Prue (Shannon Doherty), Phoebe (Alyssa Milano), Piper (Holly Marie Combs): drei Frauen, drei Schwestern, drei Hexen.
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Anfang der 2000er-Jahre haben mich drei Schwestern mit einem Zauber belegt. Wenn Piper, Phoebe und Prue Halliwell nachmittags im ORF gegen das Böse kämpften, saß ich an vorderster Front vor dem Fernsehgerät. Mit dabei war mein "Buch der Schatten", ein ausrangiertes grünes Fotoalbum, für das mir mein Vater einen würdigen Altar zimmern musste. Jeder eilig mitgeschriebene Zauberspruch fand darin seinen Platz. Auch an Dämonenporträts versuchte ich mich. Immerhin war es DAS Buch – eine Art Enzyklopädie für Hexen. Irgendwann verlor ich die Lust am Zeichnen, weshalb ich aus Religionsschulbüchern herausgerissene Heiligenbilder neben kreativen Dämonennamen ins Buch klebte.

Kurzum: Ich wollte nicht nur beim Hexen zusehen, ich wollte ein Teil davon sein. Was war es, das mich an "Charmed" damals so in den Bann zog? Und hält der Zauber, mehr als 20 Jahre später, immer noch?

"Charlie's Angels mit einem Ouija-Brett"

Als die US-Serie 1998 erstmals ausgestrahlt wurde, war die Idee, Hexen vom Besen in die Gegenwart zu holen, schon nicht mehr ganz neu. Im Gegensatz zu Teenagerhexe "Sabrina" oder Teenagervampirjägerin "Buffy" waren die drei Protagonistinnen von "Charmed" aber keine 16 mehr. Neben dem "Dämon der Woche" arbeiteten sich die ersten Staffeln nicht an Highschool-Dramen ab. Stattdessen jonglierten drei Mittzwanzigerinnen ihre Leben als junge Frauen, Schwestern und Hexen. Und das alles unter dem Dach eines prächtigen viktorianischen Anwesens in San Francisco.

Aus Lizenzgründen wird beim Intro nicht mehr "How soon is now" gesungen.
Classic TV Zone

Männer spielten in der Serie anfangs nur Nebenrollen. Der Fokus lag auf "der Macht der drei": Frauen, die keine Beschützer brauchten. "Charlie's Angels mit einem Ouija-Brett" soll ein US-Fernsehkritiker "Charmed" damals genannt haben. Eine Anspielung auf die bekannte US-Krimiserie aus den 1970er-Jahren, in der drei Frauen Verbrechen bekämpften.

Ganz ohne die obligatorischen Romanzen kam "Charmed" trotzdem nicht aus. Ein Auszug: Piper verliebte sich in Leo (Brian Krause), den "Wächter des Lichts" der Schwestern (eine Art Engel), Phoebe in den (seien wir ehrlich!) recht schön anzusehenden Staatsanwalt Cole Turner (Julian McMahon), der auch immer wieder mal Dämon war.

Weibliche Repräsentation

Natürlich könnte man den "Zauberhaften Hexen" – an heutigen Maßstäben gemessen – fehlende Diversität und eine starke Sexualisierung weiblicher Körper ankreiden. Inhaltliche Kontinuität war ebenso wenig Teil des Erfolgsrezepts. Zwar wurde Halbschwester Paige noch gut in die Serie eingewoben. Vor allem in späteren Staffeln setzten die Produzenten den Sparstift dann aber ein wenig zu fest an: Dämonen sahen nicht mehr wie solche aus, Phoebes Zauberkräfte kamen irgendwann nicht mehr vor, Leo wurde ganz gestrichen. Wie so viele Serien zuvor bewies auch "Charmed": Man sollte aufhören, wenn es am schönsten ist.

Der "Wächter des Lichts" und späterer Ehemann Pipers Leo (Brian Krause) fiel in der letzten Staffel dem Sparstift zum Opfer.
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Legt man den Fokus aber auf die ersten Staffeln, war die Serie in puncto weibliche Repräsentation für ihre Zeit recht fortschrittlich. Jene Episode, in der die Schwestern zurück in die 70er-Jahre reisen und sich selbst als Kinder kennenlernen, wurde fast ausschließlich von weiblichen Schauspielerinnen getragen. Für die weibliche Lebensrealität immer noch mindestens genauso aktuell: In der Folge "Tödliche Träume" stellt sich Prue keinem Dämon, sondern einem zurückgewiesenen "Sterblichen" und dessen Rachefantasien.

Coolnessfaktor Magie

Meinem elfjährigen Ich war das damals alles freilich recht wurscht. Die Magie hatte den für mich entscheidenden Coolnessfaktor. So wie Piper die Zeit anhalten, wie Prue Gegenstände bewegen oder wie Phoebe in die Zukunft sehen – das wollte ich auch. Stark sein in einer Zeit, in der alles unsicher ist. Sendungen wie "Charmed" hätten Mädchen im Teenageralter ein Gefühl der Selbstbestimmung gegeben, sagte Owen Davies, Professor für Sozialgeschichte an der University of Hertfordshire, im Jahr 2013 gegenüber dem "Guardian".

Und, Hand aufs Herz, dieses Gefühl habe ich beim Wiedersehen der Serie immer noch. Auch wenn es aus Lizenzgründen nicht mehr das Lied "How soon is now" ist, das mir beim Intro durch die Glieder fährt, und ich die Wunschvorstellung, Zauberkräfte zu besitzen, längst aufgegeben habe. Was mir dafür umso mehr imponiert? Das Zelebrieren von Schwesternschaft, Frauen, die den Schritt in die berufliche Unabhängigkeit wagen (Pipers Club, das P3, unvergessen!), Prues Schlagfertigkeit.

Nach Prues (Shannon Dohertys) Serientod nahm Halbschwester Paige (Rose McGowan, links) die Rolle der dritten Hexe ein.
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Fehde hinter der Kamera

Schade nur, dass das Bild hinter der Kamera nicht ganz so "zauberhaft" gewesen sein dürfte. Seit Jahrzehnten liegt die Fehde zwischen den Schauspielerinnen Alyssa Milano (Phoebe) und Shannon Doherty (Prue) wie ein Fluch über der Serie. Milano soll mit schuld gewesen sein, dass Doherty nach drei Staffeln gekündigt und von Rose McGowan (Paige) ersetzt wurde. Erst vor kurzem bekam der Streit durch Dohertys Podcast erneut Aufwind.

Hält der Zauber dennoch? Er hält. In diesem "Jahr der Hexe", wie der "Guardian" das TV-Jahr 2024 erst kürzlich bezeichnete, kann sich "Charmed" – trotz vereinzelter Altersflecken – neben neuen Hexenserien getrost für ein Wiedersehen einreihen. Und dafür kann dann auch ruhig wieder einmal das eigene "Buch der Schatten" vom Dachboden geholt werden. (Anna Wiesinger, 23.3.2024)