Genau vierzig Jahre trennen sie voneinander. Gernot Heschl ist 64 und geht bald in Pension. Er ist im Vorstand der VBV-Pensionskasse. Stella Indira Auer ist 24, studiert Philosophie und arbeitet als persönliche Assistenz für Personen mit Behinderung. Auf Einladung des STANDARD trafen sie sich an einem Freitagmorgen im Restaurant Salonplafond.

Das Thema der Diskussion: Wie groß sind die intergenerationellen Unterschiede wirklich in Bezug auf den Job? Ab und zu wurden die beiden gebeten, ihre Antworten zuerst auf einen kleinen Zettel zu schreiben und dann gleichzeitig hochzuheben. Wie oft waren sie von den Antworten des anderen überrascht? Ein Gespräch über Ängste, Utopien und sich änderende Blickwinkel auf das Berufsleben.

Portrait von Stella Indira Auer
Stella Indira Auer (24) studiert Philosophie und arbeitet Teilzeit bei der WAG-Assistenzgenossenschaft.
Lea Sonderegger

STANDARD: Zwei Aufwärmfragen: früher Vogel oder Nachteule?

Beide notieren auf ihren Zettel: Nachteule.

STANDARD: Fünf- oder Viertagewoche?

Heschl: 40 Stunden auf vier Tage aufgeteilt.

Auer: 35 Stunden auf vier Tage aufgeteilt.

STANDARD: Ist das jeweils Wunsch oder Realität?

Auer: Tatsächlich arbeite ich 20 Stunden, aber würde gerne aufstocken nach dem Studium. Vier Tage zu arbeiten finde ich aber wesentlich angenehmer als fünf.

Heschl: Mein Wunsch wäre es, an vier Tagen 40 Stunden zu arbeiten. Aber die Realität als CEO sieht etwas anders aus – es geht eher Richtung 60-Stunden-Woche inklusive Wochenende.

STANDARD: Auffällig ist, dass sich Ihre Wunschstundenzahl unterscheidet.

Auer: Ich habe 35 Stunden aufgeschrieben, weil ich bei einer 40-Stunden-Woche merkte, dass ich nur noch wenig Energie für meine arbeitsfreie Zeit übrig hatte.

Heschl: Tatsächlich habe ich 40 Stunden aus Gewohnheit aufgeschrieben.

STANDARD: In die Zukunft gedacht: Werden Sie mit Ihrer jeweiligen Pension auskommen?

Heschl: Ja. Ich erinnere mich aber auch, dass ich mich als junger Mensch auch nur mäßig für das Thema Vorsorge interessiert habe. Die momentane Situation bereitet mir aber Kopfzerbrechen. Immer weniger junge Leute müssen für immer mehr alte Leute bezahlen. Es gibt Lösungen, aber dafür müssen wir in einen vernünftigen, vollen Dialog treten. Und dazu braucht man auch die Politik.

Auer: Ich bin mir nicht sicher, ob meine staatliche Vorsorge ausreichen wird. Es ist eine schwierige Frage, ob man das wenige Geld jetzt ausgibt oder nicht. Wenn man in die Zukunft investiert, braucht man Vertrauen, dass sich das auch auszahlt. Die Angst, die mit klimatischen Veränderungen verbunden ist, erschwert es, sich überhaupt noch ein nettes Leben in hohem Alter vorzustellen.

STANDARD: Welche drei Dinge müsste der Arbeitgeber bieten, damit Sie den Job gerne machen?

Heschl: Die Ziele müssen klar definiert sein. Die Position sollte darüber hinaus zulassen, Neues schaffen zu können. Die Welt ändert sich gerade in einem rasanten Tempo. Das erleben die Jungen stärker als früher meine Generation in dem Alter, denke ich. An dieser schnellen Veränderung möchte ich teilhaben. Deshalb sollte für mich das Arbeitsumfeld dynamisch sein. Das entspricht auch einfach meinem Naturell.

STANDARD: Bei Ihnen sehe ich ganz andere Worte auf dem Zettel notiert, Frau Auer.

Auer: Ja, tatsächlich. Und zwar Wertschätzung, Ehrlichkeit und Sinndemonstration. Ich arbeite in einer nicht so hoch angesehenen Position wie Sie, Herr Heschl, und mache das aber auch gerne. Damit ich weiterhin im Job Freude habe, erwarte ich mir von dem Arbeitgeber eben Wertschätzung – gekoppelt mit Ehrlichkeit. Unter Sinndemonstration verstehe ich, dass ich sowohl das Gefühl habe, einen echten Beitrag zum Unternehmen zu leisten, als auch, dass der Arbeitgeber meinen Beitrag zum Unternehmen sieht und wertschätzt.

STANDARD: Das deckt sich mit großen Umfragen in der Generation Z. In diesen wird allerdings auch gesagt, jungen Menschen seien Sicherheit und Geld sehr wichtig. Wie ist das bei Ihnen?

Portrait Gernot Heschl
Gernot Heschl (64) sitzt im Vorstand der VBV-Pensionskasse. Ist er ein Boomer, wie er im Buche steht?
Lea Sonderegger

Auer: Mir war Jobsicherheit und monetäre Absicherung früher am allerwichtigsten. Gleichzeitig hatte ich die verträumte Utopie, wie es wäre, nie mehr arbeiten zu müssen. Endlose Freizeit. Aber ich glaube, niemand hegt nach den Erlebnissen während der Corona-Pandemie noch ernsthaft diesen Wunsch.

STANDARD: Wieso nicht?

Auer: In dieser Zeit wurde mir klar, wie frustrierend endlose Freizeit sein kann. Dadurch bin ich auch stark von der Sicherheitsfixierung durch den Job abgekommen. Stattdessen will ich mich darauf fokussieren, eine Tätigkeit auszuüben, die sinnvoll ist und mir auch Spaß macht. Und das gern, bis es wirklich nicht mehr geht.

Heschl: Das klingt nach einer sehr anderen Art der Karriereplanung, als ich sie damals betrieben habe. Ich bin in einer sehr hierarchischen Welt groß geworden. Ich wollte auch damals schon mitgestalten, und das ging nur, wenn ich mich nach oben arbeiten würde und das motivierte meine Karriereentscheidungen. Das bedingte aber auch, dass ich immer sehr viel gearbeitet habe. Vielleicht bin ich deshalb für meine Tochter ein schlechtes Vorbild, da sie gesehen hat, welchen Preis man für diese Art von Arbeit zahlt – zum Beispiel weniger Zeit für Familie und Freunde. Vielleicht will sie deshalb anders arbeiten und leben.

STANDARD: Wie oft wechselten Sie in Ihrem Leben schon den Arbeitgeber?

Heschl: Vier Mal.

Auer: Ich bisher schon zwei Mal. Schon in der Schule wurde uns gesagt, wir werden uns immer wieder umschulen und uns durchkämpfen müssen. Die Vorstellung, einer Firma loyal zu bleiben, sich hochzuarbeiten und dafür in eine Position zu kommen, wo sich jemand um dich kümmert und man auch adäquat entlohnt wird – diese Option gibt es nicht mehr für meine Generation.

STANDARD: Was ist wichtiger: Geld oder Freizeit?

Beide notieren auf einen Zettel: Freizeit.

Heschl: Je näher ich der Pension komme, desto mehr schätze ich den Wert von Freizeit. Wenn wir schon bei dem Thema sind, möchte ich erwähnen, dass ich den Ausdruck Work-Life-Balance nicht mag. Denn für mich gehört Arbeit ja zum Leben.

Auer: Klar, aber es darf nicht der Mittelpunkt sein. Ich glaube, eine ausgeglichene Work-Life-Balance ist ein nicht zu erreichendes Ideal – ja sogar gefährlich. Das kann den Druck erhöhen, nach der Arbeit, obwohl man erschöpft ist, den restlichen Tag nun auch noch "erfolgreich" und "sinnvoll" bestreiten zu müssen. Das impliziert, dass der Job einem so viel abverlangt, dass man sich danach selbst wieder heilen muss.

STANDARD: Ein anderes Thema zum Schluss: Glauben Sie, es wird zu einem Wohlstandsverlust kommen?

Heschl: Ich befürchte ja. Vor allem aufgrund der sich zuspitzenden Klimakrise und der Demografie hierzulande.

Auer: Ich bin optimistisch. Meine Generation versucht gerade, Wohlstand umzudefinieren, weg vom rein monetären Gedanken. Wenn man Freizeit und Ausgleich dazuzählt, denke ich, dass niemand Angst vor einem Wohlstandsverlust haben muss. (Natascha Ickert, 8.4.2023)