Erstmals kostete eine Feinunze Gold fast 2.200 US-Dollar, so viel wie nie zuvor. Binnen weniger Handelstage ist der Preis für das Edelmetall in der Vorwoche um mehr als 100 Dollar emporgeschossen auf das neue Rekordniveau. Als Auslöser dieser kurzfristigen Rally gelten die Spekulationen an den Finanzmärkten auf baldige Zinssenkungen der großen Notenbanken, denn niedrigere Zinsen erzeugen weniger Gegenwind für Gold, das selbst ja keine laufenden Erträge einspielt. Darüber hinaus dürfte aber vor allem eine hohe Nachfrage nach dem physischen Edelmetall die weitere Preisentwicklung beflügeln.

Goldbarren und Philharmoniker-Goldmünzen.
Langfristig treibt die Nachfrage nach physischem Gold die Preisentwicklung an, kurzfristig Wetten an den Terminmärkten.
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Zuletzt hatten sowohl Jerome Powell, Chef der US-Notenbank Fed, als auch seine Amtskollegin Christine Lagarde von der Europäischen Zentralbank (EZB) gewissermaßen grünes Licht für Zinssenkungen im weiteren Jahresverlauf gegeben. Wobei besonders Lagarde sogar einen Zeitplan durchschimmern ließ, wonach es voraussichtlich im Juni zur ersten Absenkung des derzeit zur Inflationsbekämpfung noch hohen Zinsniveaus kommen sollte. Diese Aussicht hat nicht nur Gold, sondern mit Bitcoin auch einer anderen unverzinsten Anlage Rückenwind verliehen. Die Kryptowährung notiert derzeit mit mehr als 71.000 Dollar ebenfalls auf Rekordniveau. Zusätzlich beflügelt die erstmalige Zulassung von Bitcoin-ETFs und sorgt derzeit für hohe Nachfrage der neuen Fonds nach der Kryptowährung.

Notenbanken stocken auf

Auch bei Gold überwiegt derzeit die Kauflaune. Analyst Nitesh Shah vom Vermögensverwalter Wisdomtree führt dies einerseits auf hohe Goldimporte Chinas wegen robuster Nachfrage der Haushalte zurück, aber vor allem auch darauf, dass viele Notenbanken ihre Bestände strategisch erhöhen. Insgesamt würden diese seit zwei Jahren so viel wie nie von dem Edelmetall erwerben. Warum? "Die Zentralbanken der Schwellenländer haben noch deutlich weniger Gold in ihrem Portfolio als die G7-Zentralbanken, daher ist noch viel Luft nach oben", erklärt Shah. Als Auslöser dieser Entwicklung gelten die Sanktionen gegen Russland nach dem Beginn des Ukrainekriegs, wodurch die Währungsreserven der Notenbank eingefroren wurden. Selbst im Fall von Sanktionen können die Währungshüter über Gold weiterhin frei verfügen.

Daher wurden in den vergangenen zwei Jahren jeweils etwas mehr als 1.000 Tonnen Gold durch Zentralbanken erworben. Das ist ein deutlicher Anstieg verglichen mit den zehn Jahren zuvor, als laut Daten des Branchenverbands World Gold Council jährlich bloß 300 bis 600 Tonnen netto zugekauft wurden. Der Trend verstärkter Nachfrage durch die Notenbanken sollte Analyst Shah zufolge noch ein bis zwei Dekaden anhalten.

Rally an Terminbörsen

Kurzfristig dürfte der Kurssprung bis knapp an die 2.200-Dollar-Marke aber von den Terminmärkten ausgegangen sein. An der New Yorker Terminbörse Comex ist laut John Reade, Chefmarktstratege des World Gold Council, die Anzahl der offenen Preiskontrakte vergangene Woche um etwa 80.000 angestiegen, was etwa dem Volumen von 240 Tonnen Gold entspricht. "Wenn die offenen Kontrakte zur gleichen Zeit wie der Goldpreis rasch ansteigen, deutet dies stark darauf hin, dass neue spekulative Long-Positionen an der Comex eingegangen wurden", erklärt Reade dem "Handelsblatt". Soll heißen: Viele Händler setzen auf steigende Kurse.

Zudem dürften auch viele Marktteilnehmer ihre Positionen auf einen fallenden Goldpreis aufgelöst haben. "Als die Preise wieder stiegen, lösten die ersten Händler ihre Short-Positionen auf. Dann stieg der Preis weiter, weshalb mehr Händler ihre Short-Positionen glattstellen mussten und der Preis noch weiter zulegte", sagt Wisdomtree-Analyst Shah.

Kurzfristig überhitzt

Wie weit kann der Rekordlauf des Edelmetalls noch gehen? Kurzfristig wohl nicht sehr, da der Markt schon stark überhitzt wirkt, was für eine Korrektur nach unten sprechen würde. Davon geht Shah, der ein Preisziel von 2.210 Dollar bis Ende des Jahres sieht, ebenso aus wie UBS-Analyst Giovanni Staunovo. Danach sollte es aber auch ihm zufolge wieder aufwärtsgehen, er räumt dem Goldpreis noch ein Potenzial bis 2.250 Dollar ein. (Alexander Hahn, 11.3.2024)