Der 26. Juli soll zu einer grandiosen olympischen Ouvertüre werden, der ersten, die nicht in einem Stadion stattfindet, sondern entlang der Seine im Herzen von Paris. Der französische Präsident Emmanuel Macron bemüht sich persönlich, Frankreich dabei von der besten Seite zu zeigen. Im Februar kontaktierte er, wie das Wochenmagazin "L'Express" eher nebenbei berichtete, die derzeit meistgehörte frankophone Sängerin, Aya Nakamura. Er bat sie, bei der Gelegenheit ein Chanson von Edith Piaf zu vertonen.

Aya Coco Danioko, bekannt als Aya Nakamura, ist in der frankophonen Welt ein Superstar.
AFP/BERTRAND GUAY

Es wäre das Treffen des nostalgischen mit dem jungen Frankreich. Aya Nakamura ist vor allem bei Teenagern ein Star. Die 28-jährige Französin malischer Herkunft, die sich wegen der TV-Serie "Heroes" einen japanischen Künstlernamen zulegte, kommt auf vier Millionen Instagram-Follower, ihr Hit "Djadja" wurde schon 950 Millionen Mal aufgerufen.

Erinnerungen an 1989

So weit, so gut. Zumal Nakamuras Auftritt Frankreich an die 200-Jahr-Revolutionsfeier von 1989 erinnert: Damals intonierte die schwarze US-Opernsängerin Jessye Norman in die Frankreich-Fahne gehüllt die Marseillaise und jagte der Nation patriotische Schauer über den Rücken.

Doch die Zeiten haben sich offenbar geändert. Aya Nakamura wird gerade von Patrioten angefeindet, ja direkt attackiert. Die ultrarechte Splittergruppe Les Natifs fotografierte sich hinter einem Spruchband mit der Aufschrift: "Es geht nicht, Aya. Hier ist Paris, nicht der Markt von Bamako." Der Rechtsextremist Éric Zemmour ließ den Namen Nakamura bei einem Wahlauftritt ausbuhen, und seine politische Partnerin Marion Maréchal erklärte im Fernsehen, Nakamura könne nicht Frankreich vertreten, da sie ja nicht einmal auf Französisch singe.

Das ist schlicht falsch – Nakamuras Lieder, die insgesamt sechs Milliarden Mal gestreamt wurden, machen den "französischen R 'n' B", wie er sich nennt, sogar über den Sprachraum hinaus bekannt: Ihre melodiösen R-'n'-B-Songs dienten schon Madonna, Alicia Keys oder Rihanna als Vorlage.

Die Sängerin ist in der Pariser Banlieue aufgewachsen und verwendet Slang-Ausdrücke, wie das die meisten jungen Franzosen tun – auch diejenigen ohne Migrationshintergrund. "Ihr könnt wohl Rassisten sein", twitterte Nakamura als Reaktion. "Aber was schulde ich euch eigentlich? Kedal!" Dieser Ausdruck, auf Französischen "que dalle", besagt so viel wie "gar nichts". Auf allen französischen Pausenplätzen wird heute so gesprochen oder via Tiktok kommuniziert.

Nakamura sagte kürzlich selbst: "Ich kann verstehen, dass Einzelne sagen: Für wen hält sich die eigentlich, wenn sie unsere schöne Sprache foppt? Aber man muss die Kultur der anderen akzeptieren, und ich habe nun einmal eine doppelte Kultur."

Signal für die Jungen

Macron will mit dem Engagement Nakamuras bei den Olympischen Spielen zweifellos auch die jüngsten Bürgerinnen und Bürger ansprechen. Die Reaktion auf die Verbalangriffe überließ er anderen. Das Olympische Komitee für "Paris 2024" zeigte sich "äußerst schockiert über die rassistischen Attacken, die Aya Nakamura in den letzten Tagen treffen". Frankreichs Sportministerin Amélie Oudéa-Castéra wandte sich auf der Plattform X direkt an die Sängerin: "Ob Sie geliebt werden oder nicht, liebe Aya Nakamura, kümmern Sie sich nicht um die Welt. Wir sind mit Ihnen."

Der Olympiaauftritt der Sängerin ist nach der tagelangen Polemik immer noch nicht bestätigt. Viele Stimmen meinen, Nakamura müsse am 26. Juli erst recht singen, damit nicht der Eindruck entstehe, dass sich die Rassisten durchgesetzt hätten. Andererseits will Macron "Paris 2024" auch nicht zusätzlich politisieren. Die Spiele sind es schon genug: Die Zulassung russischer Sportlerinnen und Sportler hatte nicht nur in Paris – wo sich Macron dagegen aussprach – für Unmut gesorgt. Im Jänner musste zudem die französische Ex-Basketballspielerin Émilie Gomis ihren Posten als Olympia-Botschafterin wegen eines israelfeindlichen Posts abgeben. (Stefan Brändle aus Paris, 15.3.2024)