Arbeiter in einer Halle beim Fußballspielen
Würden mehr Menschen im Lager arbeiten, wenn sie mehr Freizeitmöglichkeiten haben?
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Schwer schleppen, aber kaum Wertschätzung: Das ist meist das vorherrschende Bild des Arbeitsalltags von Paketbotinnen oder Arbeitern in Lagerhallen und Speditionen. Seit diesem Jahr steht der Beruf Paketzusteller sogar auf der Mangelberufsliste. Bei sogenannten Mangelberufen kommen auf eine offene Arbeitsstelle weniger als 1,5 Arbeitssuchende. Nach Abschluss der diesjährigen Kollektivvertragsverhandlungen für Angestellte in der Branche Spedition und Logistik gibt es immerhin mehr Geld für Mindestlohnbeziehende: Mit 1. April erhöht sich der Mindestlohn um 5,8 Prozent, außerdem wird über das laufende Jahr siebenmal eine Prämie von jeweils 100 Euro netto für Vollzeitangestellte ausbezahlt. Für die Arbeiterinnen und Arbeiter hingegen laufen die KV-Verhandlungen noch. Wie könnte der Job also attraktiver werden?

Oliver Wagner, Geschäftsführer des Zentralverbands Spedition und Logistik, nannte in einer Aussendung bereits "Qualitätssiegel" für Logistikunternehmen als eine Hilfe, um mehr Menschen für die Branche zu begeistern. Damit könne auch "ungerechtfertigten Bedenken in der medialen Öffentlichkeit" – beispielsweise rund um die Nichtleistung von Sozialversicherungsabgaben – entgegengetreten werden. In Großbritannien gibt es bereits seit einiger Zeit zusätzliche Bemühungen, die direkt auf die Mitarbeitenden abzielen. Die Financial Times berichtete in einem Artikel über Wohlfühl-Angebote für die Belegschaft von Logistikhäusern. Prologis, ein führender internationaler Lagerhausentwickler, soll demnach in der Nähe von Lagern Basketball-, Tennis- und Fußballplätze errichtet haben, in Frankreich und den Niederlanden sogar Bienenstöcke. Den Honig dürfen sich die Beschäftigten nehmen.

Eiscreme und Kunst In der Slowakei und in der Tschechischen Republik sollen Eiswagen Arbeiter im Sommer versorgen, anderswo wurden die Hallen mit Wandbildern "urbaner Kunst" verschönert. Und wie sieht es dazu in Österreich aus? DER STANDARD hat bei einigen Firmen nachgefragt, wie sie ihre Lagerstandorte gestalten, um bei der Belegschaft zu punkten. Die Österreichische Post teilte mit, ihre Benefits würden für alle Mitarbeitenden gelten – nicht nur für Lagermitarbeitende. Tatsächliche Vor-Ort-Angebote nannten sie nicht, aber Aktionen wie vergünstigte Familienurlaube oder Kulturangebote wie Theaterkarten. Als Sportangebote gebe es Startplätze für Lauf- und Radevents bei diversen Veranstaltungen. Bei Ikea Österreich bekommen die Mitarbeitenden ein Exoskelett, um Rückenbeschwerden vorzubeugen.

Sie wurden vor kurzem an den Standorten in Wels und Vösendorf getestet. Darüber hinaus hätten Mitarbeitende im Logistikzentrum Strebersdorf einen Gesundheitsraum mit Yogamatten und Balance-Boards zur Verfügung. Er sei auch als Ruheraum gedacht. Beim Mineralwasserunternehmen Vöslauer haben die Beschäftigten Zugang zum Thermalbad und bekommen Rückenfit-, Yoga- und Qigong-Stunden geboten. Auch Radfahrevents und Volleyballtreffen gibt es. In einem Pausenraum stehen Massagesessel, ein Tischfußballtisch und ein Heimfitnessgerät. Bei der Lebensmittelkette Lidl gibt es hauptsächlich immaterielle Angebote: Sabbaticals, eine sechste Urlaubswoche bei Pauschalverträgen, aber auch monatliche Gutscheine. Spezielle Maßnahmen, die nur für Lagerarbeitende gelten, gebe es aber nicht.

Hype lässt schnell nach

DHL Express richtete aus, sie würden regelmäßig kleine Angebote wie Eiswagen an ihren Standorten bieten. Weitere Angebote wie Fitnessstudios hätten sie aber bewusst nicht. Die Kosten seien dafür sehr hoch, der Nutzen zugleich recht gering, richtet eine Sprecherin aus. Der Hype sei anfangs oft groß, lasse jedoch schnell wieder nach, fiel dem Unternehmen auf. Entlastung für Schicht Mitarbeitende der Drogeriekette DM im Lagerbereich des Verteilzentrums Enns erhalten zwölf Minuten mehr bezahlte Freizeit, also in Summe eine freie Stunde mehr pro Woche bei gleicher Bezahlung. Damit wolle das Unternehmen Beschäftigte im Lagerbereich, "die durch die Arbeitszeiten im Schichtmodell eine Mehrbelastung erleben, bei der noch besseren Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben" unterstützen, sagt Petra Mathi-Kogelnik, Geschäftsführerin von DM.

2020 entstand in Italien ein Logistikzentrum des Versandkonzerns Zalando gemeinsam mit dem Logistikdienstleister Fiege, von dem aus auch österreichische Kunden beliefert werden. Im Rahmen des 130.000 Quadratmeter großen Zentrums wurden auch "Sozialräume" und Sportplätze gebaut, wie Lounges und ein Basketballplatz. Im selben Jahr kam ein neues Logistikzentrum der Firma Müller Transporte nach Wiener Neudorf, mit einer "Feel Good Area".

Eine dramatische Situation im Bereich der Lagerarbeitenden sieht Hansjörg Miethling von der Gewerkschaft Vida einstweilen nicht. "Der Personalbedarf steigt nur langsam, dafür aber kontinuierlich", sagt er. "Wichtig für die Beschäftigten ist es in erster Linie, dass sie Reallohnzuwächse brauchen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten und ihre laufenden Rechnungen begleichen können." Das ist auch die zentrale Forderung bei den diesjährigen KV-Verhandlungen: Teuerungsabgeltung plus Anteil am Produktivitätszuwachs. Letztes Jahr ergaben die Verhandlung immerhin eine Arbeitszeitverkürzung und eine Erhöhung der Stundenlöhne um durchschnittlich 11,33 Prozent. (Melanie Raidl, 9.4.2024)