Der Schritt sei nur "logisch", ätzt das linke Newsportal Mediapart: Der ehemalige Frontex-Direktor Fabrice Leggeri sei wegen der Abschiebung von Migranten in die Türkei in der Kritik gestanden – jetzt betreibe er eine Kampagne für den Rassemblement National, der ehemals Front National geheißen hatte.

Leggeri und Bardella an der Grenze in Menton.
Neo-Politiker Fabrice Leggeri (links) mit seinem Parteichef Jordan Bardella vom Rassemblement National in Menton an der italienischen Grenze.
AFP/NICOLAS TUCAT

Logisch ist auch, dass der jüngste Schritt des umstrittenen Ex-Frontex-Chefs in Paris zu reden gibt. Auf der Liste des Rassemblement National ist Leggeri prominent auf den dritten Platz gesetzt worden, womit ihm ein Platz im Europaparlament sicher scheint.

Das ist ein Zeichen, wie wichtig der "Fang" – wie sich Pariser Medien ausdrücken – für die RN-Gründerin Marine Le Pen ist. Wichtig im wahlpolitischen Sinn, wichtig aber auch als Erkenntnis, dass die früheren Vorwürfe gegen Leggeri nicht ganz aus der Luft geholt waren, sondern dass er als Frontex-Chef durchaus eine politische Agenda befolgt hatte.

Der Elsässer Leggeri (55) hatte seine Karriere in Paris als Absolvent der Eliteverwaltungsschule ENA begonnen und war im französischen Innenministerium und sodann in der EU-Verwaltung in Brüssel aufgestiegen. 2015 wurde er Direktor der europäischen Grenzschutzbehörde Frontex mit Sitz in Warschau. Seine Amtsführung weckte von Beginn an Kritik, unter anderem wurde ihm eine chaotische Personalpolitik vorgehalten. Gravierender wog der Vorwurf von Flüchtlingshelfern, er decke die griechische Polizei bei sogenannten Pushbacks, also der völkerrechtlich unzulässigen Rückschaffung von Migranten Richtung türkischer Küste.

Das europäische Antibetrugsamt Olaf startete daraufhin Ermittlungen gegen die Frontex-Direktion wegen Vertuschung behördlicher Handlungen. Die Türkei verwahrte sich ihrerseits gegen die Pushback-Politik und machte dafür Leggeri verantwortlich. Laut einer Athener Zeitung ermittelte Olaf gegen Leggeri und seinen Stabschef Thibauld de La Haye Jousselin, weil sie sich "aktiv geweigert" hätten, in der Frontex 40 Grundrechtsagenten einzustellen, wie es das neue Grenzschutzreglement der EU vorsah. Leggeri zog im April 2022 die Konsequenzen und reichte seinen Rücktritt ein. Hilfswerke reagierten mit Erleichterung, auch wenn sie erklärten, der Frontex-Direktor hätte seit langem abtreten müssen.

Danach wurde es um den umstrittenen Grenzschützer ruhig. Am Wochenende berichtete das "Journal du dimanche" in Paris überraschend, Leggeri werde bei der Europawahl im Juni für den Rassemblement National von Marine Le Pen kandidieren. Der ehemalige Frontex-Chef bestätigte, dass er den dritten Listenplatz einnehmen werde. Er wolle mithelfen, die "Überflutung durch Migration" zu bekämpfen, und der Rassemblement National habe dafür "die Pläne und die Mittel". Seinen Wechsel von der Frontex in die Politik bezeichnet er nicht als logisch, sondern als "konsequent"; denn jetzt könne er Le Pens Partei seine langjährige Erfahrung in den Bereichen Sicherheit und Migrationsmanagement zugutekommen lassen.

Rassemblement-National-Listenführer und Parteichef Jordan Bardella zeigte sich erfreut über den Zuzug eines Kandidaten, der "verfolgt worden war, weil er die Grenzen schützen wollte". Le Pen twitterte, Leggeri könne "belegen, dass die Immigration für die EU kein Problem darstellt, sondern ein Projekt".

Am Montag trat der Ex-Grenzschützer ein erstes Mal an der Seite Bardellas politisch in Aktion: In Menton an der Côte d'Azur besuchten die beiden einen Grenzposten, um hervorzuheben, dass das Hauptthema ihrer Wahlkampagne die Migration sein wird. Offenbar haben die Lepenisten damit Erfolg: In den Wahlumfragen liegt der Rassemblement National derzeit mit 29 Prozent der Stimmen weit voraus. Dem Mitte-Lager von Emmanuel Macron werden 19 Prozent Stimmen gutgeschrieben, den Sozialisten, Grünen und Unbeugsamen jeweils etwas weniger als zehn Prozent. Die Wahl selbst weckt in Frankreich bisher kaum Interesse; sie gilt aber als Barometer für die Chancen von Marine Le Pen bei den Präsidentschaftswahlen von 2027. (Stefan Brändle aus Paris, 19.2.2024)