FPÖ Demokratie Demonstration Parlament Wien
Ende Jänner in Wien: die Demonstration "Demokratie verteidigen!" vor dem Parlament.
Foto: Christian Fischer

Einige der gescheitesten politischen Gedanken wurden vergangenen Sonntag in der Burgtheater-Matinee "Demokratie hat Zukunft" vorgetragen. Es war eine Mischung aus Expertendiskussion und Lesung von eigens für diesen Termin geschriebenen literarischen Texten. Der des italienischen Mussolini-Biografen Antonio Scurati nagelte präzise die Methode und die Attraktivität der Rechtspopulisten fest:

"Der populistische Führer ist imstande, eine Art alchemistische Verwandlung der Angst in den Hass zu bewirken (...) Das populistische Evangelium fordert dazu auf, von einem passiven, reaktiven, depressiven Gefühl, das die Angst ist, zu einem aktiven, mitteilsamen und euphorischen Gefühl wie dem Hass zu wechseln. Wenn du jemanden hasst, fühlst du dich lebendig – wie wenn du liebst, vielleicht sogar noch mehr."

Von Angst zu Hass

Große Teile der europäischen (und der US-amerikanischen) Bevölkerung haben Angst – vor der Zukunft, der Überforderung durch Globalisierung, Krisen, Kriegen. Das drückt sich in gewaltigen Vertrauensverlusten in demokratische Regierungen und die Demokratie selbst aus. Der Zeithistoriker Oliver Rathkolb präsentierte dazu im Burgtheater die deprimierenden Umfrageergebnisse (dazu ein andermal mehr).

Die Methode der Rechtspopulisten, die so gut wie immer Rechtsextremisten sind, verdichtet sich in einem einzigen Umwandlungsprozess, eben von Angst zu Hass: "Alles ist auf ein einziges Problem zurückführbar, dieses einzige Problem ist zurückführbar auf einen Feind, und als dieser Feind wird ein Fremder ausgemacht."

Falsches Problembild

Das können wir täglich in Österreich (und in ganz Europa) erleben. Dagegen gibt es aber inzwischen Widerstand. In Deutschland genügte es, dass die Deportationsfantasien extrem rechter Gruppierungen (angeleitet wieder einmal von einem Österreich-Export, Herrn Martin Sellner) Millionen auf die Straße brachten. In Österreich waren es einige Zehntausend. Am Samstag, 23. März, rufen etliche Organisationen wieder zu einer Demonstration unter dem Motto "Demokratie verteidigen – keine Koalition mit dem Rechtsextremismus". Aber warum sind das SPÖ, Grüne, Neos und überwiegend linke und liberale Repräsentanten, warum schließen sich nicht gemäßigte Konservative, konkret die ÖVP, aber auch die Industriellenvereinigung, die Wirtschaftskammer, die Kirche (außer der Caritas), katholische Studentenverbindungen und so weiter an?

Die Antwort ist: Vor allem konservative Unternehmer, Gewerbetreibende, Beamte fürchten sich mehr vor links als vor extrem rechts, mehr vor Andreas Babler als vor Herbert Kickl.

Das ist das falsche Problembild. Österreich braucht etwas anderes. Nämlich einen neuen Sozialpakt zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern, begleitet und gestaltet von den entsprechenden Parteien, der auch gleichzeitig eine neue, faire Verteilungspolitik beinhaltet. Politik- und Demokratieverdrossenheit wurzeln in dem Gefühl so vieler, dass hier so viel schiefläuft. Die extreme, populistische Rechte kann man nur eindämmen, wenn die Abgehängten, die Bedrohten, die Unzufriedenen wieder das Gefühl haben, dass gemeinsam daran gearbeitet wird, ihre Lage zu verbessern. (Hans Rauscher, 19.3.2024)