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Bei "Choir of Kin" kann das zwischen den mischwesenhaft kostümierten Performerinnen wandeln.
Marcella Ruiz Cruz

Wer Hymnen auf den "Pilz des ewigen Lebens" liest, sollte sich mit Unsterblichkeitserwartungen zurückhalten. Pülverchen aus dem Glänzenden Lackporling oder Reishi werden weltweit vermarktet. Auch das Kollektiv Transformative Narratives findet den angeblichen Wunderpilz cool und zeigt in seiner stimmungsvollen Installation und Performance Choir of Kin, die das Brut gerade als Uraufführung beim Imagetanz-Festival präsentiert, eine Sammlung hübscher Exemplare.

Haraway-Verwandtschaft

Die Wiener Kunst- und Musikgruppe imaginiert – in uneingestandener Anlehnung an die US-amerikanische Wissenschaftspoetin Donna Haraway ( Staying with the Trouble: Making Kin in the Chthulucene, 2016) – den Traum "queerer Auffassungen von Verwandtschaft". Haraway, die in postmodernen Akademikerkreisen mit ihrem "Cyborg-Manifesto" berühmt wurde und kommenden September ihren 80er feiert, ist eine große Aufklärerin unserer Tage. Sie versucht zu vermitteln, dass alle Kreaturen auf diesem Planeten Verwandte sind.

Daraus machen die Künstlerin Lena Kuzmich und der Musiker Tony Wagner von Transformative Narratives ihr eigenes performatives und visuelles Klangwerk. Als Bühne dafür dient eine künstliche Landschaft in Form einer kleinen Insel mit Gewächsen und einem Weiher. Zusätzlich integriert sind neben viel Sound-Elektronikgeräten klassische Instrumente wie Bassgeige, Piano oder Harfe.

Viel Pathos, kein Tanz

Die Performance spart nicht an Pathos, kommt aber ohne Tanz aus. Apropos: Das "Kin"-Thema hat Anfang der Woche bei Imagetanz auch die junge, aus Japan stammende Wiener Choreografin Yoh Morishita aufgenommen. Mit weniger Diskursfracht, dafür aber grenzgenialer Körperkunst zwischen Tanz und Yoga in ihrem Solo Chrysalis – das als echtes Highlight des Festivals gelten darf.

Schön, dass das Publikum bei Choir of Kin zwischen den mischwesenhaft kostümierten Performerinnen frei lustwandeln darf. So wirkt die Insel allerdings auch schnell überbevölkert. Vielleicht passiert das einfach – oder es ist als indirekte Anspielung auf das entsprechende globale Problem gemeint. Mit ihrer Aufforderung, "Verwandtschaften, nicht Babys zu zeugen", ist Donna Haraway übrigens auf entschiedene Kritik gestoßen. (Helmut Ploebst, 15.3.2024)