Meine Erinnerung an Transnistrien ist keine angenehme. Ich befand mich auf einer Zugreise von Odessa in die moldauische Hauptstadt Chișinău, und die Bahn durchquerte den seit dem Bürgerkrieg im Jahr 1992 von Moldau abgespaltenen Landesteil.

Bis heute wird die "Republik" Transnistrien von einem Mafiaclan regiert und von Russland, das weiterhin Soldaten im Land stationiert hat, gesteuert.
IMAGO/Diego Herrera

Meine Mitreisenden waren Marktfrauen, die regelmäßig ihre landwirtschaftlichen Produkte in Odessa verkauften. Es war bereits Abend, als die Diesellok in Transnistrien aufgehalten wurde und mich zwei Soldaten in alter sowjetischer Uniform aus dem Zug holten. Nach der Kontrolle meines Reisepasses behaupteten sie, mir fehle ein Stempel ihrer Regierung und ich könne nicht weiterreisen. Ich hatte kein gutes Gefühl, denn wie sollte ich mit Leuten verhandeln, die für einen Staat arbeiten, der offiziell nicht existiert? Am Ende gelang es mir, die Männer in gebrochenem Russisch davon zu überzeugen, dass ich kein Bargeld, sondern nur eine Kreditkarte hätte. Sie ließen mich ohne Schmiergeldzahlung wieder in den Zug steigen, was mir den freudigen Applaus meiner Mitreisenden einbrachte.

Politischer Sprengstoff

Obwohl diese Episode schon eine Zeit zurückliegt, wird die "Republik" Transnistrien bis heute von einem Mafiaclan regiert und von Russland, das weiterhin Soldaten im Land stationiert hat, gesteuert. Auf dem Territorium befindet sich das größte, noch aus der Sowjetzeit stammende Munitionsdepot in Osteuropa, welches mit hunderten Tonnen Sprengstoff ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellt. Politischer Sprengstoff wurde letzte Woche in der Hauptstadt Tiraspol gezündet. Dort wandte sich eine Delegiertenversammlung an Russland mit dem Appell, "angesichts des zunehmenden Drucks der Republik Moldau Maßnahmen zum Schutz Transnistriens zu ergreifen".

Dass der kleine Landstreifen an der Grenze zur Ukraine damit internationale Aufmerksamkeit erregt, sollte nicht überraschen. Vom Kreml orchestrierte Resolutionen aus abtrünnigen Gebieten mit einer russischsprachigen Bevölkerung verheißen erfahrungsgemäß nicht Gutes.

Gezielte Störaktionen

Russland nutzt Transnistrien, um die Region weiter zu destabilisieren. Viele meiner moldauischen Bekannten sind überzeugt, dass ihr Land das nächste Opfer eines Angriffskriegs sein könnte. Sie sind sich dessen bewusst, dass es Wladimir Putin nicht nur um die Ukraine, sondern um die Wiederherstellung eines großrussischen Reiches geht, und sitzen auf gepackten Koffern. Putin, ein Meister der psychologischen Kriegsführung, wird versuchen, über gezielte Störaktionen in oder aus Transnistrien weiter Druck aufzubauen oder vielleicht sogar eine Aufnahme Transnistriens in die Russische Föderation voranzutreiben, immer unter dem Vorwand, man schütze eine russische Minderheit. In dieser Konfliktsituation hat die Republik Moldau einen Vorteil: Ihre demokratische, progressive Regierung hat im letzten Jahr den EU-Kandidatenstatus für das Land erreicht. Die Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union sollen noch in diesem Sommer beginnen und bis 2030 abgeschlossen sein.

Eine solche Geschwindigkeit im Aufnahmeprozess wäre noch vor ein paar Jahren undenkbar gewesen. Jetzt heißt es für beide, die Europäische Union und Moldau, sich ja nicht durch imperialistische Einschüchterungsversuche Russlands von diesem Weg abbringen zu lassen. (Philippe Narval, 4.3.2024)