Austria-Sportdirektor Manuel Ortlechner: "Wir waren in der ganzen Saison nur ein einziges Mal unter den ersten sechs."
APA/EVA MANHART

Das Rennen um die Teilnahme an der Meistergruppe der Fußball-Bundesliga entscheidet sich am Sonntag (17 Uhr) in der letzten Runde des Grunddurchgangs. Salzburg, Sturm Graz und der LASK sind bereits durch. Das Quartett Austria Klagenfurt, TSV Hartberg (je 33 Punkte), SK Rapid (32) und Austria Wien (30) kämpft um die drei verbliebenen Tickets. Eines ist aber klar: Die Wiener Austria muss jedenfalls das Heimspiel gegen die WSG Tirol gewinnen, um noch eine Chance zu haben.

STANDARD: Die Austria ist vor dem letzten Spiel im Grunddurchgang auf fremde Hilfe angewiesen. Wie unangenehm ist die Ausgangssituation?

Ortlechner: Wir brauchen nicht rechnen oder nach Klagenfurt schauen. Wir müssen die WSG schlagen, das wird schwierig genug. Der Rest liegt nicht in unserer Hand. Man hat zuletzt in Linz gesehen, was passiert, wenn wir den Fokus verlieren. Dann wird man zum Passagier. Und am Sonntag stehen wir vor einem vollen Stadion noch mehr unter Druck.

STANDARD: Wäre das Verpassen der Meistergruppe ein schlimmer Rückschlag für den Verein?

Ortlechner: Wir waren in der ganzen Saison nur ein einziges Mal unter den ersten sechs. Und das war nach der zweiten Runde. Von einem Rückschlag könnte man also nicht sprechen, das Verpassen der Meisterrunde wäre wohl eher dem Saisonverlauf entsprechend. Wir werden alles geben. Aber sollten wir es nicht schaffen, geht es trotzdem weiter.

STANDARD: In der nicht sehr attraktiven Qualifikationsgruppe.

Ortlechner: Natürlich spielt man in der Meistergruppe gegen die namhafteren Gegner. Es erfüllt mich aber mit stolz, dass unsere Fans hauptsächlich wegen der Austria kommen, nicht wegen der Gegner. Das sieht man an den Zuschauerzahlen. Wir spielen nie vor weniger als 10.000 Fans. Wir haben die höchsten Mitglieder- und Abonnentenzahlen in der Vereinsgeschichte. Die Austria ist angesagt wie noch nie.

STANDARD: Am sportlichen Erfolg kann es nicht liegen. Woran liegt es dann?

Ortlechner: Die Fans haben erkannt, dass keine realitätsfernen Personen am Ruder sind. Das wird honoriert. Auch wenn wir unter den schwierigen Rahmenbedingungen nicht permanent vorne mitspielen können. Die Menschen sehen, dass es unter der neuen Führung einen Plan gibt.

STANDARD: Aber geht die Umsetzung nicht zu langsam voran? Von europäischen Gruppenphasen und lukrativen Transfers ist man doch ein Stück weit entfernt.

Ortlechner: Mir geht es nicht zu langsam. Den Verein neu aufzustellen benötigt Zeit, Rückschläge inklusive. Wir haben unseren Plan auf fünf Jahre angesetzt. Wir haben vieles im Verein geändert. Nehmen wir nur das Scouting im Nachwuchs her. Wenn wir heute einen neuen Typus an Spieler suchen, helfen die nicht morgen der Kampfmannschaft. Der Zug wurde ins Rollen gebracht, er soll nachhaltig Fahrt aufnehmen.

STANDARD: Wohin soll dieser Zug fahren? Wann wäre der langfristige Plan erfolgreich aufgegangen?

Ortlechner: Aufgegangen ist der Plan, wenn wir regelmäßig im Europacup spielen. Das würde ich in unserer Situation als Erfolg werten. Dafür muss man konsequent und beharrlich weiterarbeiten und nicht alles infrage stellen, wenn wir mal 30 schlechte Minuten im Derby haben.

STANDARD: Trotzdem ist es nicht der Anspruch der Austria, in der Tabelle hinter Hartberg und Klagenfurt zu stehen.

Ortlechner: Das stimmt. Wir brauchen uns aber auch nicht permanent anlügen. Die halbe Liga liegt gleichauf. Wenn jemand sagt, dass zwischen dem dritten und dem achten Platz, also zwischen dem LASK und dem WAC, Welten liegen, dann kennt er sich im Fußball nicht aus. Das zeigen auch allwöchentlich die Ergebnisse. Und so bleibt es auch für uns schwierig, gegen die WSG voll zu punkten. Es entscheiden oft Nuancen. Einzig Salzburg und Sturm punkten in der Liga regelmäßig.

STANDARD: Der Saisonstart wurde verschlafen. Warum hat es so lange gedauert, bis man Punkte einfahren konnte?

Ortlechner: Einer der Knackpunkte war sicher das dramatische Aus in der Conference League gegen Legia Warschau. Der Abgang von Haris Tabakovic ist dann auch noch dazugekommen. In Summe hat die Mannschaft lange gebraucht, um das zu mental zu verdauen. Das ist aber menschlich.

STANDARD: Jeder Verein muss Spieler abgeben. Das kann doch nicht alles ins Wanken bringen.

Ortlechner: Haris in dieser Form zu ersetzen, war ein Ding der Unmöglichkeit. Man musste sich umstellen, das Thema des Toreschießens auf mehrere Schultern aufteilen. Ich denke, das funktioniert mittlerweile wieder ganz gut. Mit der Entwicklung der vergangenen Woche und Monate kann man zufrieden sein.

STANDARD: Vor zwei Jahren wurde Marko Raguz für teures Geld zum Toreschießen geholt. Er war damals verletzt und ist noch immer nicht einsatzbereit. Wird das noch was?

Ortlechner: Marco kann wieder mit dem Ball trainieren. Nach einer langen Leidenszeit. Ich freue mich doppelt und dreifach für ihn, dass er zumindest Teilelemente mit der Mannschaft absolvieren kann. Das große Ziel bleibt, dass wir ihn in der Vorbereitung auf die kommende Saison quasi als Neuzugang vorstellen können. Er wird aber auch da noch Zeit brauchen. Wir müssen ihn clever an das Bundesligalevel heranführen.

STANDARD: Wird man dann Matthias Braunöder auch wieder bei der Austria sehen? Er wurde mit einer Kaufoption in die Serie B zu Como verliehen. Zum Einsatz kommt er dort aber kaum.

Ortlechner: Das hat er sich dort sicher anders vorgestellt. Da brauchen wir nicht herumreden. Wenn Como die Kaufoption nicht zieht, ist er im Sommer wieder bei uns. Aber er hat einen unglaublichen Ehrgeiz. Er ist hungrig, er ist willig. Dieser Spielertyp setzt sich in der Regel durch. Garantien gibt es aber keine.

STANDARD: Gegen Legia ist man im Herbst auch an einer roten Karte gescheitert. Die Austria ist mit sieben Ausschlüssen in der Liga Tabellenführer in dieser Kategorie. Warum haben sich die Spieler nicht unter Kontrolle?

Ortlechner: Die Situation ist etwas paradox. Wenn ich die Mannschaft beschreiben müsste, würde ich die Charaktere fast als "brave Schwiegersöhne" bezeichnen. Trotzdem waren wir in den letzten zwei Partien schon wieder knapp an einem Ausschluss dran. Da müssen die Spieler mit sich hart ins Gericht gehen und ihre Lehren ziehen. Denn man schwächt sich sehr oft dadurch.

STANDARD: Zuletzt wurde U21-Teamspieler Manuel Polster in die zweite Mannschaft versetzt. Er habe den Bogen überspannt. So brav scheinen die Spieler also doch nicht zu sein.

Ortlechner: Wir haben junge Spieler, die in ihrer Entwicklung weder als Spieler noch als Persönlichkeit fertig sind. Das ist nun mal so, das kann man nur schwer beschleunigen. Wir bemühen uns auch außerhalb des Feldes, den Spielern dabei zu helfen. Aber man muss realistisch bleiben. Ich denke, dass es bei anderen Vereinen ähnliche Vorfälle gibt. Das ist nichts Außergewöhnliches. Wir ziehen aber Konsequenzen.

STANDARD: Bei Rapid waren es zuletzt gestandene Persönlichkeiten, die für einen Skandal gesorgt haben. Homophobie gibt es aber nicht nur in Hütteldorf. Was kann man als Verein dagegen tun?

Ortlechner: Man kann den Menschen, die Eintritt zahlen, Dinge abverlangen, indem man Regeln aufstellt. Trotzdem ist man oft am Reagieren. Der Sport wird ein gesellschaftliches Problem nicht im Alleingang lösen können. Wir leisten aber unseren Beitrag, müssen der Vorbildwirkung gerecht werden. Nicht nur an der Oberfläche. Man muss das authentisch leben. Man darf nicht wegschauen, man muss seine Stimme erheben. Homophobie hat in der Gesellschaft nichts verloren. (Philip Bauer, 10.3.2024)

Manuel Ortlechner (44) aus Ried im Innkreis ist seit Sommer 2021 Sportdirektor der Austria. Als Abwehrspieler kickte er einst für die SV Ried, Pasching, Austria Kärnten und Austria Wien. Die Violetten führte er als Kapitän 2013 zum bisher letzten Meistertitel.