Peter Goldgruber, unter Herbert Kickl Generalsekretär im Innenministerium, verweigerte vor dem U-Ausschuss sämtliche Antworten.
APA/ROLAND SCHLAGER

Akten, die nicht angeliefert werden, Auskunftspersonen, die ihren Ladungen nicht nachkommen, und brisante Themen, die nicht besprochen werden können, weil verabsäumt wurde, diese im Einsetzungsverlangen niederzuschreiben: Der von der ÖVP initiierte Untersuchungsausschuss, der möglichen Machtmissbrauch in einst SPÖ- und FPÖ-geführten Ministerien unter die Lupe nehmen will, legte einen denkbar holprigen Start hin – und weiteres Ungemach droht seit Mittwochabend anzurollen.

Was war geschehen? "Lassen Sie sich überraschen", sagte Peter Goldgruber, einst unter dem nunmehrigen FPÖ-Chef Herbert Kickl Generalsekretär im Innenministerium, mit einem süffisanten Lächeln auf Journalistenfragen im Vorfeld seiner Befragung vor dem U-Ausschuss. Kurze Zeit später stellte sich schließlich heraus: Goldgruber war gekommen, um zu schweigen. Das ist ein altbekanntes Problem in U-Ausschüssen, noch nie da gewesen war hingegen Goldgrubers Begründung für seine Aussageverweigerung: Der ehemalige Spitzenbeamte wollte den Abgeordneten deshalb nicht Rede und Antwort stehen, weil er den Untersuchungsgegenstand für verfassungswidrig hält.

"Verhöhnung des Parlaments"

Kritik an seinem Vorgehen kam prompt von ÖVP, Grünen und Neos. ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger sprach von einer "Verhöhnung des Parlaments", dieser Ansicht schloss sich auch Neos-Fraktionsführer Yannick Shetty an. SPÖ und FPÖ verwiesen hingegen auf die weiter im Raum stehende Frage, ob der Untersuchungsgegenstand überhaupt der Verfassung entspricht. Die rote Fraktionsführerin Eva-Maria Holzleitner sieht sich in ihrer in der Vergangenheit geäußerten Kritik am Untersuchungsgegenstand jedenfalls bestätigt: "Auskunftsperson entschlägt sich aufgrund der fehlenden Verfassungskonformität des Untersuchungsgegenstands", schrieb sie auf X (vormals Twitter).

Rote und Blaue zogen ja wie berichtet bereits Mitte Jänner mit einem Antrag vor den Verfassungsgerichtshof (VfGH), weil sie den Untersuchungsgegenstand für verfassungswidrig halten. Die beiden Oppositionsparteien hatten allerdings keinen Erfolg, den U-Ausschuss wegen Rechtswidrigkeit zu Fall zu bringen. Sie sind Anfang März mit ihrem Antrag abgeblitzt, weil es das Gesetz laut Höchstgericht nicht hergeben würde, dass Abgeordnete auf diese Weise einen Untersuchungsgegenstand bekämpfen. In anderen Worten heißt das: Es gibt sehr wohl andere Wege, die es dem Höchstgericht ermöglichen, über die Verfassungskonformität eines Untersuchungsgegenstands zu entscheiden.

Entscheidung mit Symbolkraft

Dass FPÖ-Mann Goldgruber nun die Verfassungskonformität des Untersuchungsgegenstands in Zweifel zog, dürfte deshalb kein Zufall, sondern vielmehr abgesprochen gewesen sein. Dahinter dürfte ein neuerlicher Anlauf von SPÖ und FPÖ stecken, die Sache doch noch einmal vor den VfGH zu bringen.

Weil Goldgruber sämtliche Antworten verweigert hatte, wurden am Mittwoch vom Ausschussvorsitzenden Wolfgang Gerstl (ÖVP) schließlich zwei Anträge auf Beugestrafen beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) beantragt. Sollte dieses eine Beugestrafe über Goldgruber verhängen, kann dieser in einem nächsten Schritt die Strafe bekämpfen, indem er entweder beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Revision erhebt oder sich eben direkt an den VfGH wendet.

Allein: Sollte es tatsächlich so weit kommen, liegt eine Entscheidung des Höchstgerichts aufgrund der Fristenläufe wohl erst nach Ende des U-Ausschusses im Mai vor. In roten und blauen Kreisen wird jedoch auf die hohe Symbolkraft verwiesen, sollte das Höchstgericht den Untersuchungsgegenstand für verfassungswidrig erklären – wenn auch erst zu einem Zeitpunkt, an dem dieser längst zu Ende gegangen ist.

Viel weitreichendere Auswirkungen hätte es allerdings, wenn Goldgrubers Strategie nun Nachahmer findet und weitere Auskunftspersonen – so sie denn überhaupt ihrer Ladung in den U-Ausschuss nachkommen – ihre Aussage verweigern, weil sie die Verfassungskonformität des Untersuchungsgegenstands in Zweifel ziehen. Die Höhe der Beugestrafe, die droht, ist jedenfalls überschaubar: Wer eine Aussage vor dem U-Ausschuss ungerechtfertigt verweigert, muss mit einer Geldstrafe von bis zu 1.000 Euro rechnen. Diese muss pro Befragung nur einmal bezahlt werden, nicht für jede einzelne Frage, die nicht beantwortet wird.

Gang zum Höchstgericht

Übrigens: Nach wie vor ausständig sind Akten, deren vorläufige Nichtlieferung das grün-geführte Justizministerium unter anderem damit begründet hatte, dass man abwarten wolle, wie der Verfassungsgerichtshof die Verfassungsmäßigkeit des Untersuchungsgegenstandes beurteilt. In einem Schreiben an Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) erklärte das Ressort vor einigen Wochen, dass man die Aktenlieferung, die sich auf den fünften Punkt des Untersuchungsgegenstands bezieht, als "verfassungsrechtlich problematisch" sehe und man sich deshalb veranlasst sehe, "die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs abzuwarten".

Nachdem das Höchstgericht Anfang März dazu keine Entscheidung getroffen hat, stellt sich die Frage: Wie wird das Justizministerium nun weiter verfahren? Laut STANDARD-Informationen will sich das Ministerium nun an den VfGH wenden, um Klarheit in der Frage zu erlangen, ob die staatsanwaltschaftlichen Akten an das Parlament geliefert werden dürfen. Dem Vernehmen nach steht dem Ressort dieser Weg allerdings nur dann offen, wenn zuvor eine formelle Rüge durch den U-Ausschuss erteilt wurde – im Ministerium rechnet man bereits damit, dass eine solche demnächst einlangt. Konkret geht es unter anderem um Unterlagen im Zusammenhang mit der steirischen FPÖ-Finanzaffäre und einer alten Korruptionsaffäre der Kärntner Freiheitlichen, die die ÖVP angefordert hatte.

Am Donnerstag hätten die Befragungen im U-Ausschuss eigentlich weitergehen sollen. Doch alle sechs von der ÖVP geladenen (und teils wieder aus- und eingeladenen) Personen aus dem blauen Umfeld hatten aus unterschiedlichen Gründen abgesagt. Sie sollen nun erneut geladen werden. Die nächsten Termine für Befragungen finden am 10. und 11. April statt. (Sandra Schieder, 14.3.2024)