Es ist eines der zentralen Ziele des Digital Markets Act (DMA): sowohl auf dem iPhone als auch unter Android die Dominanz von Apple und Google zu brechen. Ein Werkzeug hierzu ist die verpflichtende Anzeige einer Browserwahl: Beim Einrichten eines neuen Geräts wird den Nutzerinnen und Nutzern also seit kurzem eine zufällig sortierte Liste mit populären Browsern angezeigt. Sie können selbst entscheiden, welcher davon ihre Default-Wahl für das Öffnen von Websites sein soll.

iOS 17.4
Die neue Browserwahl von iOS 17.4 wird beim ersten Aufruf von Safari nach dem Update angezeigt.
Proschofsky / STANDARD

Das große Wachstum?

Glaubt man dem Browserhersteller Brave, scheint der Plan der EU aufgegangen zu sein: Verkündet dieser doch in sozialen Medien, dass seit der Einführung der Browserwahl die Downloads der eigenen App auf dem iPhone deutlich zugenommen haben. Tatsächlich zeigt die mitgelieferte Grafik einen drastischen Anstieg der Downloadkurve in den vergangenen Tagen. Brave sieht sich dadurch darin bestätigt, dass Apple und Google bisher die Voreinstellungen genutzt haben, um jegliche Konkurrenz zu unterbinden.

Bei näherer Betrachtung zeigt sich allerdings schnell, dass die Darstellung von Brave gleich in mehrerlei Hinsicht problematisch ist. Das beginnt damit, dass die Achsen der Grafik kreativ gewählt wurden, um das Wachstum stärker aussehen zu lassen, als es ist. Übrig bleibt ein Anstieg der Downloadzahlen von rund 8.000 auf 11.000. Das ist nicht zu verachten, aber in Relation zu anderen Apps noch immer eine ziemlich kleine Zahl.

Einmalige Faktoren

Zumal man dabei auch andere Faktoren nicht vergessen darf. So hat sich Apple dazu entschlossen, diesen Auswahldialog nicht nur beim Set-up von neuen Geräten, sondern auch beim ersten Start von Safari nach einem Update auf iOS 17.4 anzuzeigen. Das heißt: Der Großteil aller iPhone-User in der EU hat in den vergangenen Tagen diesen Dialog präsentiert bekommen – und sieht ihn danach nie wieder. Was hier zu sehen ist, ist also mit großer Wahrscheinlichkeit ein Einmaleffekt. Angesichts dessen wäre genau genommen ein erheblich größerer Anstieg zu erwarten.

Zudem sollte nicht vergessen werden, dass eine Installation durch die Bewerbung in diesem Dialog noch nicht bedeutet, dass der Browser dann auch dauerhaft genutzt wird. Viele mögen im Vorbeigehen einfach einmal schnell auf die erste Wahl klicken, nur um dann nachher wieder auf Safari oder einen anderen Browser zu wechseln.

Kein ernsthafter Beitrag

Viele Unsicherheitsfaktoren, eines wird dadurch aber klar: Für Jubel über einen Erfolg des DMA in diesem Bereich ist es einfach noch viel zu früh. Die aktuelle Meldung von Brave ist auch in der Art, wie sie kommuniziert wurde, mehr als Werbung im eigenen Sinne zu verstehen als als ernsthafter Beitrag zu dieser Debatte. Für eine ernsthafte Beurteilung der Auswirkungen der zwingenden Browserwahl braucht es einen wesentlich längeren Betrachtungszeitraum anstatt den Blick auf so kurzfristige Effekte unter einmaligen Vorzeichen.

Zumal es durchaus berechtigte Zweifel daran gibt, dass solche Dialoge wirklich etwas ändern. So wird unter Android bereits seit einigen Jahren ein ähnlicher Dialog zur Wahl der Suchmaschine angezeigt. Am Marktanteil von Google in der EU hat er nicht das Geringste geändert.

Die Realität, die sich dabei zeigt: Viele wählen einfach jenes Produkt, das sie am besten kennen, und denken darüber nicht weiter nach. Das heißt übrigens auch, dass die Chancen gut stehen, dass durch die Browserwahl auf dem iPhone – wenn überhaupt – jener Browser profitieren könnte, der auch auf anderen Geräten dominiert: Chrome und damit ausgerechnet der Browser von Google. (Andreas Proschofsky, 14.3.2024)