, 1.750 Arbeitsplätze sollen wegfallen.

Pfad für Dekarbonisierung ehrgeizig

Beispiele wie diese seien für den im Umbruch befindlichen Sektor nicht untypisch, sagt der Leiter des Industriewissenschaftlichen Instituts (IWI), Herwig Schneider. Dekarbonisierung und die Umstellung hin zur Elektromobilität verändern die Gesamtstruktur der für Österreich so wichtigen Autozulieferindustrie. Aufgrund von Digitalisierung und Automatisierung bestehe ein unglaublicher Druck auf die Branchenbetriebe – obwohl rund zwei Drittel der Unternehmen nur hybrid in der Fertigung von Autokomponenten verankert sind. Sie sind also nicht vollständig abhängig von der Belieferung großer Autobauer wie Volkswagen, BMW, Mercedes oder PSA.

Trivial sei das Thema für Österreich keineswegs, sagt Schneider, allein schon deshalb, weil Zero-Emission-Vehicles (ZEV) um 40 Prozent weniger Komponenten haben als Verbrennungskraftmaschinen. "Vierzig Prozent der automobilen Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel", sagte Schneider am Montag in einem Pressegespräch der Autozulieferindustrie. In China hingegen würde nicht nur die Autoindustrie wachsen, sondern auch die Begleitindustrien.

Durch sehr differenzierte Fördermodelle in beinahe allen Weltgegenden steige der Kostendruck zusätzlich. Die USA etwa haben neben dem großzügigen Transformations- und Inflationsbekämpfungsprogramm (Inflation Reduction Act) mit Mexiko einen gut nutzbaren, vorgelagerten Markt vor ihrer Haustür. Ein Verbot von Verbrennungsmotoren sei außer in der EU nirgendwo ein Thema, ergänzte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Automotive, Dietmar Schäfer – hörbar frustriert. Erschwerend komme hinzu, dass das Aus für die Neuzulassung von Verbrennerautos 2035 nicht im Einklang mit dem Zuwachs bei Elektroautos und dem schleppenden Ausbau von Ladeinfrastruktur stehe. Es brauche deshalb Technologieoffenheit bei Unterstützungsmaßnahmen für die Transformation.

Asien, Nord- und Südamerika

Die europäische Automotive-Industrie verliere laufend an Terrain, warnt Industrieökonom Schneider. Drittländer wie Asien, Nord- und Südamerika hingegen bauten ihre Position laufend aus. Als wäre das nicht dramatisch genug, seien die Rahmenbedingungen in einigen europäischen Ländern auch noch besser als in Österreich. In einer vom IWI erstellten Analyse wurden Standortvorteile und -nachteile unter Beiziehung des Know-hows der Handelsdelegierten in ausgewählten Wettbewerbsländern verglichen. Diese Analyse zeigt systemische Schwächen Österreichs auf. Bei Forschung, Technologie und Innovation sei Österreich jahrzehntelang ebenso Vorreiter gewesen wie in Umwelttechnologien und der Qualifikation des Arbeitsmarkts. Mittlerweile sei dies kein Selbstläufer mehr, warnt Schneider.

Da die heimische Industrie von zwei Seiten unter Druck steht, bei Personalkosten gleichermaßen wie bei Energiekosten, sollte die Forderung nach dämpfenden Maßnahmen nicht überraschen. Die hochgesteckten Klimaziele des European Green Deal gepaart mit Lieferkettenproblemen, hohen Material- und Energiekosten sowie der immer noch hohen Inflation seien eine doppelte Herausforderung für die Branche, appellierte Schäfer an die Politik. Alternative Kraftstoffe beispielsweise kämen da zu kurz. Dabei fehle es an Ladeinfrastruktur für Elektroautos ebenso wie an europäischen Fahrzeugen. Passiere hier nichts, sei es mittel- und langfristig nicht zu verhindern, "dass österreichische Betriebe die Produktion verlagern müssen", und zum anderen sei es nötig, "die Rahmenbedingungen so verbessern, dass Unternehmen im Land investieren und somit Innovation und Wertschöpfung nicht abfließen", skizzierte Schneider. Denn mit der Produktion wandere auch Wertschöpfung ab.

Zielgerichtete Förderungen

Automotive-Experte Schäfer fordert passendere Förderungen: "Unmittelbar sollte ein spezifisches Förderregime entwickelt werden, etwa für die Erforschung und Entwicklung von Batterietechnologien und innovativen Komponenten." Er spielt unter anderem darauf an, dass EU-Instrumente wie der Net Zero Industry Act von Österreichs Autozulieferindustrie kaum genutzt werden kann, weil hierzulande weder Batterie- noch Chipwerke geplant und errichtet werden. Die EU habe auf die Förderregelungen für den Aufbau neuer Lieferketten oder Batteriefabriken in China, Kanada oder den USA bis dato keine passende Antwort gefunden, wenngleich Gesetzgebungen wie der "European Chips Act" wichtige Instrumente im Subventionswettlauf seien, die Österreich auch nützen sollte.

Ohne "deutliche Senkung der Lohnnebenkosten, Reduktion der Energiekosten, Entbürokratisierung und Bekämpfung des Fachkräftemangels" habe Österreichs Zulieferindustrie keine Zukunft. Diesbezüglich seien die Rahmenbedingungen in anderen europäischen Ländern besser. In Tschechien beispielsweise würden Initiativen gegen Fachkräftemangel implementiert, auch für weibliche oder ältere Arbeitnehmer.

Die Autozulieferindustrie erwirtschaftet in Österreich mit 81.000 Beschäftigten 28,5 Milliarden Euro an Umsatz und bringt laut IWI-Studie eine direkte Wertschöpfung von knapp neun Milliarden Euro. (Luise Ungerboeck, 19.2.2024)