Frau sitzt vor dem Laptop und arbeitet
Das Momentum-Institut ortet einen Gender-Gap bei unbezahlten Überstunden.
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Wien – Im Vorjahr wurden wieder einmal Millionen Überstunden geleistet, ohne dass die Beschäftigten eine Gegenleistung dafür gesehen hätten, kritisiert der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) mit Blick auf Zahlen der Statistik Austria. Insgesamt soll es sich um fast 47 Millionen Überstunden ohne Geld- oder Zeitausgleich gehandelt haben. "Jede vierte Überstunde ist unbezahlte Gratisarbeit, den Beschäftigten entgehen damit insgesamt 1,45 Milliarden Euro Bruttoentgelt", rechnete ÖGB-Geschäftsführerin Ingrid Reischl vor.

Das entspreche 28.000 Vollzeitarbeitsplätzen. Bei den Männern würden rund 25 Prozent nicht ausgeglichen, bei den Frauen, die zu einem deutlich höheren Anteil teilzeitbeschäftigt sind, seien es 28 Prozent. Reischl fordert eine bessere und fairere Verteilung der Arbeit und Strafen für "schwarze Schafe". "Das ist nichts anderes als systematischer Lohnbetrug", so die Gewerkschafterin. Zudem würden dem Staat dadurch 430 Millionen Euro an Sozialversicherungsabgaben entgehen.

Momentum-Institut spricht von "Lohnraub"

Es sei unverständlich, dass auf der einen Seite Menschen so viel arbeiten, dass ihre Gesundheit darunter leide, während andere keine Arbeit hätten, so Reischl. Um unlauteren Vorgehensweisen der Unternehmen entgegenzuwirken, solle bei vorenthaltener Überstundenbezahlung für die betroffenen Stunden das doppelte Entgelt fällig werden.

Ihr Tipp für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die keine Überstunden bezahlt bekommen: nicht zu lange abwarten und auf Besserung hoffen. Denn Überstunden können sehr schnell verfallen. Viele Arbeitsverträge sähen zum Beispiel vor, dass Überstunden bereits nach drei Monaten nicht mehr eingefordert werden können, so Reischl.

Von einem "Lohnraub" sprach am Dienstag das arbeitnehmernahe Momentum-Institut. "Deutlich erkennbar ist bei unbezahlten Überstunden ein Gender-Gap: Während Frauen mehr als 28 Prozent ihrer Überstunden nicht vergütet werden, bleibt bei Männern etwas weniger als ein Viertel unbezahlt", sagt Jakob Sturn, Ökonom am Momentum-Institut.

"Gesetzgeber muss eingreifen"

"Hier muss der Gesetzgeber eingreifen", betonte SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch am Dienstag. Er fordert, dass alle geleisteten Mehr- und Überstunden gemeldet werden müssen, Mehrstunden sollen wie Überstunden mit 50-Prozent-Aufschlag bezahlt werden, bei Lohnvorenthaltung soll ein 100-Prozent-Zuschlag zum geschuldeten Lohn fällig werden. "Die Zeit der Ausreden muss für die Regierungsparteien vorbei sein", so Muchitsch.

Von der Arbeiterkammer kam ebenfalls Kritik an dem "Lohnraub" in Zeiten einer weiterhin immensen Teuerung, wie es Ines Stilling, AK-Bereichsleiterin Soziales, nannte. Überstunden seien immer noch zu billig, und systematisches Lohndumping werde nicht ausreichend sanktioniert. Die AK fordert, dass der Mehrarbeitszuschlag nicht nur auf 50 Prozent angehoben wird, sondern auch Teilzeitbeschäftigten ab der ersten Stunde zustehen muss. Der Zeitausgleichszeitraum von derzeit drei Monaten solle ebenfalls entfallen. (APA, 19.3.2024)