Zusammen mit Kopfhörern kann man sich perfekt aus der realen Welt ausklinken.
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Lesen Sie diese Zeilen gerade auf dem Smartphone? Wenn ja, war es sicher einer der ersten Handgriffe an diesem Tag. Die Gründe dafür, regelmäßig und oft zum Handy zu greifen, sind bei uns Menschen oft dieselben, aber bei jedem auch ein bisserl anders. Wer Kinder hat, schaut schnell nach dem Wetter, andere checken ihre Social-Profile oder aber steigen schnell in ihr Social-Game ein, um die täglichen Belohnungen abzuholen.

Ich habe einmal gezählt, wie oft ich täglich zu welchen Apps greife, und verglichen, was ich früher – vor der Smartphone-Ära – dafür hätte tun müssen. Meine Frau schimpft mich nämlich regelmäßig, warum ich das dumme Ding ständig in den Pfoten halte. Aber ich mache halt auch wirklich alles drauf – und Ihnen wird es wohl nicht viel anders gehen, speziell wenn Sie so ein junger Hüpfer der Gen X sind wie ich.

1. Das Wetter

Früher hätte man aus dem Fenster geschaut, das Außenthermometer beäugt oder kurz den Teletext angeworfen. Heute gilt der erste Blick aufs Handy oftmals einer der zahlreichen Wetter-Apps, die mehr oder weniger zuverlässig sagen, wie der Tag denn so wird. Aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen, die Wetter-App auf dem iPhone taugt dazu eher nicht. Offenbar wird hier ein Mittelwert aus dem Wetter in Cupertino und dem am tatsächlichen Ort der Abfrage gewürfelt.

2. Social Media

Den Teil könnte man je nach Tagesverfassung, Geburtsjahr und Jahreszeit auch auf mehrere Punkte aufteilen, aber für mich ist der Ablauf meist X (Sie wissen schon, vormals Twitter) und Tiktok. Bei dem einen wundere ich mich, wie viel Hass eine Plattform erträgt, und bei der anderen, in welche Schublade ich laut Algorithmus gehöre. Früher hätte ich alternativ wohl das Radio aufgedreht, wo zwei Berufsjugendliche mit viel Hingabe um gute Stimmung kämpften.

3. News-Seiten

Wird meine Story im Online-STANDARD gut gelesen, und wie viel Beleidigungen gibt es heute? Welche politische oder wirtschaftliche Tragödie spielt sich gerade in Österreich und über dessen Grenzen hinaus ab? Früher war ich Papierabonnent, heute lese ich online. Selbstverständlich diese Zeitung hier, die auch Sie gerade genießen, und dazu noch englischsprachige Tageszeitungen, aber vor allem Fachmedien, die sich mit Technik, Games und Netzpolitik beschäftigen.

4. Gaming

Früher musste ich den PC oder die Konsole aufdrehen, um meiner Leidenschaft zu frönen. Heute starte ich auf dem Handy zum Beispiel "Marvel Snap" und spiele zum Start in den Tag ein paar Runden. Nein, natürlich nicht auch auf dem WC. Wo denken Sie hin?

5. Mails

Ich habe gezählte sechs Mailadressen, die ich aus den unterschiedlichsten Gründen angelegt oder zugewiesen bekommen habe. Die werden relativ früh am Tag abgegrast, sei es aufgrund von Arbeitsmails, Newslettern oder Versandbestätigungen. Früher hätte ich mich für diese Tätigkeiten mühsam zum PC vorarbeiten müssen. Danke vielmals an die technische Weiterentwicklung.

6. Messenger

Auch Messenger gibt es selbstredend mehrere auf meinem Smartphone. Besonders voll sind die meisten davon um 6.30 Uhr noch nicht, aber da ich früher schlafen gehe als viele meiner Freunde und Bekannten, finden sich hier zumindest manchmal diverse Memes, längere Diskussionen zu diversen Kinder- und Freizeittopics und natürlich so mancher Link, den es anzuklicken gilt. Musste man das früher alles in Telefonaten klären? Leute treffen? Absurd.

7. Podcasts

Das Radio haben in meinem Leben Spotify und andere Podcast-Apps abgelöst. Gerade höre ich unter anderem "Mesut Özil: Zu Gast bei Freunden", eine schöne journalistische Aufarbeitung zu einem der am meisten diskutierten Nationalspieler Deutschlands. Hinzu kommen zahlreiche Podcasts, etwa "Vergecast", die wundervollen Formate des STANDARD oder auch der Crime-Podcast meines Kollegen Zellinger "Mörderisches Österreich". Musste ich mich zur Privatradiorevolution 1998 erstmals zwischen mehreren Radiostationen entscheiden, ist das Angebot bei Musikstreamingservices mittlerweile nicht mehr zu bewältigen. Ich versuche es trotzdem.

8. Videostreaming

Sollte ich nach den diversen Morgenritualen in der U-Bahn auf dem Weg zu einem Termin sein, werfe ich Disney+ oder Amazon Prime Video an. Die halbe Zugfahrt suche ich dann nach etwas, das mich interessiert, schaue fünf Minuten ebenjene Serie an und steige dann wieder aus dem Verkehrsmittel. Zum Einschlafen wiederhole ich das Prozedere manchmal, nur dass ich dann nicht aus dem Bett aussteige, sondern einschlafe. Früher habe ich in diesen Ruhezeiten einfach einmal die Seele baumeln lassen.

9. Essensbestellungen

Essen ist teuer geworden, und die Essenslieferanten – also die Unternehmer, nicht die Menschen auf den Fahrrädern – nehmen diese Preisgestaltung elegant mit. 40 Euro für zwei Menüs, inklusive Servicegebühr, Liefergebühr, Stäbchengebühr und was den Leuten sonst so einfällt. Ich habe diese Tätigkeit deshalb stark reduziert, aber gelegentlich nutze ich diese Services noch. Die Flyer, die jeder Lieferant mitbringt, zumindest von den Läden, die selbst ausliefern, werfe ich dann immer weg. Früher habe ich sie noch an meine Pinnwand gesteckt und so mit Pizza-Stockfotos mein Zimmer dekoriert.

10. Fitness

Egal ob Smartwatch oder Smartphone, alle versuchen, mich regelmäßig daran zu erinnern, es einmal mit Bewegung zu versuchen, anstatt nur faul vor dem Schreibtisch rumzugammeln. "Steh auf", werde ich da rüde darauf hingewiesen, dass meine Schrittzahl auch heute wieder an jene eines Bettlägerigen erinnert. Ich drücke die meisten Nachrichten weg, genau wie die Frage nach meinem Gefühlszustand. "Handysüchtig" kann man in der App nämlich nicht anwählen.

11. Verkaufsapps

Wieder einmal auf der Suche nach einem günstigen Kinderrad oder dem richtigen Käufer eines alten Ikea-Regals. Hat man etwas auf Willhaben und Co zu tun, bleibt der regelmäßige Blick aufs Smartphone unausweichlich. "Letzte Preis?" "Noch da?" Gut, man sucht ja nicht nach Höflichkeitsfloskeln, sondern nach Käufern und Verkäufern. In jedem Fall ist das Platzieren von Anzeigen einfacher geworden, als im "Bazar" eine Anzeige zu schalten. Zum Durchlesen war die Zeitung damals aber schon sehr unterhaltsam.

12. Smarthome

Es dämmert, und ich bin ein Mann der Technik. Also gehe ich nicht zum Lichtschalter wie normale Menschen, sondern starte die Wohnzimmerbeleuchtung mit der dazugehörigen App. In einer anderen Anwendung checke ich die Temperatur in den einzelnen Räumen und justiere aufgrund des hohen Aufkommens an nasser Wäsche in meinem Arbeitszimmer nach. Hier musste ich mich früher bücken, um die Heizung aufzudrehen. Irgendwie fühlt es sich an, also ob Apps in dieser Aufzählung oftmals Bewegung reduziert haben.

13. Bank-Apps

Wurde das Gehalt schon überwiesen, oder ist das Monat wieder länger als jenes davor? Habe ich die Kreditkartenabrechnung schon bekommen? Der Blick in die Bank-Apps gehört vielleicht nicht jeden Tag dazu, aber immer wieder. Vor allem wenn man einmal etwas braucht und dann wirklich niemand bei der gesuchten Bank erreichbar ist. Zumindest muss ich nicht mehr zu einem Schalter gehen, um dort nach einem Termin zu fragen.

14. Handyparken

Parkscheine waren schon ein Graus, aber Handyparken via App ist nicht viel besser. Abgesehen davon, dass ich regelmäßig auf die Aktivierung vergesse, ist das Konto sehr schnell aufgebraucht. Die Nachricht, dass die Preise der Parkscheine wieder einmal erhöht wurden, kommen unangenehm regelmäßig. Zumindest habe ich sie immer dabei und muss nicht wie früher eine Trafik suchen. Parkautomaten sind in Wien nämlich damals wie heute eher Mangelware, genau wie eine sinnvolle Kennzeichnung von parkscheinpflichtigen Gebieten. Gut, Letzteres wurde ja vor wenigen Jahren behoben, indem jetzt überall gezahlt werden muss.

15. Maps

Egal ob Lokalbesuch oder persönlicher Interviewtermin, ganz oft suche ich in Google Maps nach dem Ziel und lasse mir anzeigen, wie lange die Reise dauern wird. Vorbei die Zeiten, wo man sich verfahren hat oder zu spät gekommen ist. Als Mensch ohne Orientierungssinn feiere ich diese Erfindung fast noch mehr als die Entdeckung elektrischen Lichts. Auch auf längeren Reisen keine aufklappbare Landkarte mehr mitnehmen zu müssen oder sich im Ausland ähnlich sicher zu bewegen wie im eigenen Grätzl halte ich für eine Evolution fast ohnegleichen.

16. Reisen

Egal ob Taxi rufen oder Flüge buchen – vieles davon passiert mittlerweile auf dem Smartphone. Wie es früher war, weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr. Irgendwo im ersten Bezirk um 1.30 Uhr auf ein Taxi warten war in jedem Fall nicht immer nur angenehm. Die Zeiten sind Gott sei Dank vorbei. Bei mancher dieser Apps kann ich mich jetzt sogar schon vor der Fahrt von den Kosten negativ vor den Kopf gestoßen fühlen. Service pur.

17. Schnell nachschauen

Früher musste man oftmals nachdenken, wenn einem ein Lied, ein Name oder das Geburtsdatum der Schwiegermutter nicht eingefallen ist. Heute aktiviert man Google, den Kalender oder sonst etwas, und schon hat man die Antwort. Denken war gestern.

18. Telefonieren

Haha, ich mach nur Spaß.

19. Alles noch einmal

Natürlich besucht man viele dieser Apps mehrfach am Tag ... Ich habe gestern einmal gezählt. 112-mal habe ich zum Handy gegriffen. Einmal davon habe ich telefoniert.

20. Kalender

Der Blick auf den Kalender ist allgegenwärtig geworden. Spätestens als Familienvater gilt es die Termine so zu koordinieren, dass das Privatleben nicht unter die Räder gerät. Arzttermine, Afterworks oder Familie treffen, alles muss fein säuberlich eingetragen werden. Deshalb ist es auch so schwierig geworden, sich spontan mit Freunden etwas auszumachen. Alle sind busy, eingeteilt und gestresst. Diesen Zustand zu beenden – das wäre einmal eine App wert. (Alexander Amon, 21.2.2024)