Alte Frau glücklich
Menschen über 60 sind die Zielgruppe von Community-Nursing – sei es weil sie pflegebedürftig sind oder sich vorsorglich informieren wollen.
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Der Pflegekräftemangel ist in aller Munde. Auch Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner sind Mangelware. Das merkt man vor allem im ländlichen Bereich. Um die prekäre Situation zu entschärfen, gibt es in vielen Ländern sogenanntes Community-Nursing. Dabei handelt es sich um eine diplomierte Pflegeperson, die in einer Gemeinde oder einer Region als zentrale Ansprechperson für Pflege- und Gesundheitsfragen fungiert. In Österreich ist das Berufsbild noch völlig neu. Erste Pilotprojekte mit EU-Förderung sind bereits gestartet, etwa im Burgenland.

Pflegeprofi für die Gemeinde

"Hier im Burgenland, besonders am Land, gibt es generell eine hohe Überalterung und auch viele ungesunde ältere Menschen. Dem soll die Etablierung einer Community-Nurse entgegenwirken", erklärt Ute Seper. Die Public-Health-Expertin, die im Department Gesundheit an der FH Burgenland lehrt, betreut aktuell ein Pilotprojekt, in dem das Konzept von Community-Nursing in Österreich erprobt und evaluiert wird. Die verantwortliche Person ist als Vollzeitstelle für etwa 5.000 Menschen der Gemeinden Oberschützen und Bad Tatzmannsorf im Südburgenland zuständig. Das Angebot richtet sich speziell an Personen über 60 Jahren, die pflegebedürftig sind oder sich vorsorglich informieren wollen.

Ihr Büro hat die Community-Nurse auf der Gemeinde, wo Sprechstunden in Anspruch genommen werden können. Sie macht aber auch Hausbesuche. "Wenn Personen nicht mehr mobil sind, werden sie vor Ort besucht. Die Community-Nurse kann so die Situation einschätzen und erkennen, was die Bedürftigen benötigen. Sie steht aber auch den pflegenden Angehörigen beratend zur Seite", erklärt Seper. Zu ihren Aufgaben gehört außerdem, die aktuelle Lebenssituation und den Gesundheitszustand der Bevölkerung zu erheben. Welchen Pflegebedarf und welche Angebote gibt es?

Zentrale Schnittstelle

Die Community-Nurse ist laut Seper nicht als Konkurrenz zu bestehenden Pflegeangeboten gedacht, sondern als zentrale Ansprechperson und Brückenbauerin in der Gesundheits- und Pflegeversorgung. "Sie soll verbinden, vernetzen und Kontakte weitergeben, etwa für Angebote wie Physio- und Ergotherapie oder Essen auf Rädern. Und besonders Hausärzte sind eine wichtige Drehscheibe als Vermittler", sagt Seper. Weiters organisiert sie Infoveranstaltungen, wo Gesundheitsthemen mit der Zielgruppe diskutiert, aber auch Anbieter für Gesundheitsdienste eingeladen werden.

Pflege ältere Person Hand
Pflegekräfte- und Ärztemangel treffen vor allem den ländlichen Raum schwer.
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"Wir haben uns auch gefragt: Wie erreichen wir die Menschen sonst noch? Wir haben durch eine Umfrage feststellen können, dass die Gemeinde hier eine wesentliche Rolle einnimmt", erklärt die Gesundheitsexpertin. Auch die Gemeindezeitung sei ein wichtiges Kommunikationsmedium, aber auch Folder. Online-Infos und aktuelle Veranstaltungen runden das Infoangebot ab. Bei der Kernzielgruppe im Alter von 60 aufwärts seien zudem mündliche Empfehlungen besonders wichtig. Zu den übergeordneten Projektzielen gehört, dass Menschen im Alter möglichst lange im eigenen Zuhause bleiben können. Auch die Prävention und also das Stärken der Gesundheitskompetenz seien essenziell.

Neues Berufsbild

Was das Berufsbild und die Ausbildung der Community-Nurse betrifft, herrscht in Österreich jedenfalls noch Aufholbedarf. Denn nach dem erforderlichen Bachelorabschluss gibt es noch kein konkretes Weiterbildungsprogramm. Voraussetzung für den Beruf ist zudem eine zweijährige Berufserfahrung im Pflegebereich. Das Forschungsprojekt soll dazu beitragen, das Berufsbild und die damit anfallenden Anforderungen mitzuprägen. "Das ist ein Leuchtturmprojekt, das zeigen wird, wo es mit der Versorgung hingehen kann. Wir evaluieren unsere Ergebnisse, und dann wird entschieden, ob die Etablierung einer Community-Nurse in die Regelfinanzierung aufgenommen werden soll", sagt Seper. (Pia Gärtner, 13.3.2024)