Pro
Neulich unterhielt ich mich beim Lieblingsitaliener aus gegebenem Anlass mit einer Freundin über die Pizza Hawaii. Die sei "eh gut", sagte die Freundin. Hin und wieder sei ihr danach, dann würde sie sich eine bestellen. Nie aber – wirklich nie, niemals! – würde sie die Ananas-Pizza in einem Lokal ordern. Eher würde sie im Erdboden versinken, als öffentlich geschmacklicher Verwirrtheit gebrandmarkt zu werden, und davon – hier wurde sie sehr ernst – dürfe ich niemandem erzählen. Ich bekam ein bisschen Angst vor ihr.
Mich beschäftigte das. Foodshaming kannte ich bisher nur als Mobbing mit Lebensmitteln. Peinliche Essensvorlieben waren mir hingegen nicht bekannt und finde ich komisch. Als eine, der kaum etwas peinlich ist, oute ich mich: Ich mag Käsebrot mit Marmelade, ich mag Pizza Hawaii und wüsste nicht, warum ich mich dafür schämen sollte. Vielleicht frage ich einmal den Lieblingsitaliener. Ich vermute, er könnte etwas wissen. Die Pizza Hawaii gibt’s bei ihm als "Pizza turistica". (RONDO, Doris Priesching, 28.2.2024)
Kontra
Als jemand, der sich tagtäglich mit Essen beschäftigt, bin ich exotischen wie unpassend anmutenden Geschmackskombinationen nicht abgeneigt. Speisen dürfen funky sein, Küchen sollen ausprobiert werden, Köchinnen neue Aromaverschmelzungen kreieren. Mozzarella im Cocktail? Okay, weird, aber schütte ich mir rein. Pommes, eingetunkt in Eiscreme? Kann man schon mal machen! Aber bei Ananas auf einer Pizza sträubt sich mein Körper, das als spannende Kreation anzuerkennen. Es zieht ihn zusammen, als wäre er von einem Dämon besessen. Die Pizza Hawaii ist das Kruzifix.
Es ist nicht einmal die Süße, vor der es mich graust. Viel mehr ist es die Konsistenz der durchgewärmten Frucht. Warmes Obst hat bei mir ohnehin keinen Platz auf dem Speiseplan. Warmer Apfelstrudel kommt mir zum Beispiel nicht auf den Tisch. Einzig Heiße Liebe ist in Ordnung. Etwas, was ich für die Pizza Hawaii bei Lebzeiten nicht empfinden werde. (RONDO, Kevin Recher, 28.2.2024)